Walter Munk starb am Samstag in La Jolla, Kalifornien.

Foto: Wikimedia/Holger Motzkau

Im Herbst 2013 betrat ein älterer Herr, gestützt von einem Rollator und seiner Frau, ein Haus am Strand von Santa Monica, USA. Österreichische Wissenschafter und Wissenschafterinnen hatten sich hier für das alljährliche Netzwerktreffen "Austrian Research and Innovation Talk (Arit)" getroffen. Walter Munk hieß der Mann, in Österreich kennt man ihn bis heute kaum, in den USA war er eine Berühmtheit: 1917 in Wien geboren, schickte ihn seine entnervte, allein erziehende Mutter schon 1932 in die Vereinigten Staaten von Amerika. Der damals 15-jährige Bub schwänzte nämlich die Schule, ging lieber Ski fahren und musste wegen seiner schlechten Noten eine Klasse wiederholen. Nun sollte er in eine Schule im Staat New York gehen und danach einen gut bürgerlichen Beruf erlernen – und zwar in der Bank seines verstorbenen Großvaters Lucian Brunner.

Munk war für die Arbeit in der Bank freilich nicht geschaffen. 2013 sagte er im Interview mit dem STANDARD und Ö1 sinngemäß: "Ich habe es von Anfang an gehasst. Es war langweilig. Ich mochte es nicht. Und ich mag Banken bis heute nicht. Meine Mutter hat das schließlich auch eingesehen." Wie er dann zur Ozeanografie kam? Munk lächelte fast spitzbübisch und erzählt. Er war in ein Mädchen verliebt, die in La Jolla in Kalifornien lebte. Ein Sommer ohne sie, das ging gar nicht, dafür brauchte er allerdings genau dort einen Job. Der einzige, der frei war, führte ihn an die Scripps Institution of Oceanography. Also untersuchte Munk wegen einer Frau die Meere? Eine gute Geschichte, die Munk zu Lebzeiten zigmal erzählte. Die Pointe? Nach einem Jahr war er zwar nicht mehr mit ihr liiert, aber in die Ozeanografie verliebt.

Vorhersage der Brandung

Der Wissenschafter, den sie später "Einstein der Ozeane" nennen sollten, arbeitete an der Vorhersage der Meeresbrandung. Eine eigens entwickelte Methode wurde für die Planung des D-Day angewandt, der Landung der Alliierten in der Normandie 1944. Die Forschungen führten immerhin zur Verschiebung um einen Tag: Die Brandung war zu stark. Am nächsten Tag war sie nicht weniger intensiv, doch die US-Truppen wollten den Überraschungseffekt nutzen. Munk war ja schon 1939 US-amerikanischer Staatsbürger geworden. Mutter, Stiefvater, die ganze Familie kam, als Adolf Hitler auch in Österreich die Macht übernommen hatte. Der junge Ozeanograf schloss sich vor diesem Hintergrund, obwohl er das als Wissenschafter am Scripps nicht hätte machen müssen, der Ski-Truppe der US Army an.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Munk an Tests US-amerikanischer Nuklearwaffen beteiligt. Er war auf dem Bikini-Atoll, wo die Amerikaner über 60 Atombomben zündeten, und er war beim Wasserstoffbomben-Test vor der Insel Elugelab am Enewetak-Atoll im Nordpazifik engagiert – wodurch die Insel völlig verschwand. Munk zeigte sich im Gespräch vor mehr als fünf Jahren keineswegs stolz darauf. Die Wasserstoffbombe war deutlich stärker als die Atombombe. Er wirkte nachdenklich. Seine Befürchtungen, die Explosion könnte einen Tsunami auslösen, führte übrigens zur Entwicklung von Frühwarnmethoden.

In den 1950er-Jahren forschte der Ozeanograf noch zu den Unregelmäßigkeiten der Erdrotation, Anfang der 1960er erkannte er in einer Studie, dass sich Meereswellen im Winter über große Distanzen ausbreiten – angetrieben von Stürmen. Später war er einer der Mitentwickler der akustischen Meerestomografie, eine Basis für die Messung der Meerestemperatur als Folge des Klimawandels.

Walter Munk starb am vergangenen Wochenende im Alter von 101 Jahren – natürlich in La Jolla, wo seine Geschichte als Ozeanograf begonnen hatte. (Peter Illetschko, 10.2.2019)

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