Die Muttergottes wird es leider nicht richten: Bauer Rott (Raphael von Bargen) bekennt sich zu seinem Glauben.

Foto: Moritz Schell

Die Worte kratzen im Ohr. Sie sind rau und widerborstig und fallen wie schwere Steine auf den Boden. Das, was gesagt wird, verhüllt mehr als das, wofür man keine Worte hat. Weder finden die Menschen des Karl Schönherr die richtigen Worte füreinander noch für das, was rings um sie herum geschieht.

Nur selten findet Glaube und Heimat (1910) des Tiroler Schollendichters seinen Weg auf heutige Bühnen. In seiner Zeit einer der meistgespielten Dramatiker und ähnlich populär wie Arthur Schnitzler, verblasste sein Stern außerhalb der deutschsprachigen Alpentäler bereits in den 1920ern. Seine ohne Widerstand erfolgte Eingemeindung durch die Nazis erledigte den Rest. Wer ihn heute inszeniert, sollte gute Gründe dafür haben – so wie 2009 Martin Kusej, dessen existenzielle Schönherr-Lesart mit Birgit Minichmayr vor Kraft strotzte.

Knorriges Zirbenholz

Allerdings ist Der Weibsteufel etwas anders geschnitzt als Glaube und Heimat (auch dieses Drama inszenierte Kusej 2001 an der Burg). Aus knorrigem Zirbenholz bestehen zwar beide Stücke, aber während das eine das Psychogramm dreier ineinander Verstrickter liefert, beschreibt Schönherr in Glaube und Heimat nichts weniger als "die Tragödie eines Volkes", wie es im Untertitel heißt, zum Thema. In dem zur Zeit der Gegenreformation spielenden Drama haben auf Geheiß des Kaisers Lutheraner innerhalb von zwei Tagen ihr karges Stück Heimat zu verlassen – oder dem vermeintlichen Irrglauben abzuschwören. Ein Glaubenskrieg.

In den Tiroler Bauernstuben des Zillertals, wo der Protestantismus im Heiligen Land Tirol ausnahmsweise Fuß fassen konnte, herrscht darüber dumpfe Verzweiflung. Der Glaube ist für die in der Josefstadt mit schweren Leinenstoffen bekleideten Bauersleut (Kostüme: Alfred Mayerhofer) genau so unverhandelbar wie die Heimat. "Kei Weg, kei Rat, kei Hilf" heißt es einmal im Stück, und das drückt ganz gut die Ausweglosigkeit dieser Figuren aus.

Antimoderne Schlagseite

Der Satz benennt aber auch die antimoderne Schlagseite des Schönherr-Stücks, dessen Figuren mehr mit dem antiken Tragödienpersonal eines Aischylos als mit der wandelbaren Psychologie heutiger Menschen zu tun haben. Selbst die zentralen Figuren, die drei Generationen der Bauernfamilie Rott, sind mehr Typen als Menschen aus Fleisch und Blut.

Das Josefstadt-Ensemble hat denn auch nicht wenig Mühe, ihnen auf der Bühne des honorigen Plüschtheaters zumindest ein wenig Leben einzuhauchen. Wie bei einer Torte hat Bühnenbildnerin Miriam Busch die Josefstädter Drehbühne in vier Teile mit je einer Bauernstube geteilt: samt Marienbildern und gestickten Heiligensprüchen an der Wand. Auch wenn sich die Bühne dreht, der Ausweglosigkeit ihrer Situation entkommen diese Figuren nicht.

Dramenschlinge

Im Gegenteil: Sie verstricken sich wie der Bauer Sandperger (Roman Schmelzer) immer weiter in ihr Unheil. Als dessen Frau vom Reiter des Kaisers (Claudius von Strolzmann) "abgstochen" wird, bekennt sich auch Bauer Rott (Raphael von Bargen) zu seinem wahren Glauben. Damit zieht sich Schönherrs Dramenschlinge immer weiter zu.

Wie ein Don Quijote der Berge kämpft Schmelzer mit irren Augen gegen das Unvermeidliche an, wie eine gespannte Feder lehnt sich dagegen von Bargen gegen sein Los auf. Die beiden Schauspieler lassen erahnen, welche Wucht Schönherrs knorriges Personal bei einem forscheren Zugriff der Regie entfalten könnte.

Stephanie Mohr lässt es allerdings mit einigen halbherzigen Ideen bewenden. Die Schläge des Trommlers (Kyrre Kvam) gehen kaum unter die Haut, die chorischen Passagen wollen sich nicht so recht einfügen. Am Ende schultern die Vertriebenen hippe Rucksäcke und ganz heutige Plastiksackerln. Ein Fingerzeig, der reichlich spät kommt. (Stephan Hilpold, 15.2.2019)