Gutes Feeling, rüber in den Park, Scheibe werfen. Die Band Bilderbuch jongliert mit Lässigkeit und Lebensfreude.

Foto: Neven Allgeier

Eine Vernissage ist die Eröffnung einer Kunstausstellung. Das sind oft peinliche Veranstaltungen zwischen schlechter Kunst an der Wand und schlechtem Wein im Bauch. Das Publikum besteht aus Pflichtbesuchern und Posern, die ausgestellte Kunst ist oft nicht mehr als das Zeugnis einer erwiesenen Gunst.

Die Band Bilderbuch nennt ihr neues Album Vernissage My Heart. Das ist schwierig sinnvoll zu übersetzen; es ist eine dieser gefühligen Formulierungen, über die die Wiener auf die Herzen ihrer Fans zielen. "Liebe is the Place to be", heißt es diesbezüglich im Lied LED Go, und das entspricht der Ausrichtung des Albums. Es ist eine Einladung an die Herzen.

Liebe is the place to be: Bilderbuch mit LED Go.
BILDERBUCH

Sänger Maurice Ernst sagt zwar gerne, dass er sich und Bilderbuch nicht als politisches Sprachrohr sieht, Vernissage My Heart bringt die Message dennoch an. Acht Songs umfasst das nach Mea Culpa zweite Album innerhalb von nur drei Monaten. Es klingt wie ein Manifest positiver Vibes. Keine Zeit für Hass, Kleinlichkeit und den anderen Scheiß, der das Leben unerträglich macht. Zu gut abgehangener Musik formuliert Ernst in der ihm eigenen Art Gefühlshäppchen. Mini-Prosa in einer Mischung aus Englisch und Deutsch – je nachdem, was der zu übermittelnden Botschaft besser zuträglich erscheint.

"Eine Freedom zu verschenken"

Und wenn sie schon politisch werden, dann nicht im Kleinformat des Kleingeists. Zum Song Europa 22 haben sie sich eine Online-Aktion ausgedacht, bei der man sich selbst einen EU-Pass ausstellen kann: Nicht echt, aber als Statement in den sozialen Medien: "Eine Freedom zu verschenken", nennt die Band ihre Einladung.

Postive Feelings als Politik: Europa 22.
BILDERBUCH

Bilderbuch kommen aus dem oberösterreichischen Kremsmünster. Ihr drittes Album Schick Schock machte sie 2015 zu einem der erfolgreichsten Aushängeschilder heimischer Popmusik – im Parallelslalom mit Wanda.

Walk on the mild side

Ihre Musik ist eine originelle Mischung aus zeitgenössischen Spielarten samt Autotune-Effekt; sie bedient sich beim Funk, bei Rock, Rap – was gerade den Appetit stillt oder anregt. Vernissage My Heart betont wieder mehr das traditionelle Setting als Band. Die Bassspur im Song Frisbeee erinnert zart an Lou Reeds Walk On The Wild Side, das Feeling dazu ist aber eher ein faules Schlurfen auf die milde Seite, rüber in den Park, Scheibe werfen. Wie sehr die Hose dabei durchhängt, zeigt die Miniatur Memory Card.

Der Song schafft es gerade einmal über die Ein-Minuten-Grenze, dann schmiert er schlapp ab. Die Lebensgeister kehren in einem Lied wie Ich habe Gefühle wieder. Einem die Sonne begegnenden Track, in dem die Band ihrer Stadt und der Welt ihre Liebe erklärt. So verklausuliert, wie es die Texte von Maurice Ernst zulassen, der Song ist jetzt schon ein Feel-Good-Hit-of-the-Summer.

Hey, kühl bleiben

Und egal, ob Bilderbuch den Ball flach halten oder sich kurz einen Ausfall gönnen, man folgt ihnen gerne, weil es spannend bleibt, wohin sie bei nächster Gelegenheit hin abbiegen. Man weiß nie, was einen erwartet, aber es besteht das Vertrauen, dass es spannend sein wird. Und wenn einmal nicht – Hey, kühl bleiben –, es ist ja nur Musik.

Diese Haltung transportieren Bilderbuch mit großer Nonchalance, und den Lässigen gehört der Sonnenschein. Den Verbitterten bleiben der Novemberregen, die Pickel, der Facebook-Hass, der Gram der Ungeliebten. Licht oder Schatten? Muss jeder selbst wählen. Das Angebot von Bilderbuch strahlt hell. (Karl Fluch, 21.2.2019)