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Es tut gut zu spüren, wie man sich wehren kann.

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Doris Knecht kannte Kung-Fu nur aus einer TV-Serie des vorigen Jahrhunderts. Nun hat sie es selbst ausprobiert.

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Ich bin mit David Carradine sozialisiert worden. Kung-Fu bedeutete für mich: eine Reihe von eleganten, präzisen Bewegungsritualen, Konzentration, Kraft, Körperspannung, die sich bei Gefahr verdichten ließen zum tödlichen Schlag.

Als ich mich zum Kung-Fu-Probetraining in einem der beiden Fengbao-Studios anmeldete, die ich anhand von Bewertungen und Webdesign aus dem Netz gefischt hatte, dachte ich also, ich würde mit ungelenken Bewegungsabläufen beginnen, Kampf dann irgendwann in Jahren.

Ich war bereit, demütig anzufangen, und kam heim mit brennenden, schwellenden Handrücken und einer unerwarteten Euphorie: Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich die Hände zum Zuschlagen, die Beine zum Treten eingesetzt, hatte Schläge abgewehrt, ohne zu zögern zurückgeschlagen, nachgetreten. Es fühlte sich fantastisch an. Ich wähnte mich stärker als vor der Stunde, ich bemerkte ein Potenzial, von dem ich bisher nichts geahnt hatte.

Kleine Gruppen

Das Studio ist nicht groß: ein kleines ehemaliges Ladenlokal mit einem Schwedenofen, Holz stapelt sich die Wände hoch. Der Stundenplan bietet gemischte und gendersortierte Trainings, auch Kindergruppen. Ich trainierte mit einer kleinen Gruppe junger Frauen, alle freundlich und hilfsbereit, die Stimmung war heiter.

Man trainiert mit anderen sein jeweils individuelles Programm, in dem man sich durch zwölf Schülergrade und vier technische Grade steigert, von Schritt- zu Tritt- zu Schlag- und anderen Abwehr- und Angriffstechniken, Ellbogen, Ringen, Umklammerung. Ich drosch erst einmal auf Lederpolster ein, während zwei junge Frauen, die schon seit Jahren Kung-Fu machen, die Abwehr eines Messerangriffs trainierten. Es scheint mir überaus sinnvoll.

Am Ende des Trainings wurden doch noch "Formen", also genau einstudierte Bewegungsabläufe, praktiziert. Ich zappelte ungelenk mit; es fühlte sich aber nicht unerreichbar an, sondern wie etwas, das selbst ich erlernen könnte.

Mit viel Übung und Disziplin natürlich, so wie das Abwehren echter Angriffe, die nicht unter Laborbedingungen und erwartbar von einem freundlichen Gegenüber kommen. Doch ich spürte schon in dieser ersten Stunde, wie es ist, wenn man sich wehren kann. Kein Opfer zu sein, nicht wehrlos: Alle Frauen sollten das lernen. (Doris Knecht, RONDO, 4.3.2019)

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