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Der kleine Buchhalter, der in den inneren Kreis um US-Präsident Donald Trump vordrang: der Verleger David J. Pecker.

Foto: AP / Marion Curtis

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Genüsslich wird im "National Enquirer" in die Öffentlichkeit gezerrt, was Trumps Feinde stört.

Foto: AP / National Enquirer

Es ist schon eine Weile her, dass der National Enquirer seinen größten Coup landete: Es war der 2. Juni 1987, da prangte auf der Titelseite des grellen US-Boulevardblatts ein Foto, an dem die Höhenflüge eines politischen Hoffnungsträgers endgültig zerschellten.

Es zeigte Donna Rice, ein Model aus Miami, auf dem Schoß Gary Harts – eines US-Senators, der ursprünglich als Favorit ins Rennen der demokratischen Bewerber für die Präsidentschaftswahl 1988 gegangen war. Jene Wahl, die dann Bill Clinton gewann.

Hart, ein verheirateter Mann, trug ein T-Shirt mit dem Namen der Yacht, auf der die beiden von Florida aus Kurs auf die Bahamas genommen hatten: "Monkey Business". Aus dem Kandidatenwettlauf war er zwar schon drei Wochen zuvor ausgestiegen, nachdem der Miami Herald über die Romanze mit Rice berichtet und ihn die Washington Post mit dem Bericht eines Detektivs über seine Affäre mit einer Lobbyistin konfrontiert hatte.

Mit dem Schnappschuss auf dem Titel des Enquirer aber war endgültig durchkreuzt, was er zu dem Zeitpunkt noch an Hoffnungen auf ein Comeback gehabt haben mag. "Gary Hart bittet mich, ihn zu heiraten", stand in Balkenlettern neben dem Bild.

Sensationslust

Damals war der Enquirer noch ein echtes Schwergewicht im Reich der Regenbogenpresse. Zu seinen besten Zeiten, Ende der Siebziger, lag die Auflage bei sechs Millionen Exemplaren, während heute pro Woche nur noch rund 220.000 Hefte gedruckt werden.

Finanziell scheint die Lage prekär: Erst im Jänner musste sich das Unternehmen, das die Gazette herausgibt, 460 Millionen Dollar (408 Millionen Euro) borgen, um fällige Schulden begleichen zu können.

Noch einige Male gelang es der Redaktion, nach der Causa Hart für Aufsehen zu sorgen. 2007 schrieb sie etwa über eine Liebesbeziehung von Ex-Senator John Edwards zu einer gewissen Rielle Hunter, die er angeheuert hatte, um auf Wahlkampfreisen Videofilme zu drehen.

Im Frühjahr 2008 brachte Hunter ein Mädchen zur Welt – und als der Enquirer den Vater enthüllte, verwahrte sich Edwards mit forschen Dementis gegen die "Unterstellungen". Die sich dann allerdings als wahr erwiesen.

Auch über Donald Trump hatte das Blatt in den Neunzigern noch Geschichten im Repertoire, denen man zwar die Sensationslust anmerkte, nicht aber die spätere Neigung, ihm ausnahmslos alles durchgehen zu lassen.

Der schlagzeilensüchtige Immobilienunternehmer aus Queens lieferte reichlich Stoff für schräge Zeilen, an denen er offenbar selber Gefallen fand. Hauptsache, sein Name blieb im Gespräch. Im Enquirer las man Storys wie: "Geliebte betrügt Donald mit Tom Cruise." Schrill, doch das Blatt biederte sich nicht an – noch nicht.

Trump, das Idol

Das änderte sich, als 1999 David J. Pecker den Verlag America Media Inc. (AMI) übernahm, das Verlagshaus, unter dessen Dach neben dem Enquirer Klatschblätter wie Star, Globe und OK! erscheinen. Pecker, einst als Buchhalter ins Mediengeschäft eingestiegen, himmelte Trump an – woran sich bis heute nichts geändert hat.

Das liegt weniger an seinen politischen Ansichten; was Politik angehe, sagen Leute, die ihn gut kennen, sei er flexibel. Was ihn allerdings fasziniere, sei die Aura von Stars, denen es gelingt, über Jahre im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Trump, mit seinem Geld, seinen Frauen, seinem Glamour, war einer, zu dem der Verleger aufsah wie zu einem Idol.

Um in seine Nähe zu kommen, wurde Pecker 2003 zahlendes Mitglied im Mar-a-Lago, dem Strandklub des Baulöwen in Palm Beach. Zwei Jahre später gehörte er schon zum illustren Kreis der geladenen Gäste, als Trump dort das Model Melania Knauss heiratete. Später, mit Beginn des Präsidentschaftsduells 2016, machte er aus dem Enquirer eine Art Trump-Prawda, wie Spötter anmerkten – nur eben bunter als das Zentralorgan der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Um Hillary Clinton, der Kontrahentin seines Helden, zu schaden, ließ Pecker selbst die absurdesten Gerüchte zu Titelzeilen verdichten.

