Es ist gerade wieder einmal dicke Luft zwischen Suweida und dem syrischen Regime: Ein Stromausfall in der hauptsächlich von Drusen bewohnten südlichen Provinz am Montag wird von Oppositionellen als ein Versuch, die Drusen gefügig zu machen angesehen, meldet SyriaCall. Allerdings, muss man anfügen, sind Gebrechen dieser Art ja nicht gerade eine Seltenheit in Syrien. Aber das Misstrauen ist eben groß – und gegenseitig.

Die Drusen haben sich 2011 und danach zwar mehrheitlich nicht dem Aufstand gegen Assad angeschlossen – dazu hat die ethnoreligiöse Gemeinschaft zu viel von den Islamisten zu befürchten –, aber viele haben sich ebenso geweigert, außerhalb "ihrer" Provinz gegen Rebellen zu kämpfen. Einberufungsbefehle zur syrischen Armee wurden ignoriert, zwangsrekrutierte Drusen sogar manchmal gewaltsam befreit, von einer Organisation namens "Männer der Würde". Sie wurde vom Assad-Gegner Wahid al-Balous angeführt, der 2015, wahrscheinlich vom Regime, ermordet wurde. Als im Juli 2018 der "Islamische Staat" drusische Dörfer im Osten und Norden Suweidas überfiel, ein Massaker anrichtet und Dutzende entführte, ging ebenfalls das Gerücht um, Assad habe den IS gewähren lassen.

Wenn das stimmt, dann war aber auch der Preis für ihn hoch: Der selbsternannte Schützer der Minderheiten hatte versagt, vor allem der libanesische Drusenpolitiker und Assad-Gegner Walid Jumblat, versuchte mit diesem Argument die syrischen Drusen davon zu überzeugen, sich den Rebellen anzuschließen. Es gibt Sympathisanten und Gegner sowohl Assads als auch des Aufstands unter den Drusen, als Gemeinschaft wählten sie aber einen neutralen Mittelweg. Ihre Zurückhaltung ist verständlich: Zwar gelang es den Drusen von Suweida lange, den Krieg aus der Provinz draußen zu halten. Aber sie grenzt an die Provinz Daraa, die bis im Vorjahr von jihadistischen Rebellen kontrolliert wurde. Auch anderswo in Syrien wurden Drusen von islamistischen Kämpfern bedroht, in der der Provinz Idlib, wo die Nusra-Front 2015 in Qalb Loze ein Massaker an Dorfbewohnern verübte, oder am Golan.

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Herbst 2018: Drusen besuchen ein improvisiertes Denkmal für die Toten des vom IS verübten Massakers im Sommer in Suweida.
Foto: AP / Hassan Ammar

Geheimreligion aus dem 11. Jahrhundert

Die Drusen gehören einer esoterischen Geheimreligion an, die sich im frühen 11. Jahrhundert von der Ismailiya abspaltete, die wiederum eine Abspaltung vom Hauptstamm der Schiiten ist. Wie die Alawiten oder die Jesiden werden sie von radikalen Sunniten als Ketzer angesehen. Und mit den syrischen Alawiten haben sie historisch gemeinsam, dass sie nach dem Ersten Weltkrieg von den französischen Mandatsherren als Minderheit als Stachel im Fleisch der sunnitischen arabischen Nationalisten gepflegt wurden. Später fühlten sich beide Gruppen vom säkularen arabischen Nationalismus der Baath-Partei – wo es eben kein sunnitisches Primat gab – angezogen, die 1947 in Damaskus gegründet wurde. Der Bruch mit Hafiz al-Assad erfolgte jedoch schon, bevor dieser 1970 allein die Macht übernahm: 1967 nützte die alawitische Führung die Niederlage gegen Israel im Sechs-Tage-Krieg, um ihren drusischen Baath-Konkurrenten Salim Hatum auszuschalten, er wurde wegen Hochverrats hingerichtet.

Über die Drusen wird eine historische Geschichte erzählt, die ihre Anpassungsfähigkeit illustrieren soll. Als in der Schlacht von Ain Jalut 1260 (in der Nähe von Nazareth) die Mongolen, die damals die Region kontrollierten, und die aus Ägypten kommenden Mamluken zusammenstießen, hätten die Drusen Soldaten in beide Heere entsandt, um ihre Unabhängigkeit sichern zu können, gleich wer gewinnt. Drusen versuchen sich demnach immer an die Verhältnisse anzupassen, heißt es, sie begehren in der Regel nicht gegen ein Regime auf. Anders war es jedoch mit dem drusischen Nationalhelden Sultan Pasha al-Atrash, als syrischer Nationalist verehrt bis heute, der zuerst gegen die Osmanen und dann gegen die Franzosen gekämpft hatte.

Es gab auch immer wieder Fraktionen und Personen, die mit dem von den Alawiten beherrschten Regime gut konnten, einige Drusen sitzen in hohen Positionen, auch ein führender General bei der Niederschlagung des Aufstands, Essam Zahreddin, war Druse – allerdings war er vor seinem Tod 2017 bereits in Ungnade gefallen.

Pro und contra Assad auch im Libanon

Entlang der Assad-Linie sind auch die libanesischen Drusen gespalten, Walid Jumblatt, dessen Vater Kamal 1977 wahrscheinlich mit Mithilfe des syrischen Regimes getötet wurde, wurde bereits als Assad-Gegner erwähnt. Aber Assad hat auch große Freunde unter den Drusen im Libanon, den sehr aktiven Wiam Wahhab, der der drusischen Prinzenfamilie Arslan nahesteht. Talal Arslan ist der Chef der Libanesischen Demokratischen Partei, die auch einen Minister im neuen Kabinett hat: einer, der die prosyrische Seite der Hisbollah verstärkt.

DER STANDARD

Auch in Israel sind die Drusen gespalten: Während die Drusen auf dem 1967 eroberten und 1981 annektierten Golan sich weiter Syrien zugehörig fühlen, sind die im Drusen am Karmel und in Galiläa loyale israelische Bürger. Das äußert sich etwa darin, dass die israelischen Drusen überdurchschnittlich oft in der israelischen Armee dienen. Ihr "Partikularismus", eine eigene drusische Identität, wurde von Israel gefördert – um sie nicht für den palästinensischen Nationalismus anfällig zu machen. Dementsprechend war die Verabschiedung des neuen israelischen Nationalgesetzes, das Israel zu einem Nationalstaat allein der Juden macht, ein schwerer Schlag für sie. (Gudrun Harrer, 13.2.2019)