Bild nicht mehr verfügbar.

Immer mehr Menschen suchen auf Dating-Apps Romantik und Sex.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/JOE RAEDLE

Schneller Sex, eine Kurzzeitbeziehung oder der Partner des Lebens nur einen Wisch entfernt – bei der Suche nach Liebe verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt. Hat man den Partner früher beim Sport, in der Bar oder im Urlaub kennengelernt, wird heute einfach das Smartphone für die Suche konsultiert. Zugleich wächst auch die Akzeptanz von Liebschaften, die sich durch Dating-Apps ergeben haben. Erntete man einst noch kritische Blicke dafür, den Partner im Netz gefunden zu haben, ist es heute keine Überraschung mehr, wenn als Ort des ersten Aufeinandertreffens eine der zahlreichen Verkupplungsplattformen genannt wird.

Am Anfang war die Suche nach Sex

Zu den populärsten Anbietern zählen Badoo, Tinder, Okcupid, Bumble und Lovoo, die häufig ihren Ursprung im Casual Dating, also der Suche nach unkompliziertem Sex, haben. Mittlerweile werden die Apps aber auch verwendet, um Partner für einen längeren Zeitraum zu finden, und haben traditionelle Partnerbörsen vor allem bei jüngeren Nutzern abgelöst. Vier von fünf Usern auf Tinder sind zwischen 18 und 34 Jahre jung. Neben dem populären US-Dienst gibt es aber auch hunderte kleine Anbieter, die um die Gunst der Liebesbedürftigen buhlen.

Das Prinzip bei den digitalen Verkupplern ist oft ähnlich: Nutzer laden Fotos von sich hoch und geben teils private Infos von sich preis. Es gibt aber auch kreative Möglichkeiten, den Partner fürs Leben oder eine Nacht zu finden. Bei Hater treffen etwa Personen aufeinander, die beide die gleichen Dinge hassen, und auf Glutenfreesingles suchen User nach der großen Liebe, die ebenso an einer Glutenunverträglichkeit leidet. Das österreichische Candidate ist hingegen das moderne Herzblatt. User müssen Fragen beantworten, und Mann oder Frau kann sich dann für eine Person entscheiden, ohne zuvor zu wissen, wie diese aussieht.

Überall ist ein Konzern dabei

Der Schein der riesigen Auswahl trügt allerdings. Ein Großteil der beliebtesten Datingservices ist nämlich in der Hand der Match Group, die sich mit neuen Mitstreitern einen erbitterten Kampf um das Geschäft mit der Liebe liefert. Zu dem US-Unternehmen, das wiederum Teil der milliardenschweren Inter Active Corp ist, zählen Tinder, Okcupid, Match.com, Hinge und Plentyoffish. Neue Anbieter werden von dem Unternehmen ins Visier genommen und entweder aufgekauft oder mit Klagen eingedeckt.

Bumble, eine Dating-App, bei der Frauen den ersten Schritt machen müssen, musste sich damit bereits herumschlagen. Im August 2017 wollte die Match Group den Dienst, der von ehemaligen Tinder-Führungskräften gegründet wurde, für 450 Millionen Dollar kaufen. Nachdem das Angebot nicht angenommen wurde, ging der Konzern wegen mutmaßlicher Copyrightverletzungen vor Gericht. Bumble reagierte wiederum mit einer Gegenklage, die vor drei Monaten allerdings fallengelassen wurde. Vorbei ist die Auseinandersetzung zwischen den beiden Unternehmen nicht – schließlich geht es um sehr viel Geld, das mit Liebessuchenden verdient wird.

Bild nicht mehr verfügbar.

