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Der rumänische Präsident Klaus Iohannis (li) musste im Vorjahr die Abberufung der geschassten Leiterin der Anti-Korruptionsbehörde Laura Kövesi (re.) unterzeichnen.

Foto: AP/Vadim Ghirda

Die politische Technik hat in Rumänien eine lange Geschichte: Wenn man den "Feind" nicht politisch oder juristisch fertigmachen kann, diskreditiert man ihn. Genau das wird gerade mit der ehemaligen Leiterin der Antikorruptionsbehörde DNA, Laura Kövesi, versucht. Die Juristin, die vergangenes Jahr geschasst wurde, hat sich für das Amt des Generalstaatsanwalts bei der Europäischen Staatsanwaltschaft beworben. Wenn sie den Job bekommen sollte, bringt sie aber gehörig das Narrativ durcheinander, an dem die rumänische Regierung seit Jahren bastelt: Kövesi sei Teil eines korrupten verschwörerischen Netzwerks von Juristen und Geheimdienstlern, die ungerechtfertigt Politiker hinter Gitter bringen wollten.

Am Mittwoch hat die neue Sonderermittlungsbehörde gegen Kövesi Untersuchungen eingeleitet. Ihr wird der Vorwurf gemacht, dass sie einen Politiker beauftragt habe, die Flugkosten für die Überstellung eines Straftäters zu bezahlen. Kövesi spricht von einem "missbräuchlichen" Verfahren und einem "Denkzettel" für ihre Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen ihre Abberufung.

Sogenannte Sozialdemokraten

Für die regierenden sogenannten Sozialdemokraten (PSD) ist Kövesi ein Störfaktor. Bei der PSD handelt es sich um eine Klientelpartei, deren Macht auf den Bürgermeistern in den ländlichen Gemeinden beruht. 55 Prozent der Bürgermeister in Rumänien gehören ihr an, die Partei versucht sie vor allem mit Geld und Posten zufriedenzustellen. Zurzeit gibt es allerdings finanzielle Engpässe, und die Bürgermeister sind unzufrieden, die politische Lage deswegen gespannt.

Die PSD ist zudem eine nationalistische Partei. Nach dem Beitritt zur EU wurde ihre Rhetorik aggressiver. Dabei spielen Medien, die von der Partei kontrolliert werden – insbesondere der Sender Antena Drei –, eine tragende Rolle. Während aber noch bis zum Jahr 2015, unter der Regierung von Victor Ponta, vernünftige Wirtschaftspolitik gemacht und Korruption bekämpft wurde, dominiert nun der Populismus. In den letzten zwei Jahren wurde mit Gesetzesänderungen per Notdekret die Justiz unter politische Kontrolle gebracht, auch der Verfassungsgerichtshof.

Fehlender Mut auf europäischer Ebene

Der Dekan der Fakultät für Politikwissenschaft an der Uni Bukarest, Cristian Pârvulescu, kritisiert die fehlende Reaktion der der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) im EU-Parlament, zu der die PSD gehört. "Die Parteienfamilie hat nicht den Mut, die PSD zu isolieren. Dasselbe macht die EVP mit der ungarischen Fidesz, obwohl alle wissen, dass die die PSD und die Fidesz die EU-Werte nicht akzeptieren."

Die einzige, die bislang auf den Angriff auf die unabhängige Justiz in Rumänien reagiert hat, ist die Gruppe der Liberalen im EU-Parlament, die die rumänischen Liberalen, die in der Regierung sitzen, loswerden will. Just während der EU-Ratspräsidentschaft verbreiten Teile der Regierung die alte, bereits im Kommunismus vorhandene Verschwörungstheorie, wonach der Westen, nun die EU, gegen Rumänien konspirieren würde. Begleitet wird diese massive Propaganda durch antiliberale und autoritäre Haltungen.

Schlechte Umfragewerte

Die Vorgangsweise der PSD hat aber auch mit den schlechten Umfragewerten (zurzeit um die 30 Prozent) und den nahenden Wahlen zu tun: In den nächsten eineinhalb Jahren wählen die Rumänen ihre EU-Vertreter, einen Präsidenten oder eine Präsidentin und ein neues Parlament. Das macht die PSD sichtlich nervös. Deshalb versucht sie alles zu tun, um ihre Vertreter überall zu installieren – mit tiefgreifenden Folgen für die Gesellschaft. "Vor allem inkompetente Leute, die aus der Lokalpolitik kommen, fühlen sich leicht angegriffen und sehen überall nur Feinde", sagt der Politikanalyst Radu Magdin.

In einem Land, in dem der Unterschied zwischen Arm und Reich, zwischen denen, die Privilegien genießen, und den komplett Ausgegrenzten derartig groß ist, ist die Sozialpolitik entscheidend. Tatsächlich hat nur die PSD die extrem kleinen Pensionen und die Gehälter angehoben, die kaum zum Überleben reichen. Menschen mit wenig Bildung und großer sozialer Not ist es angesichts solcher Maßnahmen egal, was die Partei sonst noch macht. Rechtsstaatlichkeit ist für viele ohnehin ein abstrakter Begriff. Radu meint, dass die PSD sich hauptsächlich an den Umfragen orientiere und keine Ideologie verfolge wie etwa die Rechtspopulisten in Polen oder in Ungarn.

Präsidentschaftswahl im Herbst

Bei der Präsidentenwahl im Herbst könnte der wegen Amtsmissbrauchs verurteilte Parteichef Liviu Dragnea antreten. Er wird in der Partei akzeptiert, weil er für die Geldbeschaffung und die Geldverteilung sorgt. Der Taktiker, der auch bei der Inauguration von Donald Trump war, geht bisher eindeutig als Gewinner aus dem Kampf gegen die Antikorruptionsbehörde hervor. Er pflegt auch beste Beziehungen zum autoritär gesinnten Premier des Nachbarlandes Ungarn, Viktor Orbán.

Seit geraumer Zeit fällt die Regierung auch mit einem antieuropäischen Diskurs auf: Brüssel habe nicht das Recht, Rumänien zu sagen, was es zu tun habe, heißt es immer wieder. Wegen dieser Anti-EU-Rhetorik sei schließlich auch kurz vor der Ratspräsidentschaft der EU-Minister Victor Negrescu zurückgetreten, erklärt die Politologin Miruna Butnaru-Troncotă.

Wahlbeteiligung entscheidend

Entscheidend wird sein, wie viele Leute zur Wahl gehen – je höher die Beteiligung ist, desto mehr Chancen hat der amtierende Präsident Klaus Iohannis. Auffallend ist der Grad an Unverschämtheit und Aggressivität, den die PSD nun an den Tag legt. So fand sich zur Eröffnung der EU-Präsidentschaft im Konzertsaal Athenäum in Bukarest Anfang Jänner auch der wegen Korruption verurteilte Ex-Premier Adrian Năstase ein – er stand nicht weit entfernt von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Doch es wäre naiv zu glauben, dass nur die PSD eine unabhängige Justiz bekämpft – auch die allermeisten anderen Parteien haben in erster Linie die Absicht, ihre – oft wirtschaftlichen – Interessen umzusetzen. Die Antikorruptionsbehörde hat auch gegen viele Politiker anderer Parteien ermittelt und sie der Korruption überführt. Deswegen sind in Rumänien fast alle – außer die wache Zivilgesellschaft – gegen Kövesi. (Adelheid Wölfl aus Bukarest, 14.2.2019)