Benni Over bei einer Begegnung mit Orang-Utan Mona.

Foto: Klaus Over

Zwei Wochen lang ging es mit dem Rollstuhl durch den Regenwald – ohne Probleme, wie Klaus Over sagt.

Foto: Klaus Over

Über diese Reise ist auch ein Buch erschienen.

Christina Schott

"Im Rollstuhl zu den Orang-Utans"

"Eine Reise um die halbe Welt, um den Regenwald zu retten"

Foto: Papierfresserchens MTM-Verlag

Mit Bulan hat es begonnen. So verspielt sei er gewesen, so viel Blödsinn habe er getrieben, dass er Benni Over in der Seele erwischt hat, wie Vater Klaus Over es beschreibt. Bulan, das ist ein kleiner Orang-Utan im Zoo Berlin, und Benni Over, der hat seit dieser Begegnung an einem Sommertag im Jahr 2014 nichts anderes im Kopf, als die Orang-Utans zu retten – auch wenn er im Rollstuhl sitzt und an der unheilbaren Erbkrankheit Muskeldystrophie Duchenne leidet, an schleichendem Muskelschwund. Seine neue Lebensaufgabe hat ihn sogar in den indonesischen Regenwald geführt, denn nur dort leben Orang-Utans noch in freier Wildbahn.

Seit seinem zehnten Lebensjahr schon sitzt der 28-jährige Benni Over aus dem deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz im Rollstuhl. Gerade einmal seine Finger kann er noch bewegen. Aber mithilfe seiner Familie und seiner Pflegerinnen ist trotzdem sehr viel möglich. Zunächst, nach der Begegnung mit Bulan, habe Benni sich viel Wissen über die Orang-Utans angeeignet, auch in andere deutsche Zoos seien sie gefahren. "Im Internet ist er dann auf die schlimme Wahrheit gestoßen, dass die Orang-Utans vom Aussterben bedroht sind", sagt Klaus Over zum STANDARD.

Patenschaft über Orang-Utan-Waisen

Das wollte Benni so nicht hinnehmen. Ihm kam die Idee eines Buchs für Kinder, damit auch sie über die Lage der Orang-Utans Bescheid wissen. "Seine Pflegerinnen malten die ersten Bilder, und Benni haben sie eine Patenschaft über Henry geschenkt, einen Orang-Utan-Waisen in einem Rettungscamp in Indonesien", sagt Klaus Over am Telefon, während Benni zuhört und im Hintergrund immer wieder etwas hinzufügt. Der Titel des Buchs war rasch klar: "Henry rettet den Regenwald".

Der Film Henry rettet den Regenwald.
medien+bildung.com gGmbH

Per Zufall, über eine alte Bekannte in der Landesmedienanstalt in Rheinland-Pfalz, ging es dann sehr schnell. Ein 20-minütiger Trickfilm wurde 2015 produziert – noch vor dem Buch – und wird seitdem an Schulen gezeigt. "Da der Film englische und französische Untertitel hat, konnte man sich den auch in Indonesien ansehen", sagt Klaus Over. Denn das erklärt, warum sich irgendwann Tierschutzorganisationen meldeten und ihn nach Indonesien einluden.

"Benni, wann kommst du mich besuchen?"

Dort wollte Benni Over ja sowieso mal hin. "Das Buch endet mit Henrys Frage: 'Benni, wann kommst du mich besuchen?'", sagt Vater Klaus Over. "Ich habe das nie ernst genommen, aber Benni schon."

Indonesien also. "Das war für uns natürlich eine andere Art von Reisen", sagt Klaus Over. Viel musste vorbereitet werden, vor allem der Transport von medizinischen Gerätschaften und Pflegematerial. Dann aber, im April 2016, ging es tatsächlich zu Henry. Mit an Bord waren neben Vater Klaus auch Mutter Connie und Bennis zwei Jahre jüngerer Bruder Florian. Und es wurden zwei unvergessliche Wochen, die Begegnungen mit Henry und anderen Orang-Utans als Highlight. Denn nicht jeder darf in die Rettungscamps hinein. Probleme gab es nicht, wenn notwendig, wurde Benni mitsamt Rollstuhl einfach getragen.

Dort wurde Benni Over auch zum Botschafter der Orang-Utans ernannt. Das ist nun seine Lebensaufgabe, und deshalb touren die Overs durch Schulen, Unis und Bibliotheken. Anfragen gibt es auch aus Österreich und der Schweiz. "Das gibt Auftrieb, und ist die beste Motivation, wenn man gehandicapt ist und begrenzte Ressourcen hat", sagt Klaus Over.

Ärzte gaben Benni keine Chance mehr

Im Dezember 2016 aber folgte der große Rückschlag: Herzstillstand infolge einer Infektion. Lungenentzündung. Durch eine instabile Lungenfunktion lag Benni Over dann im künstlichen Koma auf der Intensivstation. "Die Ärzte haben Benni keine Chance mehr gegeben", sagt Vater Klaus. "Aber wir haben an seinen Lebenswillen geglaubt und uns schließlich für einen Luftröhrenschnitt entschieden." Nach 37 Tagen auf der Intensivstation war es durchgestanden, auch wenn Benni seitdem von einer Maschine beatmet wird und der Pflegeaufwand deshalb zugenommen hat.

Eine Videobotschaft von Benni Over.
Benni and the orangutans

Das alles hat Benni Over aber nicht davon abgehalten, weiter seiner Lebensaufgabe nachzugehen. "Es hat gedauert, bis wir kräftemäßig wieder durch waren, aber dann ging es mit dem Projekt weiter", so Klaus Over. Bei Mutter Connie ruht seitdem das Arbeitsverhältnis, Vater Klaus ist schon seit Bekanntwerden der Krankheit zu Hause. Benni geht vor.

Derzeit arbeiten der 28-Jährige und seine Helfer an einem zweiten Buch. Die ersten Bilder sind fertig, eine Handlung gibt es schon grob. Und vielleicht schaut er ja einmal im Wiener Tiergarten Schönbrunn vorbei. Dort leben nicht nur Orang-Utans, seit Mitte Februar gibt es auch eine Ausstellung über die Auswirkungen der Palmölproduktion. Die setzt dem indonesischen Regenwald und damit den Orang-Utans besonders zu. (Kim Son Hoang, 26.2.2019)