Klavierwunderkind Lucas Debargue: schlaksig, blass, 28.

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Schön, überraschend und gut, dass es das auch noch gibt, den normalmenschlichen, nicht linearen Weg zum gefeierten Pianisten. Wird das supertalentierte Kleinstkind in China, Südkorea oder Russland bereits im Maxi-Cosi ans Klavier gestellt und von dort erst wieder weggelassen, wenn es die ersten Wettbewerbe zu gewinnen gilt, so scheinen im dekadenten Europa auf dem Weg zum Pianoparnass noch Muße und außerklavieristische Interessenpflege möglich.

Lucas Debargue hat erst im Alter von neun Jahren mit dem Klavierspielen begonnen, zwischen 15 und 17 hat er damit wieder pausiert und lieber in einer Rockband E-Bass gespielt. Ein paar Semester Literatur studiert hat der Pariser auch – und nebenbei als Barmusiker geschuftet.

Wunderkind aus dem Nichts

Doch dann nahm Debargue im Sommer 2015 am renommierten Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau teil und wurde dort kontrovers diskutierter Vierter. Prompt war der schlaksige, blasse Franzose "das neue Wunderkind", das "aus dem Nichts kam" (Welt). Ein Vertrag bei Sony und in weiterer Folge ein Echo Klassik als Nachwuchskünstler des Jahres 2017 waren die Folge. Trotz aller Aufmerksamkeit muss man sich den Künstler jedoch als unglücklichen Menschen vorstellen: Eigentlich würde er lieber komponieren als konzertieren, gestand Debargue in einem TV-Gespräch.

Am Mittwoch ist der verhinderte Tonsetzer nun im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses zu erleben, der 28-Jährige spielt bereits erprobtes Repertoire wie Bachs Toccata in c-Moll und Virtuoses von Chopin; er finalisiert mit Beethovens Opus 111. In der Vergangenheit machte manch eine Interpretation von Debargue noch einen konventionell gearbeiteten Eindruck – er selbst hat 2016 in einem Interview konstatiert, dass für ihn "die Spitze noch nicht erreicht" sei. Vielleicht kommt er ihr bei seinem Auftritt im Konzerthaus einen Schritt näher. (sten, 18.2.2019)