Bis Muskeln sichtbar werden, muss viel trainiert werden. Wer dann mit dem Training aufhört, kann ihnen beim Abbau regelrecht zusehen.

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Ein Urlaub, eine langwierige Verkühlung, einige stressige Wochen im Büro: Es gibt Zeiten, in denen das regelmäßige Sporteln schwerfällt. Aus ein paar Tagen, an denen man es nicht ins Fitnessstudio oder in die Laufschuhe schafft, werden schnell einige Wochen. Und als wäre das schlechte Gewissen deswegen nicht genug, kann man dem Körper beim Abbau der mühsam erarbeiteten Muskulatur dann richtiggehend zuschauen.

Denn schon nach sieben bis zehn Tagen Trainingspause werden erste Anzeichen für den Schwund der Muskeln ersichtlich. "Und nach zwei Wochen ist die Veränderung bereits zu sehen", sagt der Sportwissenschafter Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln.

Schwieriger Wiedereinstieg

Zuerst geht es den weißen, mühsam auftrainierten Muskelfasern an den Kragen, während die roten Muskelfasern, die auch im Alltag benötigt werden, sich etwas langsamer abbauen. Der Muskelstoffwechsel verlangsamt sich so ganz ohne Training, der Muskeltonus – also die Spannung im Muskel – reduziert sich.

Nicht nur das: "Außerdem verkleben nun unterschiedliche Schichten der Muskulatur", erklärt Froböse. Auch das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskel verschlechtert sich. "Nach vier Wochen ist die Leistungsfähigkeit des Muskels schon deutlich reduziert", sagt Froböse.

Auch wenn die meisten über diese Verwandlung nicht glücklich sind, der Wiedereinstieg fällt trotzdem schwer. Denn längst sind sie aus der Trainingsroutine gefallen – die wöchentliche Laufrunde mit den Kollegen oder der Besuch im Fitnessstudio am Samstagvormittag wurde von anderen Terminen ersetzt.

Effektiveres Training

Die gute Nachricht: Umsonst war das Training trotzdem nicht. Denn auch wenn die Muckis geschrumpft sind, könnten sie sich noch an vergangene Leistungen erinnern. Der Wiedereinstieg wird dadurch zwar nicht einfacher, das Training könnte aber effektiver sein als bei gänzlich Untrainierten.

Warum das so ist, dafür gibt es unterschiedliche Theorien: Für Sportwissenschafter Froböse ist klar, dass die Muskulatur bei Menschen, die schon einmal trainiert haben, vom Gehirn sehr viel zielgerichteter angesteuert wird als bei Neulingen. "Die Bewegung ist also von Anfang an besser, der Effekt daher größer, und der Trainingsreiz kommt schneller zum Tragen", erklärt er.

Henning Wackerhage, Sportbiologe an der Technischen Universität München, geht davon aus, dass sich der Muskel selbst an seine frühere Leistung erinnert: Er erhöht durch Krafttraining die Anzahl der Zellkerne. Diese bleiben länger erhalten als die Muskelmasse – und sie beschleunigen laut Wackerhage "wahrscheinlich" die Anpassung, wenn das Training wiederaufgenommen wird. Das zeigt eine norwegischen Studie, die 2010 publiziert wurde.

Veränderung der DNA

Bei einer weiteren Studie wurden Mäusen anabole Steroide verabreicht, wodurch sich die Muskelmasse und die Anzahl der Zellkerne erhöhte. Nach einer mehrwöchigen Trainingspause war die Anzahl der Zellkerne immer noch erhöht – und die Mäuse bauten auch ungedopt mehr Muskeln auf. Das könnte laut den Studienautoren auch Konsequenzen auf die Länge von Dopingsperren im Profisport haben.

Noch einen Vorteil für Menschen, die schon einmal fit waren, sieht Wackerhage: Eine britische Studie hat im Jahr 2018 gezeigt, dass durch Krafttraining das Cytosin – das ist eine der vier Nukleinbasen der DNA – chemisch modifiziert wird. "Man weiß heute, dass derartige chemische Veränderungen wie ein Zellgedächtnis funktionieren können", sagt Wackerhage. Ob diese Veränderungen aber tatsächlich die verbesserte Anpassung an ein wiederholtes Krafttraining erklären, ist noch nicht erwiesen.

Überhaupt sind viele Fragen offen. Vieles deutet laut Wackerhage auf ein Muskelgedächtnis hin, das sich körperliches Training merkt: "Wir wissen aber noch nicht genau, wie dieses Gedächtnis funktioniert und wie lange es anhält." Wenn die Effekte Jahrzehnte andauern, dann würde es aber Sinn machen, schon in jungen Jahren Kraft oder Ausdauer zu trainieren, um dann im Alter, wenn der Aufbau von Muskeln und Fitness schwieriger wird, einen Vorteil zu haben.

Langsamer Einstieg

Ganz wichtig ist aber: Der Wiedereinstieg muss langsam erfolgen. Denn nicht nur die Muskeln, auch das Bindegewebe – die Sehnen und Knorpeln – haben sich ohne Training abgebaut. Wer es jetzt zu schnell angeht, riskiert Verletzungen – selbst Bizepsrisse, also ein Riss der Bizepssehne, sind Sportwissenschafter Ingo Froböse dann schon untergekommen.

Daher rät er als Wiedereinstieg zu einem Dreiphasenplan: Erst ein Kraft-Ausdauertraining, bei dem mit niedrigen Gewichten und höheren Wiederholungszahlen gearbeitet wird. Dann beginnt das Muskelaufbautraining, bei dem die Gewichte gesteigert und die Wiederholungen reduziert werden. Im letzten Schritt geht es laut Froböse um die PS der Muskeln: Nun wird die Belastung auf 70 bis 80 Prozent der Maximalkraft gesteigert, die Wiederholungen dafür weiter reduziert.

Die schlechte Nachricht zuerst: All das dauert laut Froböse etwa vier Monate. Die gute: Bis zur Badesaison geht sich das – theoretisch – noch aus. (Franziska Zoidl, 24.2.2019)