Die weltweite Artenvielfalt hat viel mit der Umwelt zu tun, in der die Evolution stattfindet. Das gilt vor allem für Säugetiere und Vögel: Distanzen und Barrieren wie Berge und Ozeane spielen dabei ebenso eine wichtige Rolle wie klimatische Bedingungen – Temperatur und Feuchtigkeit. Wie groß der Effekt dieser verschiedenen Faktoren ist, war aber bisher schwer zu bestimmen.

Ein internationales Forschungsteam um Bianca Saladin und Niklaus E. Zimmermann von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) hat nun einen Weg gefunden, den Einfluss der geografischen Distanz "herauszurechnen". So gelang es den Wissenschaftern, allein den Einfluss der Umweltbedingungen auf die Artbildung in Europa zu beleuchten, wie sie im Fachblatt "Nature Communications" berichten.

Besonders in kalten und feuchten Regionen traten dabei Unterschiede zwischen der Anpassungsfähigkeit verschiedener Tiergruppen zutage. Wechselwarme Wirbeltiere, also Amphibien und Reptilien, konnten sich offenbar erst spät in ihrer Evolution an kühle Bedingungen anpassen. "Umweltbedingungen stellen eine Barriere dar, und wechselwarmen Tieren fiel es offenbar schwerer, diese Barriere zu überwinden", sagte Saladin. Aus den einzelnen Arten, die es geschafft hatten, zweigten sich neue Arten ab. Alle wechselwarmen Wirbeltiere haben sich in feucht-kalten Gebieten aber nur wenig weiterverzweigt.

Anders bei den Warmblütern wie Säugetieren und Vögeln: Ihnen gelang der Sprung über diese ökologische Barriere viel früher in ihrer Evolution. Außerdem schafften es mehrere Arten unabhängig voneinander, sich kühle Lebensräume zu erschließen.

Dass die Fähigkeit, die eigene Körpertemperatur stabil zu halten, ein Vorteil in kalten Lebensräumen ist, ist zwar logisch, wurde aber laut Saladin bisher noch nicht für das Überwinden ökologischer Barrieren nachgewiesen. Grund dafür sei, dass der Einfluss von Kälte auf die Evolution der Arten bisher nicht entkoppelt von geografischen Einflüssen und im Umweltraum betrachtet wurde.

Interessant an der Methode ist, dass sich der Trick auch umdrehen lässt. "Wir können nun auch den Einfluss der Umweltbedingungen wegrechnen, um herauszufinden, welches Gewicht die Komponente Distanz hatte oder welche Rolle spezifisch eine Barriere wie ein Gebirge oder die Eiszeit spielten", erklärte Saladin. Die einzelnen Komponenten hinter der Entstehung der Artenvielfalt aufzuschlüsseln und ihre Effekte zu verstehen, sei besonders wichtig, gerade weil die Biodiversität derzeit weltweit dramatisch abnehme. (red, APA, 15.2.2019)