In Frankreich weckt der neueste Angriff gewaltbereiter Gelbwesten auf die Pariser Nationalversammlung ungute Erinnerungen. Vergleiche mit einem rechtsextremen Putschversuch von 1934 werden gezogen. Politisch naiv und schlecht bis gar nicht organisiert, müssen sie nun zusehen, wie ihre Bürgerbewegung ein Spielball der Ultras wird. Folgerichtig bekommt ihr Sozialaufstand eine parlamentsfeindliche Schlagseite. Das ist beunruhigend.

Es erhöht die Skepsis gegenüber der an sich gut gemeinten Forderung nach Volksinitiativen und -abstimmungen. Die Radikalsten unter den "gilets jaunes" wollen damit die Institutionen der Fünften Republik aushebeln – zuerst den ihnen verhassten Präsidenten, aber dazu auch die Nationalversammlung, die als Hort der Pariser Elite verschrien ist.

Frankreichs Parlament hatte nie viel zu sagen; auch in der heutigen Verfassung hat es sich dem Willen des omnipotenten Staatschefs zu beugen. Macron muss deshalb dringend die Rolle der Nationalversammlung stärken, damit sie nicht wie sein Anhang wirkt. Die von ihm angestoßene "nationale Debatte" böte Gelegenheit für Vorschläge.

Doch wird der Präsident bereit sein, seine eigene Allmacht zugunsten des Parlamentes einzugrenzen? Zweifel sind angebracht. Nur: Wenn Macron die Nationalversammlung weiter missachtet, geht er letztlich eine unheilige Allianz mit den Gelbwesten ein – gegen die parlamentarische Demokratie, den zivilen Frieden im Land. (Stefan Brändle, 10.2.2019)