Ein Bild aus besseren Zeiten: Polens Premier Morawiecki und Israels Premier Netanjahu trafen sich noch vor wenigen Tagen in Warschau.

Foto: Michael Sohn

Nach einer mehrtägigen diplomatischen Krise zwischen dem Gastgeberland Israel und Polen hat Premier Mateusz Morawiecki die Teilnahme seines Landes am Visegrád-Treffen abgesagt. Da für ein Treffen unter diesem Namen aber alle vier Visegrád-Staaten anwesend seien müssen, ist ein entsprechender Gipfel nicht mehr möglich. Stattdessen kommt es heute, Dienstag, nur zu einem Treffen zwischen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und den Premierministern der drei restlichen "V4"-Staaten Tschechien, Slowakei und Ungarn, teilte ein Sprecher des israelischen Außenministeriums am Montag mit.

Historischer Streitpunkt

Grund für die Absage Polens war eine Aussage des frisch ernannten israelischen Außenministers Israel Katz, die laut Morawiecki "rassistisch und inakzeptabel" sei und nicht unbeantwortet bleiben könne. In einem Fernsehinterview am Sonntag hatte Katz gesagt: "Wir werden niemals verzeihen und niemals vergessen, und es gab viele Polen, die mit den Nazis kollaboriert haben." Außerdem zitierte er den ehemaligen israelischen Premier Yitzhak Shamir mit den Worten, die Polen hätten den Antisemitismus mit der Muttermilch aufgesagt. "Keiner wird uns vorschreiben, wie wir uns ausdrücken und an unsere Toten erinnern."

Israels Botschafterin in Polen, Anna Azari, wurde nach der Ausstrahlung des Interviews einbestellt – das zweite Mal innerhalb weniger Tage. Bereits am Freitag musste sie im polnischen Außenministerium erscheinen.

Die diplomatische Krise zwischen Polen und Israel begann am Donnerstag bei der internationalen Nahost-Konferenz in Warschau mit einem umstrittenen Zitat von Israels Premier Netanjahu zu Polens Rolle im Holocaust. Von der englischsprachigen Zeitung Jerusalem Post wurde er mit den Worten zitiert, "die Polen haben mit den Nazis kooperiert" – was klang, als wäre damit das gesamte polnische Volk gemeint. Ein Zitierfehler der Journalisten, wie Netanjahu kurz darauf in einer Stellungnahme mitteilte. Gesagt hätte er nur "Polen", und gemeint gewesen seien damit einzelne Polen, nicht etwa das gesamte Volk.

Trotz der Klarstellung sagte Premierminister Morawiecki seine Teilnahme am Visegrád-Gipfel ab. Immerhin war zunächst geplant, dass stattdessen der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz nach Israel fliegt.

Zu dem Gipfel in Israel hatte Netanjahu bereits bei einem Treffen mit den V4-Staaten in Budapest im Jahr 2017 geladen. Beobachter sehen in der Annäherung Israels an die Visegrád-Gruppe den Versuch, die kritische Haltung der EU zu Israel aufzubrechen: Immer öfter distanzieren sich die vier Staaten von kritischen Stellungnahmen der EU hinsichtlich Israels Rolle und Verhalten im Nahostkonflikt. Stattdessen stellen sie sich aufseiten Israels, wenn es um Fragen von Einwanderung und Sicherheit geht.

Diplomatischer Druck

Anders sieht es beim Thema Holocaust aus: Hier geraten Polen und Israel nicht zum ersten Mal aneinander: Bereits 2018 hatte das umstrittene polnische Holocaust-Gesetz der von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gestellten Regierung in Warschau eine diplomatische Krise ausgelöst. Das Gesetz sah zunächst eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor, wenn dem polnischen Volk oder dem polnischen Staat "faktenwidrig eine Verantwortung oder Mitverantwortung für Verbrechen des Dritten Reichs" zugeschrieben wird. Nach diplomatischem Druck wurde diese Strafandrohung aus dem Gesetz gestrichen. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 19.2.2019)