Hoffentlich haben die Mitarbeiter von Sebastian Kurz ihren Chef gut vorbereitet auf seine 15 oder 20 Minuten oder auch seine Stunde mit Donald Trump. In einem Dossier, das ihm seine Experten zur Lektüre mitgeben, müsste sinngemäß drinstehen:

"Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Donald Trump ist ein erklärter Feind der EU. Er und sein Team sind aus Gründen, die noch näher zu untersuchen sind, auf die Zerstörung der Europäischen Union aus. Trump selbst hat im Sommer 2018 die EU in einem Interview mit CBS (von seinem schottischen Golfplatz aus) als 'Feind' bezeichnet. Das genaue Zitat lautet: 'I think the European Union is a foe, what they do to us in trade. Now, you wouldn't think of the European Union, but they're a foe.' Trump bezieht sich dabei auf den Handel, aber seine Abneigung geht weiter. Er betrachtet alle übernationalen, auf Zusammenarbeit ausgerichteten Institutionen als natürliche Feinde der USA, die ungehindert ihren Willen durchsetzen können sollen ('America first!').

Die Europäische Union, die auf Werten wie Konsens, Multilateralität und Kompromiss aufbaut, ist ihm dabei im Weg. Präsident Trump hat nicht nur zuletzt mit Zöllen auf die europäischen Autoimporte gedroht (weil diese Importe eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen!), sondern auch Europa ultimativ aufgefordert, den Atomvertrag mit dem Iran aufzukündigen. Schon während seines Wahlkampfes hat Trump gemeint, Großbritannien wäre 'besser dran' mit einem Brexit. Er traf sich mit dem Brexit-Agitator Nigel Farage und machte öffentlich Premierministerin Theresa Mays Plan für einen Brexit-Deal herunter.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, eine Zwischenbemerkung: Alles, was Trump in Sachen EU (und Nato) unternommen hat, läuft auf eine De-facto-Unterstützung von Putins Plänen für eine Schwächung dieser beiden Institutionen hinaus.

Schließlich, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, dürfen wir noch darauf hinweisen, dass die wichtigsten außenpolitischen Mitarbeiter von Trump, Außenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton, sich massiv negativ über die EU geäußert haben. Bolton schrieb schon vor Jahren, dass die EU die Interessen der USA bedrohe. Pompeo hielt sich vor kurzem in Polen, Ungarn und der Slowakei auf und unterstützte die EU-feindliche Haltung der polnischen und ungarischen Regierung (die Slowakei hält sich da heraus). Es ist offensichtlich, dass die Administration Trump versucht, die Osteuropäer aus der EU herauszubrechen. Wahrscheinlich ist die Einladung an Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, auch in diesem Kontext zu sehen."

So könnte ein Dossier für Kurz lauten. Was wären die Konsequenzen? Kurz' bisherige Politik innerhalb der EU war es, sich leise EU-skeptisch zu zeigen ("mehr Entscheidungen zu den Nationalstaaten"), die EU-feindlichen und autoritären Regime in Polen und Ungarn nur ganz leise, wenn überhaupt, zu kritisieren und sich ansonsten als gemäßigter EU-Dissident zu profilieren.

Das genügt gegenüber einem Trump nicht. Der kennt nur Freund oder Feind. Und die EU ist der Feind. Trump sucht Verbündete innerhalb der EU, um sie zu zerschlagen. In diesem Bewusstsein müsste Kurz dieses Treffen mit Trump absolvieren. (Hans Rauscher, 19.2.2019)