Das Stück, das nun einen neuen Besitzer sucht: der Iffland-Ring.

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Die Übergabe des Iffland-Ringes im Mai 1996 an seinen bis dato letzten Träger erregte allseits große Aufmerksamkeit. Josef Meinrads Verfügung, das Kleinod an den Schweizer Bruno Ganz weiterzureichen, glich einem Temperaturwechsel. Auf den biederen Burg- und Volksschauspieler folgte mit Ganz ein analytisch begabter Stimmkünstler.

Ganz bot den Zeugen des Kulturbruchs von 1968 verlockende Identifikationsangebote. Als Torquato Tasso in Goethes gleichnamigem Stück verlieh er zu Anfang der 1970er dem Laster der Unschlüssigkeit den Zauber des "gesungenen" Worts. Mit Hinweis auf Goethe scheint aber auch der Ursprung des ominösen Iffland-Ringes angedeutet. Der Schauspieler und Intendant August Wilhelm Iffland (1759–1814) soll den Ring ursprünglich aus den Händen des Weimarer Klassikers empfangen haben.

Ifflands Ringparabel

Unstrittig ist, dass Iffland, auf Nachruhm erpicht, einige Ringe mit eigenem Konterfei anfertigen ließ. Es ging ihm wohl, ganz nach dem Geschmack seiner Zeit, um die Stiftung eines Freundschaftsbundes. Der Rest gleicht einer freien Fortschreibung von Lessings Ringparabel aus Nathan der Weise.

Von Ludwig Devrient wanderte der Reif 1832 zu dessen Neffen Emil. Der vermachte das gute Stück dem Schauspieler Theodor Döring (1803–1878), von dem es an den Durchschnittsmimen Friedrich Haase (1825–1911) weiterrollte. Als der Ring Albert Bassermann erreichte, fand sich ein Stiftungszettel mit allerlei ungereimten Angaben. Doch von nun an wurde es jedem Iffland-Ringträger zur Pflicht, den Ring dem jeweils "Würdigsten" zu hinterlassen.

Unglückliche Entscheidungen

Bassermann konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, den Ring dem Deklamationswunder Alexander Moissi auf dessen Sarg zu legen. Nacheinander starben die von ihm vorgesehenen Ring-Erben weg: Alexander Girardi, Max Pallenberg und eben Moissi. Danach verlor der honorige Spender endgültig die Nerven. Der Ring landete im Wiener Theatermuseum. Nach Bassermann erhielt ihn 1954 Werner Krauß, übrigens auf Wunsch einer Jury aus deutschsprachigen Bühnenvertretern. Die Wahl blieb nicht unwidersprochen. Krauß hatte sich durch seine Mitwirkung in dem Nazifilm Jud Süß moralisch diskreditiert.

Hauptsorge der verwaltenden Behörde blieb fortan die reibungslose Weitergabe des Kleinods. Die Beantwortung der Frage, wer wirklich der "bedeutendste und würdigste Bühnenkünstler des deutschsprachigen Raums auf Lebzeiten" sei, wurde zur Gänze dem Ermessen des jeweils aktuellen Iffland-Ringträgers anheimgestellt. Krauß wusste an Nachfolger Meinrad besonders die "Einfachheit" und "Schlichtheit" zu rühmen.

Drei Monate

Von Meinrad weiß man, dass er die eigene Wahl 1984 noch einmal korrigiert hat. Jedem aktuell Gekürten obliegt die Pflicht, binnen drei Monaten nach Erhalt des Ringes ein Kuvert mit dem Namen des Nachfolgers in spe bei den Bundestheatern zu hinterlegen. Bis zur Bestimmung eines neuen Iffland-Ringträgers dürfte nach Ganz' Tod nicht mehr viel Zeit vergehen. Ganz selbst musste nach Gert Voss' Ableben 2014 seinen Vorschlag neu aufsetzen.

Tatsächlich soll die Bekanntgabe gleich nach der Beerdigung von Ganz erfolgen. Frauen dürfen sich mit der Weitergabe des Alma-Seidler-Rings trösten. Dieser 1978 von der Bundesregierung gestiftete Gunstbeweis funkelt aktuell am Finger von Burg-Mimin Regina Fritsch.

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Wer hätte den Ring verdient? Unsere Vorschläge:

Als schauspielerische Naturgewalt gilt der Psychiatersohn Joachim Meyerhoff (52), seit 2005 Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. Seine Figuren scheinen undurchschaubar, wie von geheimen Kraftquellen gespeist. Seine ersten Hauptrollen spielte er in der Regie von Karin Beier. Meyerhoff kann den edlen Wilden geben, im nächsten Augenblick den überfeinerten Psychotiker. In den letzten Jahren hat der Mime als autobiografischer Romancier Furore gemacht.

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Mit Bruno Ganz verbindet den Wiesbadener die Suada: der betörende Sprechgesang. Jens Harzer (46) brillierte als Ensemblemitglied des Thalia-Theaters in Hamburg (seit 2009) wiederholt auch bei den Salzburger Festspielen. 2018 war er als Achilles in Kleists Penthesilea zu sehen. Bereits 2011 glitt er als Alter Ego des Autors durch die Textmassen von Peter Handkes Immer noch Sturm. Und immer ist da diese Stimme, eine Mischung aus Wehmut und Eigensinn ...

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Als langjähriges Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne kennt man Lars Eidinger (43) heute womöglich noch besser aus Film und Fernsehen, etwa als Bertolt-Brecht-Darsteller. Seine Bühnenpräsenz "nervös" zu nennen wäre noch untertrieben: Von Eidinger lässt man sich am besten überraschen. Der Westberliner ist von erfrischender Schamlosigkeit. Sein Hamlet (in der Regie von Thomas Ostermeier) hat Schule gemacht und das Bild einer Generation (mit)geprägt.

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Der Opernsängersohn Nicholas Ofczarek (47) arbeitete sich spätestens ab Mitte der 1990er unbeirrt in die erste Reihe der Wiener Burgtheater-Mimen vor. Seiner Physis eignet etwas Bedrohliches, seine Suada ist österreichisch gefärbt. Als Nestroy-Darsteller versieht Ofczarek die Vorlage mit extra Säure. Seine Ausflüge ins Volksstück – etwa in Kasimir und Karoline – markieren Sternstunden. Von 2010 bis 2012 gab er sogar auf dem Salzburger Domplatz den Jedermann.

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(Ronald Pohl, 18.2.2019)