Ist das Feuilleton, das sich in Ihrem Fall zu Wort meldete, überheblich, Herr von Maldeghem? "Es ist schon Ausdruck einer Arroganz, die ich für schwierig halte."

Foto: Anna-Maria Löffelberger

So schnell hat ein ernannter Intendant selten das Handtuch geworfen. Kaum war Carl Philip von Maldeghem am 24. Jänner als nächster Theaterleiter in Köln präsentiert worden, hat er auch schon wieder den Rückzug angetreten. Dazwischen lagen sieben Tage Schimpf und Schande, die der Salzburger Landestheaterintendant über sich ergehen lassen musste. Das deutsche Feuilleton und Kölner Kulturvertreter zeigten sich über die Wahl, die die örtliche Kulturdezernentin in Absprache mit der Oberbürgermeisterin getroffen hatte, erbost.

Wer sei der Typ? Der stehe ja nicht für überregional bedeutsames Theaterschaffen! Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sprach vom "Mann aus der dritten Reihe". Sogar Elfriede Jelinek zeigte sich ratlos, und Schriftsteller Navid Kermani, in Köln beheimatet, verstieg sich zur Bemerkung, die Ernennung sei eine "Demütigung" für die Stadt. Am 1. Februar hat von Maldeghem Tschüss gesagt und seinen weiteren Verbleib in Salzburg bis 2024 bestätigt.

Hinterstübchenentscheidung?

Wie kam es zu dieser Panne? Formal sei jedenfalls alles korrekt abgelaufen, sagt von Maldeghem bei einem Besuch in Salzburg. Die Kölner Intendanz entspreche einer städtischen Amtsleitung und werde von jeher von der demokratisch legitimierten Oberbürgermeisterin bestellt. Nichts anderes ist auch dieses Mal geschehen. Dennoch gab es fragwürdige Manöver.

Dass die Wahl überraschend und ohne vorangegangene öffentliche Debatte über die Bühne ging, nährte den Verdacht einer Hinterstübchenentscheidung. Angeblich sei auch der aktuelle Intendant, Stefan Bachmann, über die Wahl nicht informiert worden. Dennoch bleibt die harsche Ablehnung ein unverhältnismäßiges Malheur.

Schmutzkübelkampagne

Was lief also falsch? "Ich glaube, es hätte mit meiner Ernennung klarer kommuniziert werden sollen, was das dann für ein Modell bedeutet", sagt von Maldeghem. Der Salzburger Intendant sieht offenbar das Image seiner Landeshauptstadt irrtümlich auf sich projiziert: ihre Lieblichkeit. Dabei erstaunt es ihn nicht wenig, dass Menschen hemmungslos und durchaus boulevardesk über jemanden urteilen, dessen Arbeit sie eingestandenerweise gar nicht kennen. "Wenn das dort Standard ist, wünsche ich viel Freude beim Karneval." Von Maldeghem empfand das Vorgehen als "Schmutzkübelkampagne". Auch deshalb, weil sie von Leuten ausgegangen ist, die mit dem Schauspiel Köln assoziiert waren oder sind.

Carl Philip von Maldeghem, 1969 in Prien am Chiemsee geboren, ist seit 2009 Salzburger Theaterchef. Wie so oft bei anderen Landestheatern hält sich die überregionale Strahlkraft tatsächlich in Grenzen. Sein Haus sucht samt den eigenen Regiearbeiten nicht nach einem stärkeren künstlerischen Profil, und es wagt auch keine steilen ästhetischen Behauptungen. Der 49-Jährige bekennt, dass seine Ambitionen in erster Linie der örtlichen Bevölkerung gelten. "Ich mache meine Arbeit für die Öffentlichkeit und nicht für Branchenmedien wie Theater heute und nachtkritik.de.

Auslastungskönig

Diese Zuwendung macht sich bezahlt. Maldeghem ist ein Auslastungskönig. In der Nachfolge von Lutz Hochstraate und Peter Dolder konnte er die Besucherzahlen stetig steigern, und 2015 den Gesamtauslastungsrekord von 89,2 Prozent knacken. Das ist im Sprechtheater einsame Spitze. Mit 170.000 Besuchern jährlich erreicht das Landestheater über 100 Prozent der Stadtbevölkerung.

Von Maldeghems Theaterverständnis ist angloamerikanisch geprägt. Er wurde am American Repertory Theater in Cambridge, Massachusetts, ausgebildet, einem Theater, das sich sowohl an ein intellektuelles als auch an ein Durchschnittlichkeitspublikum wendet. "Es sollte verschiedene Handschriften geben, nicht nur ein Theater der Psychosen. Ich glaube an ein Erzähltheater und an ein Schauspielertheater, das berührt," so von Maldeghem.

Dass ihn die Salzburger nach seiner Köln-Absage wieder mit offenen Armen empfangen haben, liegt aber nicht nur an dem moderaten Theaterverständnis oder den guten Zahlen. Carl Philip von Maldeghem ist eine integre Führungspersönlichkeit mit einem eingeschworenen Mitarbeiterstab, höflich und aufgeschlossen und obendrein als Repräsentant begabt (u. a. ist er Koautor eines Buches über Rhetorik).

Kölner Missgunst

Von Maldeghem hätte, so sagt er, für Köln seinen Beruf ein Stück weit neu erfinden müssen. Die Stadt hat einen hohen Migrationsanteil, "mit knapp 60 Prozent bei den unter 20-Jährigen. Das muss man reflektieren". Und weiter: "Es hätte in Köln schöne Entwicklungsmöglichkeiten gegeben. Es steht dort so viel Geld zur Verfügung, dass man sich jedes Regieteam leisten kann." Man kann es ihm aber nicht verübeln, dass er der Missgunst eine Absage erteilt hat.

Die Ablehnung von Maldeghems ist auch Ausdruck einer Spaltung, die den Theaterbetrieb prägt: Feuilleton versus Abopublikum. Das oft überhebliche Feuilleton lenkt die Aufmerksamkeit auf innovative Handschriften und formalästhetisches Neuland. Das Abopublikum pfeift auf Avantgarde und will spannende Produktionen.

Stimmungsgewitter

Letzteres wollten scheinbar auch die Kölner Entscheidungsträger. Denn lediglich zehn Prozent der Bevölkerung geht in der Ein-Millionen-Metropole ins Theater. "Das ergibt den höchsten Pro-Kopf-Zuschuss, den es derzeit in Deutschland gibt, nämlich 200 Euro pro Karte", sagt von Maldeghem. "Ich habe Köln bisher nicht als Theaterstadt empfunden." Das sieht Stefan Bachmann wohl anders. Der amtierende Intendant hat sich nach dem heftigen Stimmungsgewitter nun selbst für eine Verlängerung seines Vertrags ins Spiel gebracht.

Salzburgs Politiker schätzen von Maldeghem indes so sehr, dass sie ihm signalisiert haben, Sonder- und Autorenprojekte künftig noch stärker unterstützen zu wollen. Zunächst aber steht die nächste Premiere an. Von Maldeghem inszeniert die Philip-Glass-Oper Der Prozess, österreichische Erstaufführung ist am 2. März. (Margarete Affenzeller, 13.2.2019)