Eine im Bundeskanzleramt eingesetzte Gruppe arbeitet an einer Reform der Strukturen der Statistik Austria. Parallel dazu wird innerhalb der Statistik bereits umstrukturiert, nämlich eine Abteilung verkleinert und eine Stabsstelle aufgelöst. Diese Entwicklungen, von denen der STANDARD am Dienstag berichtete, sorgten am Mittwoch für politische Aufregung.

Die Oppositionsparteien sprachen geschlossen davon, dass die Unabhängigkeit der Statistik Austria in Gefahr sei und erhalten werden müsse. Dazu kamen bereits erste konkrete Vorschläge. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger etwa warnt davor, dass das Bundeskanzleramt versuche, die Kommunikation der Statistik Austria unter Kontrolle zu bringen. Um das zu verhindern, schlägt sie vor, die Bundesagentur künftig dem Nationalrat zu unterstellen.

Derzeit ist die Statistik Austria eine ausgegliederte Agentur. Das heißt konkret: Inhaltlich arbeiten die Experten und die beiden Generaldirektoren weisungsfrei. Sie unterliegen nur dann einem Weisungsrecht, wenn sie Österreich im Ausland offiziell vertreten, etwa in zuständigen europäischen Statistikgremien. Das Bundeskanzleramt wacht aber als zuständige Aufsichtsbehörde darüber, dass die Agentur all ihren Aufgaben nachkommt und die Budgetvorgaben einhält. Der Bundeskanzler bestellt auch die Generaldirektoren.

Bestellung durch Parlament gefordert

Neos-Chefin Meinl-Reisinger würde diese Aufgaben lieber dem Nationalrat zuweisen. Das Parlament solle mit einer Zweidrittelmehrheit auch über die Bestellung der Generaldirektoren entscheiden. Dadurch könnte der parteipolitische Einfluss zurückgedrängt werden, so Meinl-Reisinger. Die Neos haben auch eine parlamentarische Anfrage zu den Vorgängen eingebracht, unter anderem wollen sie wissen, welche Reformziele das Bundeskanzleramt bei der Statistik Austria genau verfolgt.

Wie berichtet, haben interne Umbauarbeiten bereits begonnen. So soll die Presseabteilung von acht auf zwei Kollegen verkleinert werden, eine Stabsstelle für Analyse wird aufgelöst. Wie der STANDARD erfahren hat, ist zudem ein Reformprogramm mit dem Namen "Projekt 2020" größtenteils gestoppt worden. Als Teil des Programms sollten dutzende kleine Reformprojekte umgesetzt werden. Eines davon war die Einrichtung einer Datenbank, auf die die verschiedenen Abteilungen innerhalb der Statistik Austria hätten zugreifen können, um sich Daten anderer Abteilungen zu holen.

Bundeskanzler Kurz: Nichts Konkretes sei geplant.

Die Projekte gelten als Steckenpferde des fachlichen Generaldirektors der Statistik Austria, des SPÖ-nahen Konrad Pesendorfer. Die internen Änderungen will die zweite Generaldirektorin in der Agentur, Gabriele Petrovic, durchsetzen. Parallel dazu hat die erwähnte Reformgruppe im Kanzleramt ihre Arbeit aufgenommen, in der auch Petrovic sitzt. Ein Ziel der Gruppe soll sein, die Außenkommunikation der Statistik Austria stärker vom Bundeskanzleramt aus zu koordinieren.

Doppelgleisigkeiten beseitigen

Laut Kanzleramt selbst geht es darum, die Effizienz der Statistik zu verbessern, also konkrete Vorschläge dazu zu erarbeiten und bestehende Doppelgleisigkeiten mit dem Kanzleramt zu beseitigen. Das Bundesstatistikgesetz wird dafür überarbeitet.

Der Kanzler selbst wurde zur der Causa am Rande des Ministerrats am Mittwoch befragt. "Wir nehmen immer wieder Veränderungen vor, aber von meiner Seite ist nichts Konkretes geplant", sagte Kurz. Er habe nur Gerüchte vernommen, dass es in der Statistik intern Konflikte um Zuständigkeiten gebe.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger.
Foto: APA

Ganz anders interpretiert die Liste Jetzt die Vorgänge. Laut Bruno Rossmann ist es der Plan des Kanzleramts, sich frühzeitig einen direkten Zugang zu Daten der Statistik Austria zu sichern. "Damit handeln wir uns ein demokratiepolitisches Problem ersten Ranges ein", sagt Rossmann. Die Statistik Austria bekomme dadurch ein Glaubwürdigkeitsproblem. "Denn mit Daten kann auch Missbrauch betrieben werden." Auch er hat bereits eine parlamentarische Anfrage eingebracht.

Datenmanager der Republik

Die Statistik Austria ist für das zentrale Datenmanagement der Republik zuständig. Sie berechnet Zahlen zum Wirtschaftswachstum, erhebt Daten zur Bevölkerung, zum Steueraufkommen und zur Arbeitszeit. Sie wurde vor etwas mehr als 19 Jahren aus dem Bundeskanzleramt ausgegliedert.

SPÖ-Geschäftsführer Thomas Drozda fordert, dass Bundeskanzler Kurz das Projekt zum Umbau der Statistik stoppt. Die Statistik Austria müsse unabhängig agieren, ihre Informationen neutral und objektiv erarbeiten. "Wenn die Statistik nun unter die Schirmherrschaft der Message-Control kommt, ist das nicht mehr gewährleistet." Die Versuche der Regierung erinnern ihn an ein "Wahrheitsministerium": Das Wahrheitsministerium stammt aus dem dystopischen Roman "1984" von George Orwell.

Was sagen Forschungsinstitute?

Zu Wort gemeldet haben sich schließlich am Mittwoch auch wissenschaftliche Institute. Der Chef des Instituts für Höhere Studien, Martin Kocher, sagte auf STANDARD-Anfrage: "Als Forschungsinstitut ist für uns der Zugang zu soliden und neutralen Daten ganz wichtig." Politischer Einfluss auf essenzielle Institutionen wie die Statistik Austria sei immer problematisch, "aber ich gehe davon aus, dass hier eine Einflussnahme nicht geplant ist. Das wäre auch mit den EU-Regeln nicht vereinbar."

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, Christoph Badelt, sieht es so: Die Produktion von Daten habe immer eine gewisse "politische Bedeutung". Unter Pesendorfers Führung sei ihm "aufgefallen", dass die Statistik auch mit analytischen Aussagen stärker in der Öffentlichkeit stehe. "Mein Verständnis ist, dass die Statistik Austria ein Datenproduzent und kein Analyst ist." Er habe keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich an der Unabhängigkeit der Arbeit der Statistik etwas ändern soll.

Der Chef des Thinktanks Agenda Austria, Franz Schellhorn, sagt: "Bereits unter dem amtierenden Direktor hat sich die Statistik Austria verstärkt mit der Interpretation als der Sammlung von Daten beschäftigt. Aus wissenschaftlicher Sicht ist eine unabhängige Statistik, die gerade auch für die Forschung Daten zur Verfügung stellt, essenziell." (András Szigetvari, 13.2.2019)