Wenn es um die nächste Mahlzeit geht, behalten Orang-Utans auch in komplexen Situationen den Durchblick.

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Wien – Orang-Utans, die in ihrer südostasiatischen Heimat vor allem durch die Ausweitung von Palmölplantagen immer stärker in Bedrängnis geraten, ist Werkzeuggebrauch in der freien Wildbahn nicht fremd. So müssen sie bei der Nahrungssuche auch darauf achten, wie weit der Weg zu Bäumen mit vielversprechenden Früchten ist und dabei daran denken, ob vor Ort auch geeignete Werkzeuge vorhanden sind. Vielfach kommen die Menschenaffen an das Fruchtfleisch stacheliger Früchte oder solchen mit harten Schalen nämlich nicht ohne die Hilfe von Geräten heran.

Trotz dieser zahlreichen komplexen Handlungsoptionen sind die Menschenaffen zielsicher in der Lage, die für sie gewinnbringendste Entscheidung zu treffen, wie nun Forscher aus Österreich, Deutschland und Großbritannien herausgefunden haben. Die Tiere präsentieren sich dabei regelrecht als planvolle Denker, die sorgfältig abwägen, ob sich ein Werkzeugeinsatz auszahlt oder nicht.

Ein Test für Affen und Kakadus

Das Wissenschafterteam um Erstautorin Isabelle Laumer vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien wendete bei den Primaten eine Variante eines Versuchsaufbaus an, bei dem Forscher um Alice Auersperg vom Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien bereits bei Goffin-Kakadus überprüften, ob sie zu intelligentem Werkzeuggebrauch fähig sind. Darunter verstehen die Wissenschafter, dass es die Tiere schaffen, Informationen auf verschiedenen Ebenen abzuwägen und ihr Verhalten situationsabhängig anzupassen – sprich: Werkzeuge flexibel einzusetzen.

Am Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrum im Zoo Leipzig gingen die Wissenschafter der Frage nach, wie Orang-Utans ihre Entscheidungen bezüglich Futter und Werkzeugeinsatz treffen. Als Objekte der Begierde fungierten Bananen-Pellets – das Lieblingsfutter der Tiere – und von den Menschenaffen weniger hoch geschätzte Apfelstücke. Außerdem gab es zwei Apparate, die Futter enthalten konnten, und die nur mit einem bestimmten Werkzeug – einem Stöckchen oder einem Ball – zu öffnen waren.

Äpfel nur im Notfall

Je nach Aufbau hatten die Tiere frei zur Verfügung stehendes Futter einer bestimmten Sorte, einen oder zwei gefüllte Apparate und Werkzeuge zum Öffnen zur Auswahl. Die Orang-Utans zeigten dabei klare Präferenzen und Handlungspläne: Die Apfelstückchen wurden nur gewählt, wenn selbst mit dem zur Verfügung stehenden Werkzeug an die favorisierten Bananen-Pellets nicht heranzukommen war.

Vorausgesetzt das richtige Werkzeug lag parat, nahmen die Tiere umgekehrt gerne den Umweg über das Öffnen einer Apparatur in Kauf, wenn am Ende der Prozedur ihre Lieblingsspeise auf sie wartete. Sofort verfügbare Äpfel ließen sie dann folglich links liegen. Auch wenn beide Apparaturen mit unterschiedlichen Speisen gefüllt und beide Werkzeuge dargeboten wurden, schafften es die Orang-Utans den für sie maximalen Gewinn – nämlich Bananen-Pellets – zielsicher einzustreifen, wie die Wissenschafter im Fachjournal "Plos One" berichten.

Parallele Evolution kognitiver Fähigkeiten

Da die im Tierreich rare Fähigkeit zur Unterdrückung eines Impulses zugunsten einer besseren Option, bei der es aber einen Widerstand zu überwinden gibt, auch Goffin-Kakadus besitzen, sei es nahliegend, "dass sich ähnliche kognitive Fähigkeiten unabhängig voneinander in entfernt verwandten Arten entwickelt haben", so Auersperg: "Im Gegensatz zu den Orang-Utans konnten die Kakadus jedoch die letzte Aufgabe, in der beide Apparaturen mit unterschiedlichem Futter befüllt waren, und sie zwischen den beiden Werkzeugen wählen mussten, nicht gewinnbringend lösen." (red, APA, 14.2.2019)