Bei einem Projekt für junges Wohnen in Altlichtenwarth konnten sich die zukünftigen Mieter bei der Planung einbringen.

Foto: Marginter Architekten

Baugruppen, Cohousing, Clusterwohnungen – für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen gibt es viele Begriffe und Ansätze. Das Ausmaß an Partizipation der künftigen Bewohner ist jeweils unterschiedlich, die Anwendbarkeit im geförderten Wohnbau nicht eins zu eins gegeben, selbst wenn sich die gemeinnützigen Bauträger die Schaffung sozialer Gemeinschaft ins Programm geschrieben haben. Wie sie am besten von solchen Modellen lernen können, haben nun vier niederösterreichische Bauvereinigungen – die Siedlungsgenossenschaften Neunkirchen, Alpenland, Amstetten und die Niederösterreichische Wohnbaugruppe – analysiert.

Praxistauglichkeit im Regelwohnbau

Gemeinsam mit dem Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) haben sie innovative Partizipationsideen auf ihre Praxistauglichkeit im Regelwohnbau geprüft, um sie an die Fachöffentlichkeit weiterzugeben. Herausgekommen ist die Broschüre "Für ein besseres Zusammenleben: Praxisempfehlungen zu gemeinschaftsorientiertem Wohnen" im Auftrag des Landes NÖ. "Wir sind davon überzeugt, dass wir damit nicht nur zu unserer Aufgabe, Gemeinschaft zu bilden, beitragen können, sondern dass durch ein besseres Miteinander in unseren Häusern auch wirtschaftliche Vorteile zu generieren sind", schreibt Herausgeber Martin Weber von der SG Neunkirchen im Vorwort. Für neue Ansätze eignen sich besonders gemeinschaftsbildende bauliche Maßnahmen – wie eine Art Baugruppe "light", die Organisation der Besiedlung sowie der Kundenverkehr in der Hausverwaltung.

Baugruppe "light"

Ein aktuelles Beispiel: In Altlichtenwarth, einer typischen Abwanderungsgemeinde im nördlichen Weinviertel, hat man mit dem Architekturbüro Marginter Architekten Wohnraum für Junge geschaffen. Auf Vorschlag der SGN wurden in Zusammenarbeit mit der Gemeinde die zukünftigen Bewohner schon vor der Planung miteinbezogen und konkret gefragt: Was wollt ihr? Im Endeffekt konnte man alle Wünsche erfüllen. "Die Menschen hatten das Gefühl, mitzubestimmen, das war für die spätere Hausgemeinschaft Gold wert", so Weber im Gespräch mit dem STANDARD. Das Projekt zeigt, dass gemeinschaftliches Bauen "light" auch möglich ist, wenn die Wohnungsvergabe nach sozialen Kriterien durch die Gemeinden erfolgt, weshalb sich die Bewohner im Regelfall – anders als bei Baugruppen – vorab nicht kennenlernen.

Weber räumt ein, dass die Gemeinde im Vorfeld skeptisch war. Auch für Bauträger und Architekten war der Aufwand viel größer. Doch die Vorteile überwogen: Beim Einzug kannten sich alle Mieter schon gut, was bei den üblichen Schlüsselübergaben nicht der Fall ist. Partizipation fördert die Zufriedenheit im Haus und führt zu geringerer Fluktuation.

Hausverwaltung entlasten

Für den täglichen Ablauf in den Hausverwaltungen bedeutet das in weiterer Folge weniger Arbeit, und das schlägt nicht zuletzt auch ökonomisch zu Buche. "Gibt es einmal richtig Brösel, beschäftigt das die Hausverwaltungen oft lange", weiß Weber aus Erfahrung. Ein gutes Klima unter Nachbarn resultiert in weniger E-Mail-Verkehr, weniger Trotz und Missverständnissen und erspart sogar den ein oder anderen Gang vor Gericht, der bei Nachbarschaftsstreitigkeiten meist ohnehin nichts bringt. Denn: Wer sich kennt, redet miteinander, und Kommunikation ist bekanntlich das beste Mittel, um Probleme zu deeskalieren.

Positiver Gruppendruck

Noch ein Aspekt: "Mit einer guten Grundstimmung im Haus übt die Hausgemeinschaft einen gewissen Gruppendruck auf sogenannte Widerständler aus, die sich nicht so gut integrieren wollen", so Weber. Dasselbe Prinzip funktioniere auch im freifinanzierten Bereich, die SGN hat das in einem Projekt in Ybbs an der Donau erprobt.

Dass gemeinschaftliches Wohnen in normalen Mietprojekten funktionieren kann, zeigt in Wien auch das Projekt So.vie.so im Sonnwendviertel. Dort etablierte sich durch die jahrelange Partizipation in der Planung eine Hausgemeinschaft, die nun in der Lage ist, viele Angelegenheiten selbst zu regeln. Die Broschüre weist darauf hin, dass der Prozess der Gruppenbildung allerdings gezielt vom Bauträger angeregt werden muss, denn Ideen kommen anfangs eher selten aus der Bewohnerschaft. Auch die Initiative im Sonnwendviertel wurde professionell begleitet. Letztendlich liegt der Ball bei den Bauträgern. (Marietta Adenberger, 8.2.2019)