Vergangene Woche fand im tiefwinterlichen München die Ispo statt. Das ist einerseits egal, andererseits aber auch wichtig: Die Ispo ist die größte Sportmesse der Welt. Ein jährliches Stelldichein von Herstellern, Händlern, Fachpublikum und Presse. Drei oder vier Tage lang wird hier jedes Jahr das Rad (und nicht nur das) neu erfunden – oder zumindest so getan, als ob.

Es gibt Symposien und Partys. Referate, Präsentationen und Empfänge. Heiße Luft ebenso wie harten Stoff: Es gibt auch jede Menge Preise. Aber vor allem wird "genetzwerkt", dass sich die Balken biegen.

Für viele Händler, die nicht über große Vertriebsnetzwerke mit zentralem Einkauf zu Ketten zusammengeschlossen sind, ist ein Trip zur Ispo ein Stück jährlicher Routine: Mit einem bisserl Gespür für Trends und die Bedürfnisse der eigenen Klientel lässt sich hier mitunter ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für die nächste Saison herausholen. Oder aber man versenkt viel Geld, wenn man auf die falschen Pferde setzt.

Foto: ©www.traildog.at

Ich selbst lasse die Ispo gerne aus: Sie ist zwar spannend, aber einfach nicht mein Ding. Zu viele Menschen in zu engen Hallen bei zu viel Tschinbumm und zu wenig Sauerstoff.

Aber neugierig bin ich doch. Und als mir Ed Kramer sagte, dass er so wie jedes Jahr für vier Tage nach München fahren würde, überlegte ich nur kurz: Nein, mitfahren wollte ich nicht (siehe oben). Stattdessen bat ich meinen Freund um zehn Ispo-Impressionen: subjektiv, aber doch kompetent. Und im Fokus dieser Kolumne: Ed Kramer ist eine Hälfte von Traildog Running. Mit seiner Frau, der Modedesignerin Elisa Kramer-Asperger, (und Wanja, einem der liebenswertesten Hunde der Welt) betreibt er seit zweieinhalb Jahren den gemeinsamen, auf Traillaufen spezialisierten Laden in Wien-Liesing.

Zum Laufshopbetreiben kamen die Kramers, als sie ("legal und angemeldet, das ist uns wichtig") in Wien Ferienwohnungen vermieteten und beim Markteintritt von Airbnb spürten, dass es Zeit war, etwas ganz anderes zu machen. "Wir folgen immer unserer Leidenschaft", sagt Elisa.

Und so fuhr Ed also nach München, um sich auf der Ispo umzusehen. Und um das zu verkraften, lief der ehemalige Eisschnellläufer, der vor 20 Jahren das Traillaufen für sich entdeckte, natürlich auch ein paar Runden im Schnee.

Doch darum geht es hier und heute nicht. Das Wort hat ab sofort Ed Kramer.

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Ich war heuer zum vierten Mal auf der Ispo – und die Dimensionen dieser weltgrößten Sportartikelmesse hauen mich jedes Mal aufs Neue um. Auch körperlich: Letztes Jahr habe ich einen Tag lang rein aus Interesse die Strecken, die man dort zurücklegt, getrackt – und bin auf einen Halbmarathon gekommen. Pro Tag. Heuer war ich sicher nicht weniger oder kürzer unterwegs.

Die Ispo ist auf der einen Seite wie ein Klassentreffen mit alten Freunden. Auf der anderen Seite bin ich aber schon aus beruflichem Interesse natürlich immer auf der Suche nach Neuem und Authentischem. Aus der Laufschuhwelt sind hier einige meiner Lieblingsmarken wie Altra und Salming vertreten: Man sieht und greift und biegt die brandneuen, sehr interessant wirkenden Modelle. Aber ob sie wirklich etwas taugen, weiß man dann halt doch erst nach einem ersten Testlauf.

