US-Präsident Donald Trump setzt im Kampf um die Mittel für seine Mauer zu Mexiko auf Eskalation. Mit großem Widerstand gegen seine Pläne musste er rechnen. Die US-Gerichte sind nun am Zug

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Es dauerte nur ein paar Stunden, bis sich der US-amerikanische Präsident Donald Trump mit der ersten Klage gegen den von ihm ausgerufenen Notstand konfrontiert sah. Álvarez gegen Trump heißt der Fall, mit dem sich ein Bundesgericht in Washington demnächst befassen muss.

Nayda Álvarez, Besitzerin einer kleinen Parzelle in La Rosita, einer Siedlung am texanischen Ufer des Rio Grande, will verhindern, dass ihr privates Grundstück von einer Mauer zerteilt wird – oder einem Stahlzaun, was immer es letztendlich dann tatsächlich wird.

Haus an der Mauer

Wie diese Teilung ihres Landes konkret aussehen würde, lässt sich in nüchterner Prosa in der Klageschrift nachlesen, verfasst von Public Citizen, einer Organisation, die einst vom Verbraucherschutz-Anwalt Ralph Nader gegründet wurde, um die Rechte von Konsumenten durchzusetzen. 200 Fuß, rund 60 Meter, sind es nur von Alvarez’ Haus, von dessen Rückseite, um exakt zu sein, bis zum Fluss. Da die Barriere, wie Trump sie bauen lassen möchte, nicht direkt am erosionsgefährdeten Flussufer stehen kann, kann sie nur in nächster Nähe des Hauses errichtet werden. Acht, vielleicht sogar zehn Meter hoch, wie es an bereits abgeschotteten Abschnitten der Grenze der Fall ist, würde sie das Grundstück drastisch entwerten.

Nayda Álvarez würde sich vorkommen wie in einem Hochsicherheitstrakt. Ein Teil ihrer Parzelle läge künftig im Niemandsland, der Blick auf den Fluss wäre natürlich auch ruiniert. "Was soll ich tun? Noch einmal ganz vorn anfangen?", hat sie ihrem Unmut auf Twitter bereits Luft gemacht. Ein neues Haus kaufen? Einen Kredit aufnehmen? Auf Jahre hinaus Schulden abstottern? "Soll ich arbeiten, bis ich achtzig bin?"

Sorge um Artenschutz

Neben der Lehrerin aus La Rosita sind es zwei weitere Parzellenbesitzer sowie eine texanische Zweigstelle der Audubon Society, der Vogelschutzgesellschaft, die Klage eingereicht haben. Letztere fürchtet um ein Schutzgebiet für Vögel in einem Korridor am Rio Grande, das Hobby-Ornithologen aus dem ganzen Land anzieht.

Auch Kalifornien wird gegen das Weiße Haus vor Gericht ziehen, wie der demokratische Gouverneur des Bundesstaats bereits angekündigt hat. "Das ist kein nationaler Notstand, das ist eine nationale Schande", kommentiert Gavin Newsom das Mauerdekret. Trump wiederum hatte darauf verwiesen, dass seine Vorgänger im Amt seit 1976, seit der Kongress per Gesetz definierte, welche Notstandsvollmachten der Staatschef hat, bereits 58-mal von jenen Vollmachten Gebrauch gemacht haben. Tatsächlich gibt es in dieser Zeit keinen US-Präsidenten, der nicht mindestens einmal einen nationalen Notstand ausgerufen hätte, in aller Regel, um auf tatsächliche oder vermeintliche Gefahren aus dem Ausland zu reagieren.

Notstand unter Vorgängern

Jimmy Carter machte 1979 den Anfang, als er Guthaben der iranischen Zentralbank einfrieren ließ, nachdem radikale Studenten die US-Botschaft in Teheran gestürmt und Diplomaten als Geiseln genommen hatten. Ronald Reagan verbot per "National Emergency" den Handel mit Nicaragua, dessen sandinistische Regierung er zu stürzen versuchte. George Bush senior kappte die Bande zum Irak, nachdem Truppen Saddam Husseins im Nachbarland Kuwait einmarschiert waren. Bill Clinton stoppte den Import von Roh diamanten aus Sierra Leone, mit dem Ziel, die wichtigste Geldquelle einer Rebellenarmee, die gegen die Regierung des westafrikanischen Landes kämpfte, auszutrocknen.

Nach den Terrorangriffen am 11. September 2001 verfügte George W. Bush, dass die militärischen Einheiten der National garde, den einzelnen Bundesstaaten unterstellt, auch nach Übersee beordert werden können. Auf dieser Grundlage wurden sie bald darauf nach Afghanistan und in den Irak entsandt. Barack Obama proklamierte den Notstand, um ohne Zeitverzug die Schweinegrippe möglichst effizient bekämpfen zu können. Später tat er es in der Absicht, die Finanzströme grenzübergreifend operierender Kartelle zu unterbrechen, darunter Drogenschmuggler der mexikanischen Los Zetas, der italienischen Camorra und der japanischen Yakuza. Die Anweisung ist noch heute in Kraft, wie etwa die Hälfte aller per Notstand verfügten Restriktionen.

Verfassungskrise möglich

Donald Trump allerdings tut etwas, was sich noch keiner seiner Vorgänger traute: Er greift zur Notstandskeule, um ein wahltaktisches Projekt zu finanzieren, dessen Finanzierung das Parlament in Washington zuvor abgelehnt hatte. Haushaltsmittel gegen den Willen der Legislative zu erzwingen, das rüttelt an einem Eckpfeiler der amerikanischen Staatsarchitektur. (Frank Herrmann aus Washington, 17.2.2019)