Glawischnig und Facebook stehen einander vor dem EuGH gegenüber.

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Alles begann mit einem Hassposting: Ein Facebook-Nutzer hatte die damalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig 2016 unter anderem als "korrupter Trampel" beschimpft. Mit Unterstützung der Grünen klagte sie und bekam vom Handelsgericht Wien in erster Instanz insofern recht, dass Facebook den Beitrag weltweit aus dem Netz entfernen müsse. Außerdem gelte bei Klagen gegen die Plattform auch die österreichische Judikaturüber die Verantwortlichkeit von Providern. Der Fall landete beim Obersten Gerichtshof (OGH). Der richtete wiederum einige Fragen zur Vereinbarkeit mit dem Europarecht an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Das ist rund ein Jahr her, am Mittwoch fand nun eine mündliche Verhandlung statt. Bis eine erste Empfehlung durch den Generalanwalt erfolgt, könnten noch einige Monate vergehen, eine endgültige Entscheidung wird also noch auf sich warten lassen. Zu klären sei unter anderem, wie die Rechtsanwältin Maria Windhager dem STANDARD sagt, die Frage, ob eine einstweilige Verfügung gegen das soziale Netzwerk nur im jeweiligen Land, oder aber weltweit gelte. Windhager vertritt Glawischnig in der Causa und berät auch den STANDARD. Letzteres würde bedeuten, dass Facebook dazu verpflichtet wäre, Hasspostings auch außerhalb von Österreich zu entfernen.

Sinngleiche Postings

Zudem stellt sich die Frage, ob das Unternehmen nach einem gerichtlichen Beschluss nicht nur nach "wortgleichen", sondern auch nach "sinngleichen" Beiträgen aktiv suchen und diese entfernen muss. Würde ein anderes Posting also beispielsweise eine Beschimpfung wiederholen, diese aber ein wenig anders formulieren, müsste das Unternehmen sie trotzdem löschen. Das würde bedeuten, dass Facebook dazu verpflichtet wäre, weitaus mehr in den Bereich zu investieren als bisher. Windhager sagt: "Es geht schlichtweg darum, dass Facebook seine gesetzlich normierte Verantwortung übernimmt." Die österreichische Rechtsprechung habe sich in den vergangenen Jahren bewährt, werde aber von Facebook bisher ignoriert.

Eine Facebook-Sprecherin gibt zu dem Thema an, dass der Fall wichtige Fragen zur Meinungsfreiheit im Internet aufwerfe, "vor allem was die rechtlichen Grenzen angeht, innerhalb derer ein Gericht Plattformanbieter zwingen kann, Inhalte zu monitoren". Das Unternehmen hoffe, dass "der Europäische Gerichtshof auch weiterhin ein Gleichgewicht zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz der Internetnutzer aufrechterhalten wird".

Filtersystem nutzen?

Wie genau Facebook die Aufgabe bewerkstelligen soll, ist offen, Kritiker befürchten ein automatisiertes Filtersystem. "Ein Weg wäre, dass man die Inhalte mit einer Suchfunktion herausfiltert und dann entscheidet, ob man sie löscht oder nicht", sagt Windhager. Wie der EuGH entscheiden wird, sei schwierig zu sagen, so die Rechtsanwältin, jedoch sei man "aufgrund der bisherigen Rechtsprechung optimistisch".

Werner Kogler, Bundessprecher der Grünen, sieht die Causa als "Musterklage", die für Betroffene Rechtsklarheit schaffen soll. "Hauptsächlich von diesen regelrechten Hassorgien betroffen sind ja Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, wie Politikerinnen und Journalistinnen, und selbst die haben es schwer, dagegen vorzugehen", sagt Kogler zum STANDARD. "Facebook nutzt das aus. Sie haben eine Riesenmaschine am Werk um alles herauszufinden – aber nur im Sinne der Gewinnmaximierung. Wenn es darum geht, gegen solche Drohungen vorzugehen, stellen sie sich taub und blind."

Regierung will gegen Hass im Netz vorgehen

Die Regierung möchte sich seit einigen Monaten mehr mit Hassbeiträgen im Netz befassen. So ist schon länger unter dem Namen "Digitales Vermummungsverbot" eine De-Anonymisierung im Netz geplant. Zudem sieht die aktuelle Strafrechtsreform auch eine Erweiterung des Stalking-Paragrafen vor. Dort plant man unter anderem den Verbot der Veröffentlichung von Bildern aus dem "höchstpersönlichen Lebensbereich" ohne Zustimmung. Damit sind etwa Nacktfotos gemeint. Bisher mussten Opfer von Rachepornos selbst zivilrechtlich klagen, was bedeutet, dass sie einen Anwalt gebraucht haben, um gegen Täter vorzugehen.

Die Schlussanträge des Generalanwalts wurden für den 14. Mai angekündigt, sagt Windhager zum STANDARD. In den meisten Fällen folgt das Gericht dieser Einschätzung. (Muzayen Al-Youssef, 12.2.2019)