Benjamin Netanjahu bei der Nahost-Konferenz in Warschau über zukünftigen Frieden und Sicherheit im mittleren Osten.

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Eine Anti-Iran-Konferenz in Warschau, ein Gipfeltreffen der Präsidenten von Russland, der Türkei und des Iran zu Syrien in Sotschi, die Sicherheitskonferenz in München, zu deren Auftakt die Anti-IS-Koalition darüber berät, was der US-Abzug aus Syrien für den Kampf gegen den "Islamischen Staat" bedeutet: Die Zukunft des Nahen Ostens, dessen Zivilgesellschaften vor acht Jahren gegen ihre autoritären Regimes aufstanden, wird außer auf Schlachtfeldern an Konferenztischen verhandelt.

Und zwar ausschließlich von Staaten, unter dem Gesichtspunkt alter staatlicher Konzepte: Die Themen der menschlichen Sicherheit, zu denen Nahrung, Gesundheit, Bildung, aber auch politische Partizipation und Freiheit gehören, werden höchstens als Argumente in die Schlacht geworfen. Das ist keine Metapher, sondern wortwörtlich gemeint. Ein Lapsus von Israels Premier Benjamin Netanjahu zum Auftakt des Warschauer Treffens belegt das: Auf Twitter bewarb er sein Treffen mit "Vertretern führender arabischer Länder, die sich mit Israel hinsetzen, um das gemeinsame Interesse eines Kriegs mit dem Iran voranzutreiben". Der "Krieg" wurde später in das um Nuancen defensivere "Bekämpfung" umgewandelt.

Nun ist Netanjahus Rhetorik zweifellos auch dem Wahlkampf in Israel geschuldet. Aber das ändert nichts am rein militärischen Konzept dieses Sicherheitsdenkens, wenngleich Kriege heute auch mit anderen Mitteln – etwa im Cyperspace – geführt werden. Ein Staat sucht nach Allianzen mit anderen Staaten, sogar solchen, mit denen er sich technisch im Kriegszustand befindet, um einen anderen zu "bekämpfen". Und spricht von Sicherheit und meint – die eigene – Hegemonie. Ja, genau, was auch der Iran in der Region in höchstem Maß tut. Aber mit einem Partner wie Saudi-Arabien auf der Anti-Iran-Seite wird die Behauptung, es handle sich um einen Konflikt "freie gegen unfreie Welt", problematisch. Wie bei manchen Allianzen im früheren Kalten Krieg.

Um Hegemonie geht es auch bei den Verhandlungen um Syrien. Russland spricht im Namen von "Damaskus". Dort sitzt jedoch einer, der nur dank seiner externen Partner überlebt hat – neben Russland der Iran, der sein Lied von der "Achse des Widerstands" spielt. Die Türkei, die auf das falsche Pferd gesetzt hat, versucht hundert Jahre nach dem Ende des Osmanischen Reichs etwas von der strategischen Tiefe zurückzugewinnen, die sie damals verlor. Das hat mit der PKK und deren regionaler Ausstrahlung zu tun, aber nicht nur.

Um Syrien wird gefeilscht, nein, nicht wie im Bazar, sondern eher wie in Jalta 1945. Das wirklich Bemerkenswerte ist, dass die USA nicht mehr dabei sind. Die Vertreter eines Minimums von israelischen Interessen bei diesen Verhandlungen sind die Russen, wie die häufigen Reisen Netanjahus nach Moskau belegen.

Die PKK wurde schon genannt: Vielleicht ist der Rückfall in eine Sicherheitspolitik alten Stils – auch wenn viel mehr Staaten auf regionaler Ebene mitspielen als früher – gerade eine Reaktion auf das Aufkommen so vieler nichtstaatlicher Akteure. Die Grenzen zwischen staatlich und nichtstaatlich verschwammen beim IS: Nun hat er sein Land verloren, aber es gibt ihn immer noch. Militärisch wird ihn die Anti-IS-Allianz nicht vom Haken lassen. Aber alle Probleme in den nahöstlichen Gesellschaften, die zu seinem Siegeszug geführt haben, bestehen weiter. Und keiner redet darüber. (Gudrun Harrer, 15.2.2019)