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Seit 500 Millionen Jahren bewohnen Weiße Haie die Meere. Doch Fischerei und Jagd setzen ihren weltweiten Beständen massiv zu.
Foto: AP/Discovery Channel

Kaum ein Meeresbewohner hat es zu ähnlichen vielen actionreichen Kinoauftritten gebracht wie der Weiße Hai. Mit einer Länge von bis zu sechs Metern und einem Gewicht von über drei Tonnen ist er der größte Raubfisch der Erde, auch Menschen kann er zur Gefahr werden. Der Weiße Hai ist ein Kosmopolit und beinahe weltweit in den Meeren zu finden – jedoch immer seltener. Als Beifang der Fischerei und Jagdtrophäe verlieren zahlreiche Exemplare jährlich ihr Leben. Die imposanten Räuber zählen inzwischen zu den bedrohten Arten.

Forscher haben nun das Erbgut des Weißen Hais (Carcharodon carcharias) vollständig entschlüsselt. Das könnte nicht nur seinem Schutz dienen, sondern auch wichtige Hinweise für die Wundheilung und Krebstherapie bei Menschen liefern. Denn das Hai-Erbgut beinhaltet einmalige genetische Besonderheiten.

Bemerkenswert am Genom des Weißen Hais ist zunächst schon einmal seine schiere Größe: Es ist eineinhalbmal so groß wie das menschliche Genom. In ihrer Studie, die im Fachblatt "PNAS" erschienen ist, verglichen die Forscher das Erbgut des Weißen Hais mit jenem des Walhais und anderer Arten. Dabei stießen sie auf eine Fülle genetischer Anpassungen, die den evolutionären Erfolg der Weißen Haie als große Tiere mit langer Lebenserwartung erklären könnten.

Weiße Haie können eine Länge von sechs Metern erreichen und über drei Tonnen auf die Waage bringen.
Foto: Courtesy of Byron Dilkes, Danah Divers

Optimiert für langes Leben

Das internationale Forscherteam unter Leitung von Mahmood Shivji von der Nova Southeastern University in Davie, Florida, und Michael Stanhope vom Cornell University College für Veterinärmedizin in Ithaca, New York, fand auffällige molekulare Anpassungen bei einigen Genen, die in Zusammenhang mit dem Schutz der DNA stehen. Es handelt sich dabei um genetische Abwehrmechanismen, die der Anhäufung von DNA-Schäden einer Spezies entgegenwirken und damit das Genom intakt halten. Die Forscher sprechen von Genom-Stabilität.

Das entgegengesetzte Phänomen, die Genom-Instabilität, ergibt sich durch die Anhäufung von DNA-Schäden. Sie ist in der medizinischen Forschung seit langem dafür bekannt, Menschen für verschiedene Arten von Krebs und altersbedingte Krankheiten anfällig zu machen.

Körpergröße und Krebsrisiko

Theoretisch sollte das Risiko, an Krebs zu erkranken, mit der Anzahl der Zellen, sprich der Körpergröße, ansteigen, mit fortschreitendem Alter eines Organismus ebenso. Statistisch kann dieser Zusammenhang auch innerhalb einer Spezies nachgewiesen werden: Größere und ältere Individuen haben ein höheres Krebsrisiko als kleinere und jüngere.

Interessanterweise hält diese Regel allerdings keinem spezies-übergreifenden Vergleich stand: Einige große Tiere erkranken beispielsweise weniger häufig an Krebs als Menschen, selbst wenn sie ein ähnlich hohes Alter erreichen. Die Forscher schließen daraus, dass Tiere wie Weiße Haie krebshemmende Anpassungen im Laufe der Evolution durchlaufen haben, die jenen des Menschen überlegen sind. Momentan liegt die Lebenserwartung von Menschen weltweit bei 72 Jahren, was sich fast mit jener Weißer Haie deckt: Diese werden durchschnittlich 73 Jahre alt.

"Genom-Instabilität spielt eine wichtige Rolle in einigen schweren Krankheiten bei Menschen. Wir finden nun heraus, dass die Natur in den großen und langlebigen Haien ausgeklügelte Strategien entwickelt hat, um die Stabilität des Genoms aufrechtzuerhalten", sagt Shivji.

Genetische Besonderheiten dürfen ihren Beitrag dazu leisten, dass Weiße Haie trotz ihrer Größe mitunter ein beachtliches Alter erreichen können.
Foto: Courtesy of Byron Dilkes, Danah Divers

Schnell heilende Wunden

Neben dem Schutz vor DNA-Schäden sind Weiße Haie dem Menschen noch in einer ganz anderen Hinsicht genetisch überlegen: bei der Wundheilung. Schon bisher war bekannt, dass die Verletzungen von Weißen Haien erstaunlich rasch verheilen. "Wir haben eine molekulare Selektion verschiedener Gene entdeckt, die in Zusammenhang mit fundamentalen Mechanismen der Wundheilung stehen", sagt Stanhope.

Darunter sei beispielsweise ein Gen, welches zentral für die Blutgerinnung ist. Stanhope: "Diese Anpassungen von Genen zur Wundheilung könnten der bekannten Fähigkeit von Haien zugrunde liegen, dass selbst ihre großen Wunden rasch heilen."

Daten für Artenschutz

Insgesamt hoffen die Forscher, dass die Einblicke in die genetischen Geheimnisse der Meeresräuber einerseits dem Menschen von Nutzen sein könnten. Wie sich die Tiere genetisch vor altersbedingten Krankheiten schützen, könnte als Vorbild für die Medizin dienen. "Die Entschlüsselung des Hai-Genoms ermöglicht der Wissenschaft, die geheimen Mysterien dieser gefürchteten und missverstandenen Raubtiere zu lüften – warum Weiße Haie seit 500 Millionen Jahren die Erde bewohnen, länger als fast jedes andere Wirbeltier", sagt Salvador Jorgensen vom Monterey Bay Aquarium, der an der Studie beteiligt war.

Andererseits hoffen die Forscher, dass auch die Tiere selbst von der Arbeit profitieren, indem sie Daten für den Artenschutz liefern. Koautor Stephen O'Brien von der Nova Southeastern University sagt dazu: "Die Entschlüsselung des Genoms ist wichtig, um die Dynamiken der Population dieser beeindruckenden Spezies besser zu verstehen, die so viele von uns fasziniert." (Tanja Traxler, 19.2.2019)