Vrunda und Pawan Batra haben ihr Nirvana zu einem ganz großartigen indischen Restaurant hochgekocht.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Gipfel aller Freuden aber ist Biryani vom Huhn (oder, mindestens so gut, vom Lamm!), auch Reisfleisch für die Götter genannt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der beste Inder des Landes versteckt sich in einem Durchgang bei der Rotenturmstraße. Vrunda Batra, Chefköchin und mit Ehemann Pawan Betreiberin des Restaurants Nirvana, hat die Qualität ihrer Küche in den vergangenen Jahren um Würzpotenzen hochgeschraubt. Schön langsam möchte man den etablierten Restaurantguides des Landes deshalb auf die makellos manikürten Zehen steigen – mit allem gebotenen Respekt natürlich.

Es zieht einem nämlich die sprichwörtlichen Schuhe aus, wie stilsicher, fokussiert und finessenreich hier mittlerweile gekocht wird. Indische Küche dieser Klasse darf man sich selbst in London, dem Taj Mahal der subkontinentalen Edelküche, nur an wenigen Adressen erwarten.

Kraftvolle Gewürze

Dementsprechend kann man schon ein bisserl stinkig werden, mit welch trampelhafter Nonchalance die Damen und Herren Experten von den Guides X, Y oder Z einen Schatz wie das Nirvana nicht einmal ignorieren, während die abstrusen Verrenkungen manch autochthoner Küchenstars alle Jahre wieder mit Hingabe gepriesen werden – auch wenn des Öfteren nur marginal Genießbares dabei herauskommen sollte.

Die Virtuosität, mit der Batra den Überfluss kraftvoller Gewürze erst bändigt, um ihn dann umso geballter in ihren Currys, Kormas und Biryanis von der Leine zu lassen, macht nur einen Teil der Herrlichkeit aus. Die Achtsamkeit im Umgang mit hervorragenden Grundprodukten ist die andere.

Seit langem hat etwa eine Jakobsmuschel nicht mehr so viel Freude bereitet, wie in der Pondicherry Bouillabaisse genannten Kreation Batras, wo sie beinahe roh, ganz zart und süß in einer elegant und doch ungestüm abgestimmten Sauce aus vielerlei Kräutern, Weißwein und Kokos baden darf. Dazu exakt gegarte Miesmuscheln, wächsern blätternden Heilbutt und eine vor Saft geradezu berstende Salzwassergarnele in der Schale – fertig ist einer der beglückendsten Meeresfrüchteteller des Landes.

Wer jetzt meint, dass die Konkurrenz diesbezüglich dünn gesät ist, hat natürlich recht – das Nirvana kann da aber am wenigsten dafür, um weniger als 20 Euro schon gar.

Überhaupt, die Riesengarnelen. In Gunpowder-Gewürzmischung gebraten machen sie schon zur Vorspeise Freude: drei mächtige Krustentierschwänze in scharfer, mit frischen Curryblättern aromatisierter Würze, gute Ware, natürlich in der Schale gebraten.

Mumbai SPDP ist noch so ein Starter, den man sich nicht entgehen lassen sollte: Hauchdünne Knuspersphären, gefüllt mit Gemüse und Erdäpfeln, beträufelt mit Joghurt, Tamarinden-, Minz- und Chilichutney – kleine Glücksbälle, von denen man nur einen braucht, weil sie volley im Hypothalamus einnetzen.

Reisfleisch für die Götter

Murgh Tikka Makhanwala ist ein vergleichsweise milder Curry – saftiger und zarter wird man den Proteinbolzen Hendlfilet aber kaum je gekostet haben. Dass der Schmorsaft mit gemahlenen Cashews gebunden, mit Butter und dem süchtig machenden Kick grüner Kardamomkapseln verwoben ist, hilft natürlich auch.

Achari Ghosht, Lamm in dichter, mit bissig-sauren Limetten-Pickles aufgehusster Sauce, ist Curry für Fortgeschrittene – wer möchte das nicht sein? Der Gipfel aller Freuden aber ist Biryani vom Huhn (oder, mindestens so gut, vom Lamm!), auch Reisfleisch für die Götter genannt. Was da unter einer hauchdünnen, knusprig-würzigen Brotdecke zu hoher Reiskunst geschmort wurde, will man fortan immer haben: eine Wolke aus Safran, darunter fluffiger Basmati in einem Strudel aus schillernden Gewürzen, mürb-saftiges Huhn, fruchtige Granatapfelkerne, geröstete Cashews, süßschmelzende Zwiebel, hach. Nix wie hin, reservieren, Freunde mitnehmen: Wer teilt, hat mehr vom Leben! (Severin Corti, RONDO, 15.2.2019)

Weiterlesen:

Google-Map: Restaurantkritiken in Wien & Umgebung