Wohin nur mit all unseren Verhaltensauffälligen? Klaus Eckel besingt am Keyboard auch die faden Zeitgenossen.

Ernesto Gelles

Über die Frage, ob es besser ist, Politik nach den Gesetzen der Leidenschaft oder jenen der Vernunft zu betreiben, wird seit Platon nachgedacht. Doch aus den "Philosophenkönigen", die dem alten Griechen noch als Ideal vorschwebten, sind heute "Kanzler der Herzen" geworden. Klaus Eckel stößt sich daran. Er hätte lieber "Kanzler fürs Hirn".

Es ist ein weites Feld, das der derzeit gefragteste Kabarettist Österreichs in seinem neuen Programm mit dem Titel Ich werde das Gefühl nicht los beackert. Mit dem Nachfolger des immer noch laufend ausverkauften Hits Zuerst die gute Nachricht (2016) verhält es sich wie mit dem schwierigen zweiten Album nach dem Durchbruch eines Popstars: Die Fallhöhe ist entsprechend hoch.

Wo der Dalai Lama "haß" geht

Doch Klaus Eckel fällt nur minimal. Auch diesmal versteht es das 44-jährige Plappermaul mit dem tiefstapelnden Gemüt, seinen Redeschwall sicher ins Ziel zu bringen. Das Programm pendelt bei der Erörterung des Gefühlsproblems zwischen zwei gegensätzlichen Polen: Mit wem, fragt Eckel, würden wir lieber Zeit verbringen? Mit Pippi Langstrumpf – der rotzfrechen Anarchistin, der jede Sekunde eine neue Schnapsidee in den Sinn kommen kann? Oder doch mit Mr. Spock – dem Großmeister der Leidenschaftslosigkeit, bei dem selbst ein geübter Affektkontrollierer wie der Dalai Lama zum "Haßgeher" würde? Der Oberbuddhist übrigens könne froh sein, dass er keine Kinder hat, meint Eckel: "sonst wäre er in zwei Wochen Jihadist".

Hymne auf die Faden

Wir sehen also: Eckel führt keinerlei Feldzug gegen die Leidenschaften, vielmehr zeigt er Verständnis für so manchen Gefühlsausbruch. Was dem Kabarettisten aber nicht passt, ist, wie Politik und Wirtschaft Affekte schüren und ausnützen: Da geht es um Populismus, um Neuromarketing, das bei Menschen Scheinbedürfnisse weckt, oder um an die Gefühlswelt appellierende Leitsätze der Arbeitswelt: "Warum", fragt Eckel, "muss heute jeder Job eine 'Herausforderung' sein? Wollen Sie einen Piloten, für den die Landung eine Herausforderung ist?"

Das sitzt, wie so vieles in diesem Programm, bei dem die Aufmerksamkeitsspanne nur selten durchhängt. Und wenn, dann darf auch das sein: In seiner Hymne auf die Faden, die Eckel am Keyboard vorträgt, lobt er all jene Verhaltensunauffälligen, die das ganze Werkl am Laufen halten – und dafür von den Auffälligen mit Ignoranz bestraft werden. Kluges Kabarett. (Stefan Weiss, 15.2.2019)