Altpapiersammler in Buenos Aires.

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Im einst reichen Argentinien sind Suppenküchen, hier in einem Armenviertel in Buenos Aires, für viele unverzichtbar.

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Maricio Macri ist seit 2015 Staatspräsident. Er hat bisher keinen Weg aus der Wirtschaftskrise gefunden.

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Auf diesem Markt in Monte Grande, Provinz Buenos Aires, können Lebensmittel und gebraucht Waren getauscht werden.

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Martín, ein Cartonero, Müllsammler, ist bereits im Morgengrauen auf den Straßen von Buenos Aires unterwegs und sammelt auf seinem Karren Papier und Kartons. "Nein", sagt er, Hoffnungen habe er keine, dass es nach den Wahlen besser werde. Aber schlechter könne es ja auch nicht mehr werden.

Im Oktober 2019 stehen im krisengeschüttelten Land Präsidentschaftswahlen an. Argentinien erlebte im abgelaufenen Jahr eine Inflation von 50 Prozent. Die Arbeitslosigkeit kletterte auf 10 Prozent. Ein Drittel der Menschen gilt als arm. Das Land steckt in einer strukturellen Dauerkrise und die Prognosen für das Wahljahr verheißen nichts Gutes. Gelingt es, die Talfahrt zu stoppen, wäre schon viel erreicht.

"Wir rechnen in Dollars", sagt Antonia, die eine kleine Reiseagentur betreibt und sich nicht mehr auf die Währung des Landes, den argentinischen Peso, verlassen will: "Alles andere wäre verrückt bei dieser Inflation."

Einst ein reiches Land

Die Inflation und die Wirtschaftskrise sind ein Dauerthema im Heimatland des Revolutionärs Ernesto "Che" Guevara.

Als Che Guevara, der 1928 auf die Welt kam, aufwuchs, zählte Argentinien zu den reichsten Ländern der Welt. Die landwirtschaftlichen Exporte waren besonders in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gefragt.

Doch eine Diversifizierung der Wirtschaft blieb aus. Die Militärdiktatur häufte von 1976 bis zur Demokratisierung unter Präsident Raúl Alfonsín 1983 einen Schuldenberg an. Als in den 1980er Jahren die "Verschuldungskrise der Dritten Welt" das internationale Bankensystem an den Rand des Zusammenbruchs brachte, gehörte Argentinien zusammen mit Brasilien zu den meistverschuldeten Ländern. Die Auslandsguthaben reicher Argentinierinnen und Argentinier waren schon damals höher als die Rekordverschuldung des Landes.

Daran hat sich im Wesentlichen nichts geändert. Ein Strukturwandel unterblieb und so taumelt Argentinien von einer Krise in die nächste.

Das neue Jahrtausend begann bereits mit dem Zusammenbruch des Finanzsystems 2001/2002. Unter Präsident Nestor Kirchner folgten ab 2003 auf der Grundlage hoher Rohstoffpreise zwar stabile Jahre mit Lohnerhöhungen, Sozialprogrammen und Politiken der Importsubstitution. Doch ab 2011 wurden bei sinkenden Exporteinnahmen die Budget- und Handelsbilanzdefizite wieder chronisch, und 2014 schrammte Argentinien abermals knapp an der Staatspleite vorbei.

Konservativ verspielt

Seit Dezember 2015 ist der Unternehmer Mauricio Macri von der konservativen Partei Propuesta Republicana Präsident. Der Devisenhandel unterlag seit 2011 strengen Kontrollen und Restriktionen, die die Vorgänger-Regierung eingeführt hatte, um Kapitalflucht und Steuerhinterziehung zu verhindern. Macri hob diese und andere Regulierungen 2015 auf.

Die von ihm ernannten MinisterInnen und MitarbeiterInnen hatten allesamt dieselbe neoliberale Überzeugung, trugen die gleichen Anzüge und hatten dieselben Universitäten besucht wie die ManagerInnen der Finanzzentren in Washington und London.

Der Internationale Währungsfonds gewährte neue Kredite und die Konjunktur sollte Fahrt aufnehmen, argentinisches Auslandskapital zurückgelockt und im Land investiert werden. Doch die Erwartungen auf einen Investitionsboom erfüllten sich nicht. Vielmehr machten Zinserhöhungen in den USA Auslandsanlagen noch attraktiver, und sinkende Rohstoffpreise plagen Argentinien wie andere Schwellenländer.

Wieder setzte eine Abwärtsspirale ein, die sich im Wahljahr 2019 fortsetzen dürfte.

Langfristig könnte die hoffnungslose Lage im Land der Nährboden für die extreme Rechte werden. Der Hass auf Einwanderergruppen etwa nimmt merklich zu. Die Suche nach Sündenböcken hat wie andernorts auch im krisen- und inflationsgebeutelten Argentinien Hochkonjunktur. (Robert Lessmann aus Buenos Aires, 16.2.2019)