Das kostenpflichtige Tinder Gold verspricht, dass man noch schneller jemanden findet.
Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/JOE RAEDLE

Wer zahlt, findet schneller

Um die schnelle Liebe oder den Partner fürs Leben zu finden, ist vielen ein hoher Preis recht. Viele Dienste sind zwar kostenlos, allerdings locken die Portale mit höheren Erfolgsaussichten, wenn man zahlt. Bei Tinder und Bumble kann mit Geld etwa der Algorithmus "bestochen" werden. Die Anbieter lassen sich zwar nicht in den Code schauen, Tatsache ist aber, dass der Zufall bei der Liebe im Netz eine immer unbedeutendere Rolle spielt. Zumindest bei Tinder hat man zugegeben, dass jeder Nutzer eine interne Bewertung durchmacht, bei der mehrere Faktoren miteinbezogen werden. Der Clou dabei ist, dass den Nutzern mit einem guten Score vermehrt jene User angezeigt werden, die eine gute Note aufweisen. Alle mit schlechter Bewertung sehen zwar die attraktiven Kunden, tauchen aber selbst an hinterer Stelle in dem Stapel auf. Tinder und Bumble funktionieren so, dass User andere Nutzer positiv oder negativ bewerten können.

Milliarden mit Liebesbedürftigen

Um vermehrt hübscheren Usern angezeigt zu werden, kann man zahlen. Ein Monatsabo bei Tinder kostet 14,99 Euro. Dabei ist ein sogenannter halbstündiger Boost, bei dem man in dem Stapel der zahlreichen Männer und Frauen auf den vorderen Plätzen aufscheint. Die Nachfrage nach solchen Hilfsmitteln ist offenbar riesig. Bei Tinder zahlen mittlerweile 4,1 der geschätzten 50 Millionen User. 2018 hat man rund 800 Millionen Dollar Jahresumsatz lukriert, insgesamt konnte die Match-Gruppe 1,72 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr umsetzen. Ein Plus von 75 Prozent seit 2016.

Auch Facebook hat diesen stark wachsenden Markt erkannt und testet seit September 2018 Dating auf seiner Plattform in Kolumbien, Kanada und Thailand. "200 Millionen Menschen haben ihren Status als Single angegeben, also gibt es hier eindeutig etwas zu tun", sagte CEO Zuckerberg bei der Vorstellung.

Tinder & Co verändern unser Liebesleben

Abseits des finanziellen Aspekts haben Tinder und Co aber auch Einfluss darauf, wie wir lieben. "Onlinedating erhöht ganz klar die Chancen von Partnerschaften, vor allem für jene, die weniger soziale Kontakte haben", erzählt Paar- und Sexualtherapeutin Nicole Kienzl dem STANDARD. Laut der Psychologin sind zugleich die Ansprüche an eine Partnerschaft gestiegen. Man bleibt heute nicht mehr um jeden Preis zusammen. Heutige Beziehungen sind laut Kienzl somit kürzer, dafür aber glücklicher. Die Therapeutin spricht in diesem Zusammenhang von serieller Monogamie. Die vermeintlich riesige Auswahl, die Onlinedating bietet, könne den Eindruck vermitteln, dass man nicht das Beste gewählt hat.

(K)eine sexuelle Revolution

Eine sexuelle Revolution haben Dating-Apps zumindest im heterosexuellen Bereich laut der Psychologin allerdings nicht herbeigeführt. "Die Lust auf Sex ist nicht größer geworden, Sex wird aber möglicher, da wir genau das suchen können, was wir möchten", sagt sie. Von dieser Möglichkeit profitieren vor allem homosexuelle Männer, die mit der App Grindr Sexpartner in ihrem direkten Umkreis finden können. In Ländern, in denen Homosexualität verpönt oder gar verboten ist, ein wichtiges Hilfsmittel. Wirklich glücklich macht die Dating-App aber offenbar auch nicht.

Eine Umfrage unter 200.000 iPhone-Nutzern hat 2018 ergeben, dass 77 Prozent der befragten User Reue zeigen, wenn sie Grindr verwenden. Keine andere App macht unglücklicher. Eine mögliche Erklärung bietet Kienzl: "Vor allem junge Erwachsene sehnen sich weniger nach hemmungsloser sexueller Freizügigkeit, sondern vielmehr nach einer festen Beziehung. Auf dem Weg dorthin werden jedoch meist intime Partnerschaften erprobt." Es wird also einfach weitergewischt, bis Mr. oder Ms. Right auf dem Bildschirm erscheint. (Daniel Koller, 14.2.2019)