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US-Präsident Trump ist immer für eine Überraschung gut.

Foto: AP/Evan Vucci

STANDARD: Nach der Einladung von Bundeskanzler Sebastian Kurz, der in Österreich mit einer rechtspopulistischen Partei regiert, wurde spekuliert, dass Trump und sein Umfeld rechtspopulistische Kräfte in Europa stärken wollen. Ist diese Theorie abwegig?

Constanze Stelzenmüller: Man könnte zumindest auf die Idee kommen, dies auch im Fall Österreichs so zu sehen. US-Außenminister Mike Pompeo hat ja im Dezember in seiner ersten Europarede die EU als Institution von nicht gewählten Bürokraten kritisiert. Institutionen, die ihren Zweck nicht mehr erfüllen, sollte man entweder adaptieren oder auflösen. Das hat in Brüssel große Verstörung ausgelöst. Damit wurde klar, dass die feindseligen Äußerungen, die Trump gelegentlich in seinen Tweets macht, durchaus auch von der Spitze seines Außenministeriums geteilt werden.

STANDARD: Welche Rolle könnte die Aufgeschlossenheit der österreichischen Regierung gegenüber Russland spielen?

Stelzenmüller: Das Thema ist einer der nicht aufgelösten Widersprüche dieser Administration. Das gilt auch für den Besuch Pompeos in Ungarn in der vergangenen Woche. Im Verhältnis zu Russland sind dem US-Präsident von seiner eigenen Regierung und einer großen Mehrheit des Kongresses klare Grenzen gesetzt. Ungarn ist gerade zu Russland und China hin weit geöffnet, wird aber gleichzeitig von der US-Administration als Vertreter eines neuen, gesunden Nationalismus angesehen. Diese Umarmungsstrategie ist voller Widersprüche und ist letztlich gescheitert.

STANDARD: Trump soll sich in seiner Europapolitik auf das Buch "The Virtue of Nationalism" von Yoram Hazony stützen. Was ist der Kern dieses Buchs?

Stelzenmüller: Hazony zufolge sind das liberal-interventionistische Amerika und die EU aggressiv ausgreifende Imperien, die die Stabilität der Welt gefährden. Nur eine Abkehr vom Multilateralismus und die Auflösung der EU schaffe Frieden.

STANDARD: Sieht Trump die Europäer und die Europäische Union nur mehr als wirtschaftlichen Konkurrenten und Mittel im Handelsstreit gegen China?

Stelzenmüller: Der Handelskrieg mit der EU ist ja derzeit in der Schwebe, weil Washington sich erst dem Angstgegner China zugewandt hat. Das Argument der Europäer, man solle doch zuerst die gemeinsamen Differenzen regeln und sich dann zusammen China zuwenden, wurde ignoriert. Diese Regierung hat mehrere Probleme: Erstens ist sie genuin handelsprotektionistisch. Wichtige Beamte wie Sicherheitsberater John Bolton haben eine Aversion gegen multilaterale Organisationen wie zum Beispiel die WTO. Und außerdem scheinen die Handelsexperten dieser Administration der Ansicht zu sein, dass sich die USA zumindest partiell aus der Globalisierung verabschieden könne. Das ist eine Option, die Europa nicht hat.

Ganz generell sehe ich auch eine große Bereitschaft der US-Administration, wirtschaftlichen Zwang einzusetzen, um sich andere Staaten – über Strafzölle und Sanktionen – gefügig zu machen. Dazu kommt noch die Abneigung gegen die EU als solche. Der Handelsbereich ist der einzige, in dem die USA und die EU ebenbürtig sind.

STANDARD: Für diesen ökonomischen Zwang ist aktuell vor allem der Iran ein gutes Beispiel. Die USA drängen Europa ja verstärkt zum Ausstieg aus dem Iran-Abkommen.

Stelzenmüller: Diese Regierung ist der festen Überzeugung, dass sie den Iran durch ökonomischen Zwang nicht nur dazu bringen kann, seine Hegemonialbestrebungen in der Region zu aufzugeben. Sie will darüberhinaus das Regime in die Knie zwingen.

STANDARD: Trump stellte auch von Beginn an den Wert der Nato in Frage.

Stelzenmüller: Man muss auch anerkennen, das diese US-Regierung die Nato an der Ostgrenze gestärkt und hier sehr viel Geld investiert hat. Aber das steht im Widerspruch zu der Skepsis gegenüber Bündnissen und internationalen Organisationen und der Bereitschaft, innerhalb Europas die Autoritären zu umarmen. Gleichzeitig behandelt man traditionell starke Nato-Länder wie Frankreich und Deutschland und sogar Großbritannien sehr kühl. Die Kündigung des INF-Vertrags, die Handelssanktionen, all das hat natürlich auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen den USA und Europa in der Nato.

Es hat auch bereits Gerüchte gegeben, dass Washington von den Europäern fordern könnte, einen größeren Anteil an den Kosten der US-amerikanischen Stützpunkte auf dem Kontinent übernehmen sollen. Das wären gewaltige Summen für Stützpunkte, die der Umschlagplatz für US-Truppen in der ganzen Welt sind.

STANDARD: Welche Antwort sollte Europa auf die veränderte transatlantische Beziehung parat haben?

Stelzenmüller: Das wichtigste ist die europäische Einheit. Das bedeutet, dass die Europäer ihre internen Zwistigkeiten bereinigen müssen und ihnen klar sein muss, was das europäische Projekt wert ist. Dann müssen sie auch dafür einstehen. Ich würde niemals einem Bruch mit den USA das Wort reden, dazu ist dieser Verbündete zu wichtig für uns. Wir haben unter den außenpolitischen Eliten des Landes noch viele Freunde, was auch die riesige US-Delegation bei der Münchener Sicherheitskonferenz gezeigt hat. Aber die aktuelle Regierung ist derzeit ein sehr schwieriger Partner.

STANDARD: Ist Kanzler Kurz der Geeignete, um das auch bei Trump anzusprechen?

Stelzenmüller: Ich glaube, was der Rest Europas von Kanzler Kurz wissen möchte, ist, wie er es denn mit den Populisten und Autoritären hält. Wie ist das Verhältnis dieser Regierung zu Ländern wie Ungarn und Polen und welche Rolle will Österreich hier einnehmen. In der Vergangenheit konnte man bei diesem Thema einen durchaus zwiespältigen Eindruck gewinnen. Davon hängt ab, ob er von anderen als geeigneter Vertreter Europas angesehen wird. (Manuela Honsig-Erlenburg aus Washington, 20.2.2019)