Der Kosmos bläht sich mit wachsender Geschwindigkeit auf, allerdings offenbar nicht gleichmäßig, was Astrophysiker vor ein Rätsel stellt.

Foto: Nasa/Esa/Hubble

Der Kosmos besteht überwiegend aus Elementen, die sich bisher jeglicher Beobachtung entzogen haben. All das, was wir selbst mit modernsten Beobachtungsinstrumenten wahrnehmen können, stellt offensichtlich nur einen winzigen Bruchteil dessen dar, was das Universum tatsächlich ausmacht. So lässt sich beispielsweise aufgrund der Masse der sichtbaren Sterne nicht erklären, warum Galaxien nicht einfach auseinanderdriften. Aktuelle Theorien postulieren daher eine unsichtbare Masse, die Dunkle Materie, deren Gravitationskraft dafür sorgt, dass die Sterneninseln ihre Form behalten.

Rätselhafte Dunkle Energie

Eine weitere bisher unerklärliche Kraft bewirkt, dass das Universum sich immer schneller ausdehnt. Für dieses beschleunigte Aufblähen des Weltalls wird im Rahmen des aktuell gültigen kosmologischen Standardmodells die Dunkle Energie verantwortlich gemacht. Die Quelle dieser Energie ist weitgehend unbekannt, immerhin zeigen bisherige Berechnungen, dass diese Dunkle Energie rund 70 Prozent des Energiegehalts des Universums ausmacht.

Wie schnell der Kosmos auseinanderfliegt, wird an der sogenannten Hubble-Konstante festgemacht. Tatsächlich ist diese Bezeichnung allerdings irreführend, denn der entsprechende Wert ist alles anderer als konstant. Misst man das Ausdehnungstempo des Kosmos in der Umgebung der Erde, kommt man auf 74 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec. Berechnet man die Hubble-Konstante jedoch aus der kosmischen Hintergrundstrahlung, ergibt sich eine Beschleunigung von nur 68 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec (ein Parsec entspricht 3,26 Lichtjahren).

Widersprüchliche Daten

Man könnte nun freilich davon ausgehen, dass eine der beiden Messmethoden für die Hubble-Konstante fehlerbehaftet sein könnte, womöglich sogar beide. Sollten jedoch tatsächlich beide Messwerte der Realität entsprechen, bleibt nur eine Möglichkeit übrig: Die Geschwindigkeit, mit der das Universum sich ausdehnt, nimmt nicht kontinuierlich zu, sondern die Beschleunigung zeigt ihrerseits eine dramatische Beschleunigung.

Nun aber haben Astronomen rund um Hiranya Peiris vom University College London eine auf Gravitationswellen basierende Methode vorgeschlagen, die das Rätsel um die divergierenden Werte der Hubble-Konstante endgültig lösen könnte. "Nach unseren Berechnungen liefern die Beobachtungen von Neutronenstern-Doppelsystemen in den nächsten Jahren genug Gravitationswellen-Daten, um einen unabhängigen und exakten Wert für die Hubble-Konstante zu erhalten", erklärt Hauptautor Stephen Feeney (Flatiron Institute in New York City) in der im Fachjournal "Physical Review Letters" erschienenen Studie.

Hilfreiche Gravitationswellen

Gravitationswellen werden unter anderem hervorgerufen, wenn zwei Neutronensterne eines Doppelsystems umeinander kreisen und schließlich miteinander kollidieren. Derartige dramatische Zusammenstöße verursachen wellenförmige Veränderungen in der Krümmung der Raumzeit, die unter anderem mit dem Gravitationswellendetektor Ligo in den USA nachgewiesen werden können.

"Nach unseren Berechnungen reichen 50 derartige Zusammenstöße von Neutronensternen aus, um genug Gravitationswellen-Daten zu sammeln. Aus diesen Messungen wird sich schließlich erstmals ein exakter Wert für die Hubble-Konstante ermitteln lassen", sagt Feeney. Etwas Geduld für die Lösung dieses kosmischen Rätsels werden wir allerdings noch aufbringen müssen: "Um die entsprechenden Kollisionsdaten zu sammeln, werden wir noch fünf bis zehn Jahre brauchen." (Thomas Bergmayr, 15.2.2019)