Lügen, Lügen, Lügen

Einmal wurde Clinton eine tödliche Krankheit angedichtet: Sie werde es allein schon deshalb nicht bis ins Weiße Haus schaffen, weil sie nur noch sechs Monate zu leben habe. Behauptete der Enquirer gut ein Jahr vor dem Votum. Im Frühjahr 2016 empfahl das Blatt Trump ausdrücklich zur Wahl – es war das erste Mal in dessen 90-jähriger Geschichte, dass es sich auf einen Kandidaten festlegte.

Um Ted Cruz, Trumps damals härtesten Vorwahlkontrahenten, in Verlegenheit zu bringen, setzte man das Gerücht in die Welt, Cruz' aus Kuba stammender Vater könnte mit Lee Harvey Oswald, dem Mörder John F. Kennedys, unter einer Decke gesteckt haben. An den Haaren herbeigezogen, wie man heute weiß und schon damals ahnte.

Schließlich kaufte AMI eine Story der Playmate-Schönheit Karen McDougal, die eigenen Angaben zufolge Sex mit Trump gehabt hatte. Auf Anweisung Peckers soll ihr der Verlag 150.000 Dollar gezahlt haben – aber nicht, um ihre Geschichte zu drucken, sondern von vornherein in der Absicht, sie ad acta zu legen. In der Branche heißt das "catch and kill". Man fängt etwas, um es gleich zu begraben. Seinem Freund Trump, nach einem geleakten Videomitschnitt mit abfälligen Bemerkungen über Frauen unter Druck geraten, wollte Pecker kurz vor der Wahl weitere Peinlichkeiten ersparen.

"Jeff, der Depp"

Angesichts der Vorgeschichte war es nur folgerichtig, dass der Enquirer nun auch Jeff Bezos ins Visier nahm. Mit dem Gründer des Online-Kaufhauses Amazon liegt Trump über Kreuz, seit dieser 2013 die Washington Post erwarb und vor dem Niedergang bewahrte. Sie knüpfte wieder an ihre alte Größe an, symbolisiert durch Reporter wie Carl Bernstein oder Bob Woodward.

Die Zahl ihrer Journalisten hat die Post auf mehr als 800 aufgestockt, und Bezos hat ordentlich sowohl in Technologie als auch in investigative Rechercheteams investiert. Geht es um Enthüllungen aus dem Innenleben des Weißen Hauses, kann sie der großen Konkurrentin, der New York Times, inzwischen wieder Paroli bieten.

Der Präsident sieht in alledem eine Kampagne der "Fake-News-Medien" und ihrer politischen Verbündeten, die sich in seinen Augen nicht damit abfinden können, dass er im Oval Office regiert. In seinen Tweets spottet er mal über die "Amazon Post", mal über "Jeff Bozo": Jeff, den Deppen. Parallel dazu machte vor wenigen Wochen der Enquirer eine außereheliche Beziehung Bezos' mit Lauren Sánchez, einst Gastgeberin einer Fernseh-Tanzshow, publik.

Bezos versuchte herauszufinden, wie das Blatt Wind davon bekommen konnte. Folgt man seiner Darstellung, drohte Pecker in einer Art Konter damit, Nacktfotos des Milliardärs zu veröffentlichen, sollte dieser seine Nachforschungen nicht einstellen. Ein Erpressungsversuch, den wiederum Bezos publik machte, statt sich hinter den Kulissen auf einen Deal mit AMI einzulassen.

Glatte Erpressung

Mit welchen Methoden Peckers Postille arbeitet, mag ein Kapitel illustrieren, das zwar eher Insider als ein breites Publikum interessiert, gleichwohl aber Bände spricht: Es handelt von Mika Brzezinski – sie ist die Tochter von Zbigniew Brzezinki, dem Sicherheitsberater des Präsidenten Jimmy Carter – und von Joe Scarborough, einem früheren republikanischen Kongressabgeordneten. Seit Jahren bilden sie das Moderatorengespann, das im Frühstücksmagazin des linksliberalen Nachrichtensenders MSNBC in den Tag führt.

Als Trump mit nahezu täglichen Auftritten die Berichterstattung der Medien bestimmte (und ihm selbst kritische Kanäle wie MSNBC wegen der Einschaltquoten bereitwillig eine Bühne boten), ließ er sich dort des Öfteren live zuschalten. Aus dem anfangs fast kumpelhaften Ton wurde später, nach dem Wahlsieg des vermeintlichen Außenseiters, eine erbitterte Fehde.

Prompt nahm der Enquirer das Privatleben der inzwischen miteinander verheirateten, damals noch mit anderen Partnern vermählten Moderatoren unter die Lupe. Irgendwann, so erzählt Scarborough, sollen Anrufer aus Trumps Umfeld die beiden aufgefordert haben, zum Hörer zu greifen, um beim Präsidenten Abbitte für frostige Kommentare zu leisten. Er werde dann Gnade walten lassen und dafür sorgen, dass die Story in den Schubladen verschwindet. (Frank Herrmann, 17.2.2019)