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Der Italiener Alessandro Mahmoud hat einen ägyptischen Vater. Das stört Italiens Rechte. Sie kritisiert den Sieg von Mahmood beim Schlagerfestival Sanremo.

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Alessandro Mahmoud, Künstlername Mahmood, wiederholt in diesen Tagen immer wieder diesen einen Satz: "Ich bin in Mailand geboren, ich bin hundertprozentiger Italiener."

Tatsächlich hat der junge Musiker eine italienische Mamma, die aus Sardinien stammt, und er spricht ein astreines Italienisch mit Mailänder Akzent. Alessandros Problem ist der Papa: Der ist Ägypter. Mit dem Vater ist Mahmood zwar derart verkracht, dass er seit Jahren keinen Kontakt mit ihm hat. Aber im heutigen Italien ist die nordafrikanische Herkunft des Erzeugers ein Problem – umso mehr, wenn man, wie der 1992 geborene Mahmood, gerade Sieger des Festivals von Sanremo geworden ist.

Es heißt, das Festival sei "der Spiegel Italiens", und wahrscheinlich ist das so. Das Land wird seit knapp einem Jahr von einer nationalistischen Koalition aus den populistischen Anti-System-Parteien Lega und Cinque Stelle regiert, und das ist für die italienische Gemütsverfassung nicht ohne Folgen geblieben.

Nationalismus im TV

"Das war ein sehr absehbarer Sieger: Er heißt Mohammed, im Lied hat es einen arabischen Satz, der Ramadan kommt vor... das Mestizentum ist damit garantiert", sagte Mariagiovanna Maglie, eine der Lega nahestehende, fremdenfeindliche Journalistin, die dank der neuen Regierung endlich Karriere im Staatsfernsehen machen darf. Mahmood heisst zwar nicht Mohammed, aber was soll's: Er ist "Mestize" – und das reicht, um seinen Festival-Sieg als skandalös zu empfinden.

Der umfehdete Siger von Sanremo: Mahmood mit seinem Siegerlied Soldi.
Rai

Auch Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini hat keine Freude am Sieger des 69. Sanremo-Festivals. Er hätte den "reinrassigen" Italiener Niccolò Moriconi, genannt "Ultimo", dem Mestizen Mahmood vorgezogen, wie er die Nation auf Twitter wissen ließ.

Es gab aber auch einige Prominente, die für den Italo-Ägypter eine Lanze brachen, zum Beispiel die frühere Freundin von Salvini, die TV-Moderatorin Elisa Isoardi: "Dass Mahmood das Festival gewonnen hat, ist der Beweis dafür, dass die Begegnung der Kulturen Schönheit generiert", sagte die 36-Jährige.

Fach-, Ehren- und Seherjury

Der Migrationshintergrund des Siegers war nicht der einzige Aufreger bei der diesjährigen Sanremo-Ausgabe. Kritisiert wurde auch die tatsächlich recht eigenwillige Art und Weise, wie der Festival-Sieger gekürt wird. Herangezogen werden gleich drei verschiedene Jurys: Zum einen werden die Stimmen der Fernsehzuschauer gewertet, zum anderen gibt es eine "Ehrenjury" aus Experten sowie eine Jury aus Fachjournalisten. Die TV-Zuschauer sahen Ultimo als klaren Sieger, die beiden Fachjurys überstimmten das Publikum und machten Mahmood zum Gewinner.

Auch hier konnten Polemiken natürlich nicht ausbleiben. "Wir danken Sanremo, weil es Millionen von Italienern die unendlich tiefe Kluft zwischen dem Volk und der Elite aufgezeigt hat", sagte der Politikchef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio.

Schlechter Verlierer

Was der Vizepremier damit sagen wollte: Die TV-Zuschauer haben den Römer "Ultimo" zum Sieger gekürt – aber die abgehobene Kaste aus linken Experten und Journalisten hat den Willen des Volks wieder einmal mit Füssen getreten und stattdessen für den in Italien geborenen Immigranten gestimmt... Ähnlich tönte es von Ultimo selber, der Zweiter geworden ist und der dem Sieger nicht gratulieren mochte: "Das war kein Festival des Volks, sondern der Journalisten", sagte der Sänger.

Die Regeln zur Ermittlung des Siegers existieren zwar schon seit der Ausgabe von 2015 und sind jedem Teilnehmer bekannt – aber alte Regeln und die Fähigkeit, eine Niederlage mit Würde und Stil zu tragen, stehen heute ebenfalls nicht mehr sonderlich hoch im Kurs.

In der überhitzten Debatte um Mestizentum und Eliten ging die Frage nach der künstlerischen Qualität der Lieder von Mahmood und Ultimo weitgehend unter – vielleicht auch deshalb, weil beide Stücke von einer Seichtheit und Belanglosigkeit sind, die eine Unterscheidung schwierig macht.

"Moralische Siegerin"

Die moralische und künstlerische Siegerin wäre eindeutig die wieder auferstandene Loredana Bertè gewesen, die das Publikum im "Ariston" von Sanremo gleich zweimal zu einer Standing Ovation hingerissen hatte. Aber die 68-jährige Bertè ist im neuen Italien eben auch aus der Zeit gefallen – sie wurde nur Vierte. (Dominik Straub, 12.2.2019)