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Wintersport ist auf der Ispo immer stark. Das liegt auch an den Zeitläufen der Branche: Jetzt, im Frühjahr, wird schon die Ware für den kommenden Winter geordert. Man bekommt hier aber auch ganz neue Ansätze abseits der "normalen" Skisportindustrie zu Gesicht – etwa Labels wie Evvo aus Skandinavien mit ihren teils fast futuristisch wirkenden Schneeschuhen.

Auch andere Firmen stellen dort alle möglichen, meist elektrisch betriebenen Skateboards, Wheelboards und sonstigen Fahrzeuge vor, die Science-Fiction-Filmen entsprungen zu sein scheinen. Die meisten Namen kann sich kein Mensch – ich zumindest – merken. Und vieles sieht so utopisch aus, wie die Dinger heißen.

Das ist einerseits lustig, andererseits aber auch anstrengend: Da alles hier auch getestet oder präsentiert wird, ist teilweise ziemlich viel Verkehr in den Hallen.

Außerdem war eine ganze Halle der VR-Szene und dem E-Sport gewidmet: Virtuelle Realität und Gaming sollen in Zukunft ja viel stärker in den Einzelhandel eingebunden werden – aber das ist nicht wirklich meine Welt!

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Am Montag fand dann das traditionelle "Runners World Laufsymposium" statt: ein ganzer Tag voller Vorträge zum Thema Laufen. Labels wie Under Armour, Asics, Inov-8 und die brandneue deutsche Laufschuhfirma True Motion zeigten kleine, oft oberflächliche Einblicke in ihre teilweise noch geheimen Projekte. Ja, das klingt ein bisserl widersprüchlich – und ist es auch: Da neben Fachpublikum auf der Ispo natürlich auch die Konkurrenz anwesend ist, will man sich nicht zu sehr in die Karten blicken lassen. Andererseits muss man aber doch präsentieren und zeigen, wer man ist und was man kann.

Neben dem Vortrag von Inov-8 hat mich vor allem die Präsentation von Asics beeindruckt. Denn hier zeichnete sich eine Kehrtwende im Denken der Laufschuhgiganten ab: Will die Nummer eins am Laufschuhmarkt endlich das alte Paradigma der Industrie, das so lange und so intensiv verteidigt wurde, fallenlassen und in Zukunft tatsächlich keine pronationsgestützten Laufschuhe mehr herstellen?

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Es gibt eben viele und vor allem sehr verschiedene Ansätze, gute Laufschuhe zu bauen. Und eine hochinteressante Möglichkeit sind da natürlich die sogenannten "Barfußschuhe". Ziemlich neu am Markt ist da die tschechische Firma Skinners, die an robuste Socken einfach eine Sohle klatscht und das Ganze dann "Sockenschuhe" nennt. Die Dinger funktionieren erstaunlich gut! Auch Xero Shoes aus Colorado hatten mit ihren Laufsandalen und Schuhen einen interessanten Stand.

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Einen ganz anderen Weg versucht da die Firma Volumental mit ihrer Fitstation gemeinsam mit Hewlett Packard zu gehen.

In zwei Phasen bestimmt man hier die optimale, personalisierte Zwischensohle: Zuerst wird der Fuß in vier oder fünf Sekunden in 3D gescannt. Dann werden über eine dynamische Druckmessplatte die Abrollbewegung und die Druckverteilung ermittelt. Das Ergebnis von Scan und Druckmessanalyse ergibt ein Sohlenelement. Das wird ausgedruckt und kann dann in einen Laufschuh von Brooks verbaut werden.

Sehr futuristisch, aber ein Konzept, das mich nicht überzeugen konnte: Kein 3D-Drucker der Welt kann das Gefühl simulieren, das man hat, wenn man in einen Laufschuh schlüpft. Bis jetzt zumindest.

