Ziel der Demonstranten werden häufig Autos der Polizei – hier eines der Antiterroroperation Sentinelle. Außerdem trifft es Luxuswagen.

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Bei ihrem "13. Akt" gingen laut Innenministerium am Samstag 51.000 Gelbwesten landesweit auf die Straße. Anlass zu Diskussionen lieferten vor allem Schlägereien unter Rechts- und Linksextremisten. In Lyon prallten je hundert Ultras aufeinander. Sie versuchten sich zuerst gegenseitig mit nationalistischen oder antifaschistischen Parolen zu übertönen. Dann trennten sie sich wie auf Geheiß in Lager, und es begann eine wüste Keilerei.

Auf den Balkonen filmten verdutzte Zaungäste den Straßenkampf zwischen Männern, die alle Gelbwesten trugen, während die CRS-Polizei daneben stand. Der Polizeipräfekt erließ lediglich einen Medienaufruf, die friedlichen unter den Demonstranten sollten sich aus den Umzügen entfernen, weil diese "durch Risikogruppen infiltriert" seien.

Spannungen zwischen den Ultras hatte es an den Protestumzügen der "gilets jaunes" schon immer gegeben. Bisher überwog aber offenbar ihr gemeinsames Ziel – der Angriff auf Symbole des Staates und des Reichtums.

Wettbewerb der Radikalen

Mehr und mehr allerdings dominiert an den anhaltenden Demonstrationen die direkte Konfrontation zwischen den radikalsten Elementen. Er möge sich nicht erinnern, eine solche "Verfolgungsjagd zwischen Nationalisten und Antifaschisten" jemals erlebt zu haben, gab danach der Extremismus-Forscher Jean-Yves Camus zu Protokoll. Beide Seiten lieferten sich nun, so stellte er in französischen Medien fest, einen eigentlichen "Wettbewerb" um die Vorherrschaft an den Samstagsprotesten.

Die trotzkistische Neue antikapitalistische Partei (NPA) hatte den rechtsextremen, aus dem berüchtigten Studentenverband GUD hervorgegangenen "Zouaves" schon per Communiqué vorgeworfen, sie hätten mehrere ihrer Mitglieder angegriffen und spitalsreif geschlagen. Ähnliche Vorwürfe kommen von der Gegenseite zurück. Auf beiden Seiten setzt es jeden Samstag blutige Köpfe.

"Macron und Rothschild"

Die Gelbwesten-Pionierin Jacline Mouraud hatte schon letzte Woche erklärt, die Bewegung sei "von der Ultrarechten und der Ultralinken völlig unterwandert". Wobei die Unterscheidung nicht immer leichtfällt: Die Transparente zeugen von gemeinsamen Feindbildern wie Emmanuel Macron, den Pariser Eliten oder dem "Kapital" – für sie verkörpert durch Macrons früheren Arbeitgeber, die Rothschild-Ivestmentbank. Unter den brennenden Autos stachen auch Samstag die Luxus- und Polizeiwagen hervor.

In die antisemitischen mischen sich nun auch antiparlamentarische Untertöne. Mehr als 50 Abgeordnete der Macron-Partei La République en Marche (LRM) sind seit Beginn der Gelbwesten-Proteste Opfer von Drohungen oder von Anschlägen auf ihre Büros oder Wohnsitze geworden.

Am Freitag wurde auch auf das Haus von Richard Ferrand ein Brandanschlag verübt. Der enge Vertraute Macrons ist derzeit Präsident der Nationalversammlung, weshalb der Angriff auch Symbolwirkung in Richtung der Parlamentskammer hat.

Die Rechtsextremistin Marine Le Pen und der Linkenchef Jean-Luc Mélenchon verurteilten die Brandstiftung. In den sozialen Medien wurde ihnen aber auch von ihren Anhängern applaudiert. Das linksliberale Magazin Obs kommentierte darauf, den neuesten Gelbwesten-Protest umwehe "der üble Geruch des Antiparlamentarismus". Das erinnere an den – fehlgeschlagenen – Sturm rechtsextremer Ligen auf die Nationalversammlung im Jahr 1934.

Schwere Verletzungen

Das auch, weil die Gelbwesten am Samstag die Nationalversammlung in Paris zum Ziel nahmen. Nur ein harter Polizeieinsatz hielt sie von ihrem Vorhaben ab, Umzäunungen des Parlaments einzureißen. Dabei gab es auch einen Schwerverletzten: Einem Demonstranten wurde die halbe Hand weggerissen, als er eine Blendgranate der Polizei abwehren wollte. (Stefan Brändle aus Paris, 10.2.2019)