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Archivbild aus dem Jahr 2013 von einem Transport auf die Weihnachtsinsel – nun wird das Lager wiedereröffnet.

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Hunderte von kranken Flüchtlingen, die in australischen Internierungslagern ausharren, können endlich hoffen. Die Oberkammer des Parlaments hat am Mittwoch bestätigt, dass es den Asylsuchenden erleichtert wird, sich auf dem Kontinent medizinisch behandeln zu lassen. Rund 1000 Flüchtlinge leben auf den Pazifikinseln Nauru und Manus, ohne Hoffnung, in Australien je Schutz zu finden. Sie sind Opfer der Abschreckungspolitik Canberras, wonach Bootsflüchtlinge keinen Fuß auf den Kontinent setzen sollen.

Ein Land könne starke Grenzen haben und gleichzeitig die medizinische Versorgung von Kranken garantieren, sagte Oppositionsführer Bill Sorten. Laut dem neuen Gesetz, das von 7000 Ärzten und humanitären Organisationen unterstützt worden war, werden in Zukunft zwei Mediziner entscheiden, ob ein Patient zur Behandlung nach Australien gebracht werden soll. Bisher lag die Verantwortung bei Bürokraten.

Anerkannte Flüchtlinge

Selbst Patienten mit potenziell tödlichen Krankheiten und starken Schmerzen warteten oftmals Jahre auf einen Entscheid. Die Praxis und die Zustände in den Lagern werden von internationalen Organisationen als menschenunwürdig verurteilt. Gewalt, Selbstverstümmelungen und Suizidversuche seien an der Tagesordnung. Die Mehrheit der Internierten sind anerkannte Flüchtlinge.

Der konservative Premierminister Scott Morrison hatte im Vorfeld des Entscheids davor gewarnt, dass sich unter den Asylsuchenden "Pädophile und Mörder" befänden. Der Regierung nahestehende Medien sahen gar die Wahrscheinlichkeit von Vergewaltigungen australischer Frauen durch kriminelle muslimische Flüchtlinge, wenn diese als Patienten nach Australien kämen. Die rassistisch gefärbte Polemik hat keine rechtliche Basis: Der Immigrationsminister wird bei Flüchtlingen, denen eine kriminelle Tat vorgeworfen wird, weiterhin ein Vetorecht haben.

"Umweg als Patient"

Minuten nach dem Entscheid gab Morrison die Wiedereröffnung des berüchtigten Internierungslagers auf der zu Australien gehörenden Weihnachtsinsel bekannt. Damit reagiere Canberra auf den "zu erwartenden Anstieg der Ankunft von Bootsflüchtlingen". Morrison und Heimatminister Peter Dutton warfen Shorten vor, "das Geschäft der Menschenschlepper" neu anzukurbeln, da potenzielle Bootsflüchtlinge nun eine Möglichkeit sähen, auf dem "Umweg als Patient" doch noch nach Australien zu kommen. Auch dieses Argument hinkt: Die neue Regelung gilt nur für die bisherigen Asylsuchenden.

Seit 2013 interniert Canberra auf unbestimmte Zeit Menschen, die meist von Indonesien auf Booten nach Australien kommen wollen. Die Regierung behauptet, in Kombination mit einer starken militärischen Präsenz in den Gewässern habe die Maßnahme erreicht, dass es kaum noch Boote nach Australien schafften.

Machtwechsel laut Umfragen

Für Premierminister Morrison ist der Parlamentsentscheid eine massive Niederlage. Seit gut 80 Jahren hatte keine Regierung mehr eine derartige Schlappe eingesteckt. Beobachter glauben aber nicht, dass dies ein erster Schritt auf dem Weg zu einer menschlicheren Flüchtlingspolitik ist. Stattdessen droht ein von Xenophobie und Polemik dominierter Wahlkampf. Umfragen zufolge dürfte die konservative Regierungskoalition die Macht an die Laborpartei verlieren, wenn sie sich voraussichtlich im Mai den Wählern stellt.

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind aber wirksame Waffen in der australischen Politik. Schon 2001 hatte es so ausgesehen, als ob die damalige konservative Regierung von Premierminister John Howard die Macht verlieren würde. Dann erschien ein mit schiffbrüchigen, mehrheitlich muslimischen Flüchtlingen beladener Frachter. Howard ließ das Schiff stürmen, warnte davor, dass sich unter den Asylsuchenden Terroristen befinden könnten, und deportierte die Flüchtlinge in Internierungslager. Kurze Zeit später wurde er mit solidem Ergebnis wiedergewählt. (Urs Wälterlin aus Canberra, 13.2.2019)