Straßburg – Beim Vorschlag der EU-Kommission zu mehr Transparenz bei der Risikobewertung von Pestiziden und anderen lebensmittelrelevanten Chemikalien ist in der Nacht auf Dienstag eine Einigung erzielt worden. Nach der umstrittenen Zulassung des Herbizids Glyphosat haben Unterhändler von EU-Parlament und Mitgliedsstaaten eine Reform der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) beschlossen.

Die Reform ist auch eine Reaktion der Kommission auf die Europäische Bürgerinitiative "Stop Glyphosat", die von mehr als einer Million EU-Bürger mit ihrer Unterschrift mitgetragen wurde. Angekündigt wurde sie Ende 2017 am selben Tag, als die EU-Kommission auch die Verlängerung des umstrittenen Herbizids für weitere fünf Jahre verabschiedete.

Die geforderte Transparenz soll nun unter anderem dadurch erreicht werden, dass die Bürger "automatisch Zugang zu allen Studien und Informationen erhalten", sagte Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis. In besonderen Fällen, etwa bei umstrittenen Substanzen, könne die EU-Kommission Efsa künftig dazu anhalten, zusätzliche Studien in Auftrag zu geben. Außerdem einigten sich Parlament und Mitgliedstaaten darauf, die in Parma ansässige EU-Behörde mit zusätzlichen Mitteln auszustatten.

Kompromiss

Der Kompromiss sieht vor, dass die Efsa bei der Zulassung von Produkten vorher über alle vorliegenden Studien informiert wird. So soll Herstellern die Möglichkeit genommen werden, unliebsame Studien unter Verschluss zu halten. "Die automatische Veröffentlichung der bisher geheimen Industriestudien wird das Zulassungssystem für Chemikalien in Europa revolutionieren", kommentierte Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker bei Global 2000 und Mitinitiator der Bürgerinitiative die Entscheidung. Laut ihm gab es vonseiten der Industrie Versuche, den Gesetzesvorschlag "in den Reißwolf zu schicken oder zu verwässern", was "mit Hilfe der progressiven Kräfte im Europaparlament – und aufgrund der konstruktiven und professionellen Arbeit im Rat unter österreichischer Präsidentschaft" aber verhindert werden konnte, sagte Burtscher-Schaden

Weitere Studien

Bei Zweifeln an den von den Firmen erbrachten Nachweisen soll die Behörde auch selbst Studien in Auftrag geben können. Bürger sollen ebenfalls Zugriff auf die Studien bekommen. Nur in besonderen Fällen können Informationen geheim gehalten werden – etwa, wenn deren Veröffentlichung den Firmen gravierenden wirtschaftlichen Schaden zufügen könnte. Bevor die neuen Regeln in Kraft treten können, müssen formell noch das EU-Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten grünes Licht geben. Die finale Annahme des Gesetzes sollte bis Ende März erfolgen. Derzeit tagt laut Informationen der NGO noch ein technisches Meeting des Trilogs, um letzte rechtliche Details zu klären

Das EU-Parlament hatte parallel zu der Gesetzesinitiative der Kommission einen Pestizid-Sonderausschuss ins Leben gerufen. In seinem abschließenden Bericht, der im Jänner vorgestellt wurde, war das Gremium zu dem Schluss gekommen, dass die aktuellen Zulassungsverfahren Mängel aufweisen. Etwa würden sich die nationalen Behörden zu sehr auf die Bewertungen der Industrie verlassen, kritisierten die Abgeordneten.

Die Umweltorganisation Global 2000 wertet die Einigung der EU als großen Erfolg für Europäische Bürgerinitiative "Stop Glyphosat". Die Geheimhaltung von Industriestudien in Zulassungsverfahren sei damit beendet. Es sei "ein historischer Erfolg für Europa und die europäische Zivilgesellschaft". Die automatische Veröffentlichung der bisher geheimen Industriestudien werde das Zulassungssystem für Chemikalien in Europa revolutionieren. (APA, red, 12.2.2019)