Zum 69. Mal fand heuer das Filmfestival in Berlin statt.

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Die Berlinale hat als Filmfestival eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Das ist gut und richtig – genauso wie die daran ansetzenden Diskussionen. Das gilt besonders für die Sektion "Generation 14 plus", die sich primär um Jugendliche von 14 bis 25 Jahren dreht, also um die Generation Z: Sie beginnt den Arbeitsmarkt zu erobern und führt bei Unternehmen mit ihrer Andersartigkeit zunehmend zu einer Mischung aus Faszination plus Unsicherheit.

Filme können helfen, Realität zu verstehen und mit ihr umzugehen. Sie können auch politisch eingesetzt werden, um die Realität zu verändern. Letzteres versucht die Berlinale bei "Generation 14 plus": Bereits 2016 setzte die Sektionsleiterin Maryanne Redpath mit der Aufführung von "Las Plantas" einen nicht zu überhörenden Paukenschlag: In diesem Film geht es um die 17-jährige Florencia, die sich in einem schwülen chilenischen Sommer mit ihrer Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt.

Männer spielen keine relevante Rolle

Es gibt den alkoholkranken Onkel, dann einen sexuell von ihr abhängigen alten Mann und ihren älteren Bruder. Der liegt im Wachkoma, Florencia wechselt die Windeln, liest ihm vor. Florencia macht keinen glücklichen Eindruck. Sie muss sich zur modernen Leistungsgesellschaft bekennen und auf Leichtigkeit, Spaß und Lebensfreude verzichten. Das ist die Botschaft von "Las Plantas" und den anderen Filmen aus der Generationen-Sektion an die jungen Frauen im Publikum.

Nur kommt diese Botschaft bei den jungen Frauen der Generation Z nicht an: "Ein Mädchen, das sich selber findet. Darum geht es in jedem Scheißfilm, der hier im Programm läuft." So fasste eine junge Besucherin diese Ideologie auf der Berlinale 2016 zusammen, nach der jungen Mädchen mit erhobenem Zeigefinger erklärt wird, wie sie sich in dieser Welt verhalten müssen.

Weibliche Perspektive

2019 steht diese explizit als neofeministische Perspektive bezeichnete Botschaft sogar im Programmheft: "Wild entschlossene Frauen, vor und hinter der Kamera; ein breites Spektrum weiblicher Perspektiven prägen das Programm. Sie nehmen ihr Schicksal in die Hand, gegen Widersprüche und Widerstände." Auf der "Berlinale Generation 14 plus" drehten sich von den 14 Langfilmen gerade einmal zwei Filme um Männer – und auch dies nur in einer stereotypisierenden Form, einmal als Boxer, einmal als überforderter Vater. Alles andere sind Filme über Frauen: von Zwangsprostitution über Schwangerschaft und Beziehungsproblemen bis zur Phallusschnitzerin im Himalaja.

Besonders extrem: Jennifer Reeder, angekündigt als kämpferische Feministin, die am besten die Logik der Filmauswahl verkörpert. In ihrem Film "Knives and Skin" inszeniert sie als Abklatsch von "Twin Peaks" das Verschwinden einer Schülerin, ergänzt um die üblichen negativen Männer-Bilder. Über diese einseitig feministische Ideologie, die Sektionsleiterin Maryanne Redpath und letztlich auch der Festival Leiter Dieter Kosslick vertreten, kann man im Feuilleton trefflich streiten. Man kann aber auch ins Grübeln geraten, wenn es um die Übertragung auf die Generation Z in der Arbeitswelt geht.

Und die jungen Männer?

Zunächst einmal ist es für die jungen Männer der Generation Z irritierend, dass sie praktisch nicht vorkommen. Dieses Schicksal erleiden sie auch in manchen Schilderungen der Arbeitswelt, die eher die Frauenkarrieren "als Vorbild" in den Mittelpunkt rücken. Das Wort "erleiden" ist nicht ganz richtig. Die männlichen Vertreter der Generation Z haben überhaupt kein Problem damit, nicht im Scheinwerferlicht zu stehen.

Hier ist die empirische Faktenlage eindeutig: Die Generation Z will die Kämpfer-Rolle nicht akzeptieren, sondern Sicherheit, Struktur, Wohlfühlen und sich in Ruhe selbst verwirklichen. Die Frauen der Generation Z wollen das alles eher noch extremer und lehnen kategorisch das ab, was die Filme der Generation 14 plus (im Einklang mit der aktuellen Wirtschaftspolitik) von jungen Menschen auf der Berlinale verlangen.

Kein Geschlechterkampf

Die für die Berlinale ausgewählten Filme der Sektion Generation 14plus treffen damit nur begrenzt den Kern der Generation Z und die Botschaft mit dem erhobenen Zeigefinger überhaupt nicht das Interesse der Frauen der Generation Z. Trotzdem kann die Arbeitswelt im Umkehrschluss wichtige Botschaften von der Sektion Generation 14plus 2019 ist mitnehmen: So passen die Frauenförderungsprogramme, bei denen Frauen lernen, sich noch dominanter als Männer in der Arbeitswelt durchzusetzen, auf keinen Fall in das Weltbild der Generation Z. Sie interpretiert das Berufsleben nicht als Geschlechterkampf, schon alleine weil sie "Geschlecht" viel differenzierter sieht.

Auch eine Arbeitswelt, die Angst fördert und auf Dystopie basiert ("Digitalisierung als Tsunami") , ist keine Kommunikationsbasis für die Generation Z. Stattdessen kann man sich vom wunderbaren Film "We are little Zombies" von Makato Nagahisa inspirieren lassen, der als Exot bei Generation 14 plus lief und die bunte Welt der Generation Z so zeigt, wie die jungen Menschen ihre Entwicklung sehen: Von sich, für sich und ganz sicher nicht gegen andere. (Christian Scholz, 15.2.2018)