Mit Warnstreiks, Kundgebungen und Versammlungen will die Gewerkschaft Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in Sozial- und Gesundheitsvereinen erwirken.

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Die weißen Kleinbusse mit der blauen Aufschrift ÖHTB könnten an den kommenden Tagen seltener, mit Verspätung oder in Einzelfällen gar nicht kommen. Denn im gemeinnützigen Fahrtendienst des Vereines Österreichisches Hilfswerk für Taubblinde und hochgradig Hör- und Sehbehinderte (ÖHTB) wird am Dienstag ebenso gestreikt wie in rund 74 anderen zum Branchenverband Sozialwirtschaft gehörenden privaten Sozialeinrichtungen und Trägervereinen an 150 Standorten. Auch im Kuratorium der Wiener Pensionistenheime auf der Schmelz wird Dienstagvormittag für bis zu vier Stunden die Arbeit niedergelegt – wie auch in den Behindertenwerkstätten der Lebenshilfe Wien.

In den Wiener Frauenhäusern wiederum versucht man, den festgefahrenen Gehaltsverhandlungen für rund 100.000 Beschäftigten mit Betriebsversammlungen Nachdruck zu verleihen. Ähnlich läuft es österreichweit bis Mittwoch in den Kolpinghäusern, dem Neunerhaus und dem Wiener Hilfswerk. Eine Kundgebung auf der Mariahilfer Straße soll die öffentliche Wahrnehmung der Sozialberufe stärken.

Druck auf die Politik

Die von der Privatangestelltengewerkschaft GPA und der Dienstleistungsgewerkschaft Vida organisierten Aktionen haben ein Ziel: Die Bezahlung der in privaten Sozialbetrieben angestellten Mitarbeitern zu erhöhen und die Rahmenbedingungen an jene anzugleichen, die in staatlichen Einrichtungen in den Bundesländern und Gemeinden beschäftigt sind, sagt Karl Dürtscher von der Privatangestelltengewerkschaft GPA.

"Leib und Leben sind gesichert", versichert der stellvertretende GPA-Bundesgeschäftsführer, Reinhard Bödenauer, Pflege und Betreuung seien während der Warnstreiks gesichert. Mit Beeinträchtigungen sei allerdings zu rechnen. So könnte Kost schmaler ausfallen, weil mehrgängige Menüs durch einfachere Speisenfolgen ersetzt werden. Auch Kinderbetreuung könne vereinzelt ausfallen.

Staat nimmt mehr ein

Ob die Warnstreiks die hinter den Sozialeinrichtungen stehenden Landesregierungen beeindrucken, bleibt abzuwarten. Neue Verhandlungsangebote müssen sie sich bis Montag überlegen, da findet die nächste Verhandlungsrunde statt. Viel Spielraum haben die versammelten Geschäftsführer der Branchenbetriebe dabei nicht, Financiers wie der Fonds Soziales Wien sind ihrerseits von Budgetnöten geplagt. Dabei profitierten von der Hochkonjunktur auch die Länder. Sie bekommen über den Finanzausgleich ihren Anteil von den sprudelnden Mehreinnahmen des Staates.

"Für die von der Gewerkschaft geforderte Arbeitszeitverkürzung haben wir überhaupt kein Pouvoir", stellt Arbeitgeber-Chefverhandler, Sozialwirtschaft-Geschäftsführer Walter Marschitz im Gespräch mit dem STANDARD klar. Das bekomme man nicht so einfach gegenfinanziert. Darüber hinaus macht die Gewerkschaft Druck für eine sechste Urlaubswoche. Angesichts der körperlich wie psychisch anstrengenden Arbeit in Sozial- und Gesundheitsberufen sei das mehr als gerechtfertigt, zumal diese im öffentlichen Dienst leichter erreichbar sei. Die zusätzlichen Urlaubstage gemäß geltendem Kollektivvertrag seien kein Ersatz, sagt GPA-Mann Dürtscher.

Fachkräftemangel

Die sechste Urlaubswoche hält Marschitz überhaupt für illusorisch: "Wir haben ja Fachkräftemangel." Die GPA verweist auf das Delta zwischen dem Medianeinkommen in Österreich von 2160 Euro und den durchschnittlichen Löhnen und Gehältern im Gesundheits- und Sozialbereich. Letztere lägen – bereinigt um Arbeitstage, nicht nach Arbeitszeitausmaß – um 17,6 Prozent unter dem Medianeinkommen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass 70 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit arbeiten.

GPA-Verhandlungsführer Bödenauer appelliert an die Politiker, er erwartet "ein klares Signal" von der Politik, die seit Jahren versprochene und notwendige Aufwertung der Pflege endlich umzusetzen. Bessere Bezahlung gehören jedenfalls dazu, die 35-Stunden-Woche auch.

Eine Demonstration ihres Kampfeswillens hatte die Gewerkschaft vor der Sucht- und Drogenkoordination Wien Dienstagvormittag organisiert. An die 30 Personen ließen auf Transparenten wissen: "Sozialarbeit ist mehr wert", "Sechs Wochen Urlaub" und "35 Stunden sind genug". "Wer pflegende Angehörige hat weiß, wie schwer diese Arbeit ist", sagte Bödenauer.

Wie berichtet, fordern die Arbeitnehmervertreter um mindestens drei Prozent höhere Löhne und Gehälter. Die von den Arbeitgebern zuletzt angebotenen 2,8 bis 3,0 Prozent je nach Verwendungsgruppe reichten nicht aus. Auch im Vorjahr hatten sich beide Seiten erst nach Protesten und Warnstreiks nach sechs Verhandlungsrunden geeinigt. (ung, APA, 12.2.2019)