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Ein wahres Juwel der diesjährigen Ispo war für mich persönlich das Label Orange Mud. Hinter der Marke und den US-Laufrucksäcken steht Josh Sprague. Josh ist ein sehr sympathischer Ultraläufer und Ultraradfahrer und weiß daher aus eigener Erfahrung, was man für die langen Ausflüge tatsächlich braucht – und was nicht. Josh hat eine Karriere als leitender Manager eines Großkonzerns sausen lassen, nur um das zu machen, was er liebt und woran er wirklich glaubt. Ich freue mich schon auf die ersten Testläufe mit seinen Rucksäcken!

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Party, Skateboardrampen, Party, Slacklinecontests, Party, Breakdancer und jede Menge Action gehören zur Ispo wie das Oktoberfest zu München. Habe ich schon erwähnt, dass es hier die eine oder andere Party gibt? Hier wird mächtig gefeiert – egal ob mit Hüttengaudicharakter, Discofever oder Hip-Hop-Acts. Und natürlich Gratisgetränken ohne Ende. Manche Ispo-Besucher kommen angeblich nur deshalb jedes Jahr.

Ich nicht: Ich bin nie länger als wirklich notwendig geblieben, denn mir war es wichtiger, für meine Morningruns im tiefverschneiten, eisigen Riemerpark fit zu sein. Für alle, die München nicht so gut kennen: Die Ispo findet in der Messe Riem statt. Das ist ein ehemaliges Flughafengelände. Es gibt hier auch einen See und einen Park – und eine eher unspannende Satellitenstadt, die aber jährlich um ein paar Blöcke wächst. Doch laufen kann man hier sehr gut. Aber: Habe ich eigentlich erwähnt, dass es bei der Ispo auch um Party ohne Ende geht?

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Zurück zum Sport: In einer der Messehallen war ein ganzer Parkour zum Laufen und Gehen mit den unterschiedlichsten Untergründen aufgebaut. Ein wirklich netter Versuch, das Abenteuer "Natur" greifbar zu machen. Die Schweden von Icebug hatten in riesigen Eisblöcken, die man nur in Spikeschuhen (no na: ihren) erklimmen durfte, ganze Laufschuhe eingefroren.

Und darüber hing ein Transparent, das mir ein bisserl Gänsehaut machte. Weil der Text darauf eben nicht nur für das Spektakel auf der Ispo zutraf. Oder zutrifft: "When the ice has melted, the show is over", stand da. Volltreffer.

Und man muss es schon auch erwähnen: Nachhaltigkeit ist vielen Herstellern hier ein wichtiges Thema auf der Messe. Es gibt Projekte und Arbeitsgruppen. Und auch uns als Shopbetreibern (und ich weiß, dass ich da auch für etliche Mitbewerber spreche) ist das Thema alles andere als egal. Aber wir können uns nur wünschen und permanent daran erinnern, dass wir wollen, dass wirklich etwas weitergeht: Es soll und muss viel mehr und vor allem viel schnellere Fortschritte geben.

Denn es stimmt: "When the ice has melted, the show is over."

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Es waren drei lange und auch anstrengende Tage für mich. Und trotzdem – zumindest im Nachhinein – sind sie auch heuer wieder wie im Flug vergangen. Schon auf der Heimfahrt war da dieses Gefühl von Wehmut – wie bei jedem Abschied. Aber eben auch das Gefühl, vieles richtig zu machen. Eben weil ich beruflich tue, was ich liebe: laufen. Die Vorfreude auf die ersten Läufe mit dem neuen Equipment begleitete mich dann auf der Heimreise – war aber nur ein Bruchteil von dem, worauf ich mich wirklich freute: den ersten Lauf daheim mit dem einzigen echten und wahren Traildog – Wanja.

Ach ja: Nach der Ispo ist natürlich auch vor der Ispo. Sei es die im Winter – oder auch bei ihrem Sommerableger, der "Outdoor". Denn das ist ja das Schöne an Klassentreffen: Müsste man einander ständig sehen, wäre es vermutlich irgendwann anstrengend und nervig. Aber so ein-, zweimal im Jahr macht es dann richtig Spaß. (Thomas Rottenberg, Ed Kramer, 13.2.2019)

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