Als Selbstzünder brauchen Dieselfahrzeuge zwar keine Zündkerzen von Bosch, aber Steuerungssoftware für die Abgasreinigung. Da kooperierten VW und Bosch eng.

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Nach Milliardenkosten für die Aufarbeitung des Dieselskandals will Volkswagen seine Partner- und Zulieferer in die Pflicht nehmen. VW prüfe Schadenersatzansprüche von bis zu einer Milliarde Euro gegen Bosch, der "Weltauto"-Konzern sehe seinen Elektronikzulieferer in der Mitverantwortung für entstandene Schäden, berichtet der Spiegel unter Berufung auf Konzernkreise.

Das Ansinnen klingt plausibel, hat VW für die Beilegung des Abgasskandals in den USA und in Europa doch inzwischen mehr als 28 Milliarden Euro aufgewendet. Vom Stuttgarter Autoelektronikbauer hatten VW und Audi die Grundversion jener Steuerungselemente und -software bezogen, die in großem Stil zur Manipulation von Abgaswerten bei Diesel-Kfzs genutzt wurden.

Auch Bosch mit US-Vergleich

Die Robert Bosch GmbH geriet damit ihrerseits ins Visier der US-Justiz und zahlte Anfang Jänner insgesamt 131 Millionen Dollar (114 Mio. Euro) und beglich damit auch die Forderungen von 104.000 Dieselbesitzern von Fiat-Chrysler. Wie VW erklärte auch Bosch, dass der US-Vergleich kein Schuldbekenntnis darstelle. Man vermeide nur langwierige, teure Verfahren.

Wo Volkswagen draufsteht, ist in der Regel viel Elektronik von Bosch drin.
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Dass der Streit zwischen VW und seinem Lieferanten tatsächlich vor Gericht landet, scheint freilich unwahrscheinlich. Wohl arbeitet VW laut Spiegel seit dem Vorjahr an einer Klage, die Konzerne hätten sich inzwischen aber eine Frist gesetzt. Bis Ende März wollten die Partner über das weitere Vorgehen entscheiden. "Bosch und Volkswagen verbindet ein jahrzehntelanges Hersteller-Lieferanten-Verhältnis. Wir können uns eine solche Klage gegen Bosch nicht vorstellen", zitiert der Spiegel aus einer Stellungnahme von Bosch. VW äußerte sich zu "Fragen, die etwaige interne vertrauliche Vorgänge betreffen könnten", nicht.

"Das ist, wie wenn die Panzerknacker den Bohrmaschinenhersteller verklagen", kommentierte der mit VW-Klagen befasste Anwalt Michael Poduschka die Vorgänge.

Spiel auf Zeit

Anders als in Amerika, wo Volkswagen 2015 auf Druck der US-Umwelt- und -Justizbehörden zugegeben hat, bei der Abgasreinigung von Dieselmotoren mit – auch in Europa unzulässigen – Abschalteinrichtungen betrogen zu haben, streiten die Wolfsburger bei der Entschädigung von Fahrzeughaltern in Deutschland und Österreich nach wie vor alles ab und spielen auf Zeit.

Jüngstes Beispiel: Am Landesgericht Korneuburg, wo eines von 15 Sammelklagsverfahren des VKI abgeführt werden sollte, machte der Richter kurzen Prozess. Er beschied, dass das Gericht in Österreich nicht zuständig sei, und verwies den Kläger nach Braunschweig, wo VW-Klagen sonder Zahl anhängig sind. Der Verweis an Braunschweig widerspricht zwar der gängigen Judikatur der Oberlandesgerichte (OLGs), die internationale Zuständigkeit bejaht (einzig ein OGH-Beschluss zu einem Vorarlberger Fall fiel zugunsten des – vom österreichischen VW-Generalimporteur Porsche Austria schadlos gehaltenen – beklagten VW-Händlers aus). In allen anderen mehr als drei Dutzend Fällen ließen OLGs die Zivilverfahren gegen Volkswagen zu.

"Braunschweig beweisnah"

Die beklagte Volkswagen AG stützt ihre Argumentation auf ein Gutachten von WU-Professor Paul Oberhammer, das eigens für die Sammelklagen erstellt wurde. Oberhammer sieht Braunschweig als einzig möglichen Gerichtsstand: "Nicht die Gerichte am Ort des jeweiligen Autokaufs in Österreich und Europa sind objektiv am besten für die Beweiserhebung und Prozessdurchführung (...) geeignet, sach- und beweisnah in diesem Sinne sind vielmehr die deutschen Gerichte am Sitz der Volkswagen AG. Dieser Gerichtsstand entspricht am besten dem erwähnten Ausnahmecharakter von Klägergerichtsständen und der Vorhersehbarkeit der Gerichtspflichtigkeit."

Geringe Chancen

Die Gründe für eine Verlegung könnten freilich auch viel profaner sein: Klagen in Deutschland sind aufwendig, zehntausende österreichische VW-Kunden müssten zur Einvernahme nach Braunschweig reisen. Auch die Erfolgsaussichten scheinen in Braunschweig deutlich geringer: Gemäß einer Auflistung des deutschen Automobilklubs ADAC über laufende VW-Urteile lag die Chance, ein Abgasverfahren außerhalb von Braunschweig für sich zu entscheiden, bis April 2018 bei 7:1. Im Gerichtsbezirk der Volkswagen AG hingegen lag sie bei 1:30, war also deutlich geringer.

Weg zum Höchstgericht

Wiewohl die Abweisung der VKI-Sammelklage in Korneuburg das mit Finessen der Prozessordnung und Anträgen (etwa auf Senatsbesetzung, was stets abgelehnt wird, weil der Streitwert zu niedrig ist) gespickte Spiel auf Zeit fortsetzt – der Abweisung könnte auch ein anderes Kalkül zugrunde liegen: Das Gericht könnte den Weg zum Obersten Gerichtshof (OGH) eröffnen wollen. Das wäre eine Premiere im deutschsprachigen Raum und wurde von VW stets verhindert, indem großzügige Vergleiche geschlossen, vor Weihnachten sogar ein Anerkenntnisurteil akzeptiert (und damit der Schaden eines Kunden in Österreich anerkannt) wurde. Die Alternative wäre unkalkulierbar, weil für ganz Europa gültig. Denn der Richter in Linz hatte angekündigt, die Causa dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen. (Luise Ungerboeck, 9.2.2019)