Angesichts einer Reihe aufsehenerregender Beziehungsverbrechen, die in Überzahl für Frauen tödlich endeten, will die Regierung nun ihre Vorhaben zügig umsetzen – und allen voran das Strafrecht für derartige Täter verschärfen. Vergewaltiger müssen künftig unbedingt ins Gefängnis; anderen Gewalttätern, die Wehrlosen mehr als ein Jahr lang zusetzen, drohen bald ein bis zehn Jahre Haft, bisher war es nur die Hälfte.

Dass solche Übergriffe künftig härtere Folgen haben sollen als weniger grobe Wirtschaftsdelikte, wie Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) betont, leuchtet ein. Doch dass mit den über fünfzig anvisierten Maßnahmen im Strafrechtskatalog der physischen wie psychischen Gewalt gegen Frauen und Kinder "ein Riegel vorgeschoben" wird, wie es sein Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) ausdrückt, muss leider stark angezweifelt werden.

Denn der gefährlichste Ort für Frauen und ihren Nachwuchs ist und bleibt hierzulande die angeblich so liebe Familie – egal, welcher Herkunft sie ist und welcher Gehaltsklasse sie angehört. Und wer sich näher mit häuslicher Gewalt befasst, weiß außerdem: Viele Betroffene brauchen mehrere Anläufe und damit oft Jahre, bis sie den Mut und die Kraft aufbringen, sich von einem Gewalttäter zu lösen.

Davor werden mitunter zwar Anzeigen, durchaus belegbar mit Hämatomen, Quetschungen, Knochenbrüchen, erstattet, aber häufig auch wieder zurückgezogen – nicht zuletzt, weil der Verursacher meist schwört, sich jetzt aber wirklich zu ändern. Dazu kommt das zerrüttete Selbstbewusstsein dieser Frauen, allein mit den Kindern doch nicht über die Runden zu kommen.

Opfern anhaltender Einschüchterung erleichtert eine Verdoppelung des Strafausmaßes für ihre Peiniger allein also nicht automatisch den Gang zur Polizei und das Durchstehen ihrer Causa vor Gericht. Mitunter könnte sogar das Gegenteil eintreten: Durch das perfide Abhängigkeitsverhältnis, in das Frauen geraten sind, zögern manche womöglich noch länger, den rabiaten Mann/Vater/Bruder hinter Gitter zu bringen.

Und umgekehrt auch eine traurige Wahrheit: Wohl nur wenige Vergewaltiger vergegenwärtigen sich das anstehende Strafausmaß, bevor sie zur grausamen Tat schreiten – wohl aber wählen sie dafür eine Gelegenheit ohne Zeugen, und nicht wenige verstehen es, ihren Opfern auch noch einzuschärfen, das Geschehene ja nicht publik zu machen, sonst drohe neues Ungemach.

Deshalb darf die Koalition bei ihrem Kampf gegen solche Gewaltverbrechen jetzt nicht auf halbem Weg stehenbleiben. Denn dafür braucht es mehr Anstrengung – vor allem auch, um ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen: Indem am besten schon den Kids in der Schule beigebracht wird, wann Gewalt beginnt und wo sie enden kann. Indem für bedrängte Frauen ohne hilfreichen Anschluss endlich mehr Plätze in Zufluchtsstätten wie den Frauenhäusern finanziert werden. Und indem für weggewiesene Männer Anlaufstellen geschaffen werden, damit ihnen nicht nur die überlastete Polizei klarmacht, dass sie verschreckten Familienmitgliedern nicht mehr auflauern dürfen, sondern ihr Leben neu in die Hand nehmen sollen.

Neben strengeren Strafen bloß die Notrufnummer abzuändern, eine Evaluierung der jüngsten Mordfälle anzuordnen und den Opfern auszurichten, dass sie schon "so selbstbewusst sein" müssen, dass sie sich "auch wehren", wie von Regierungsmitgliedern bisher gemacht, ist eindeutig zu kurz gedacht. (Nina Weißensteiner, 10.2.2019)