Wien – Goldflöckchen in den Haaren, Goldflöckchen auf der Kleidung der Mitarbeiter. Goldflöckchen auf dem Boden und Goldflöckchen an den Maschinen der Werkstatt, in der das Edelmetall zu einem Hauch verarbeitet wird. "Wir putzen selbst", sagt der Chef der Blattgoldschlägerei Wamprechtsamer in Wien-Penzing, Philipp Hofmann, und hebt ein paar der federleichten Produktionsrückstände auf.

Der Betrieb von Philipp Hofmann erzeugt seit 1906 Blattgold.
Foto: Regine Hendrich

Man kann verstehen, dass hier nach Betriebsschluss um 16 Uhr nicht der Staubsauger durchgezogen wird; denn das Gold, das hier von Fein- zu Blattgold geschlagen wird, das wird vieles – aber nie zu Abfall. Und wenn, dann zu "essbarem", wie Hofmann, der das 1906 gegründete Unternehmen in vierter Generation führt, erklärt.

Gold zum Essen

Ja, das "essbare Gold", das hat in letzter Zeit Konjunktur. Nicht nur auf Patisserie und Mehlspeisen wird Güldenes appliziert; auch gekocht wird damit. Zuletzt hat der französische Fußballer Franck Ribéry für Aufregung gesorgt, als er sich in Dubai vom Stargastronomen Nusret Gökçe ein mit Blattgold verziertes Steak kredenzen ließ, im Wert von angeblich 1200 Euro. Auch Wamprechtsamer verkauft Blattgold für die Kulinarik, wie Hofmann erklärt, mit den in Gewürzmühlgläser verpackten 23-karätigen Flocken werde gern gekocht bzw. dekoriert. Ob das nicht dekadent ist? "Notwendig ist das natürlich nicht, man braucht kein Gold in Speisen. Aber ist das bei teurem Kaviar und Austern wirklich etwas anderes? Gold verschönert halt auch Essen", argumentiert der Unternehmer. Besser mache es das Gekochte jedenfalls nicht, denn: "Gold schmeckt nach nichts."

Zunächst verwenden die Goldschläger noch Maschinen, zum Schluss wird das Edelmetall per Hand geschlagen.
Standard/Hendrich

Verschönern, zum Glänzen bringen und herzeigen – das sind Begriffe, die Hofmann gern benützt, wenn er seinen ururalten Beruf, dem schon die alten Inder und Ägypter nachgingen, beschreibt. "Wir sind die Einzigen, die Gold so verarbeiten, dass es verewigt wird." Denn Blattgold könne im Gegensatz zu Goldschmuck oder -barren nicht wiederverwertet werden. Ob vom Vergolder auf Bilderrahmen appliziert (eigentlich wird das Gold mit einem feinen Pinsel "angeschossen"), ob in Kirchen oder Schlössern verwendet: "Vergoldetes hält Jahrhunderte und kann von Generationen von Menschen bewundert werden", fasst Hofmann seine Philosophie zusammen.

Bleistifte vergoldet

Er leitet den Betrieb in der Kendlerstraße seit 2003, und obwohl er eigentlich Wirtschaft studieren wollte, ist er nach zwei Jahren an der WU im Betrieb seines Vaters, von dem er alles gelernt hat, gelandet. Schon als Volksschulkind sei er immer wieder in die Werkstatt gekommen, "ich hab gern meine Bleistifte vergoldet". Auch in seiner Studienzeit habe er einmal pro Woche bei seinem Vater geholfen, "und dann bin ich geblieben".

Mit uralten Hämmern wird das Gold "groß geschlagen", danach werden die Blätter geschnitten und wieder geschlagen.
Foto: Regine Hendrich

Irgendwie dürfte es dem quirligen 44-Jährigen auch gefallen haben, dass man mit dem Beruf "Goldschläger" über ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal verfügt. Abgesehen von der Alois Wamprechtsamer GmbH mit ihren zwei Handvoll Mitarbeitern gibt es nur noch eine zweite Blattgoldschlägerei in Österreich. Deren Eigentümer, heute ein alter Herr, hat einst bei Hofmanns Vater gelernt.

In der ganzen EU gibt es noch rund acht derartige Betriebe, leicht haben es die alle nicht: Auch hier kommt die Konkurrenz aus China. Wobei Wamprechtsamer, dessen Ware auch von Steinmetzen für Grabinschriften gekauft wird, lang ein zweites Standbein hatte: Verkauf von Grablaternen, "Das hat uns in schwierigen Zeiten die Goldschlägerei gerettet", weiß Hofmann. Heutzutage ist das Geschäft aber überschaubar.

Hauchdünn sind die Folien, die letztendlich in der Verkauf gehen.
Standard/Hendrich

Per Hammer und dann per Hand

All das erzählt der Vater von zweijährigen Zwillingen im Besprechungszimmer seines Betriebs. Begleitet vom dröhnenden Schlagen des Federhammers, der in der Werkstatt nebenan auf in Quadrate geschnittene und in der sogenannten Quetsche übereinandergestapelte Goldblätter niedersaust. So lange, bis ein Blatt nur noch 0,01 Millimeter dünn ist, bei zwölf Zentimetern im Quadrat. Vor dieser Prozedur ist das Feingold, das Hofmann selbst einkauft, im Ofen bei rund 1200 Grad geschmolzen und zu Ein-Kilo-Barren gegossen worden.

Dieser Rohling wurde wie Strudelteig maschinell ausgewalzt, zu einem 100 Meter langen und vier Zentimeter breiten Band. Da war das Gold noch drei Hundertstelmillimeter stark, ungefähr so dick wie eine Zeitungsseite.

Ewiger Kreislauf

Zwei Mal wird der Federhammer verwendet, dann geht es nur noch mit händischem Hämmern. Abwechselnd mit rechter und linker Hand und wohldosiert werden die Goldblätter geschlagen, bis sie zwischen 0,00015 und 0,0003 Millimeter dünn sind. Bei alledem spielt das Pulver eine Rolle, das Werkstatt, Schläger und Goldschneiderinnen gleichermaßen bedeckt. Das Pulver dient dazu, dass das hauchdünne Gold, das zum Beispiel in acht mal acht Zentimeter großen Blättern à ein Euro in den Handel kommt, nicht zusammenklebt.

Abfall gibt es keinen: Was bleibt, wird wieder eingeschmolzen – und die Prozedur beginnt von neuem.
Foto: Regine Hendrich

Und warum gibt es hier, wo aus 1200 Gramm Feingold rund 400 Gramm Blattgold gemacht werden, keinen Abfall? Weil der aufgeklaubt, zusammengestoßen und wieder eingeschmolzen wird. Ein beinah ewiger Kreislauf, wie Goldschläger Hofmann es ausdrückt.

Nur ein paar Goldflöckchen verlassen die Werkstatt – im Haar der Goldschläger und ihrer Besucher. (Renate Graber, 9.2.2019)