"Wehe sie schreiben "genial" in ihrem Artikel!", warnt Heinz Frank die Autorin. "Affengeil!"darf sie aber ausdrücklich schreiben. Am 25. März feiert er 80. Geburtstag: Das wird sicher ein affengeiles Fest.

Foto: David Avazzadeh

Die Fotos von Wolfgang Thaler finden sich im Buch "Heinz Frank: Ich kehre mir den Rücken zu und trete in mich ein: Der Eigen-Epigone" (hg. v. Georg Schöllhammer, 184 Seiten / € 29,00, Sonderzahl, Wien 2018).

Cover: Sonderzahl Verlag

Den Namen werde er sich sowieso nicht merken, erklärt Heinz Frank zur Begrüßung. "Ich merk mir lieber Ihren Händedruck – und Ihren Gang", sagt der bald 80-Jährige, während er zupackt wie ein Schraubstock. Aber schon im nächsten Moment lässt der Schelm in gestreiften Jeans seinen bübischen Charme sprühen. "Ich zeig ihnen ein Geheimnis, das kennt nicht mal der Kurator!"

Und so zieht Heinz Frank unter den neugierigen Blicken von Lucas Gehrmann an der Lade eines Tischchens, das mit einem Stapel Kataloge beladen ist: Und – tata! – nach einigem Ruckeln kommt ein Bild zum Vorschein. An Flechten erinnern die zarten zerfließenden Linien, die ein Gesicht formen. "Ein Selbstporträt", verrät er und berichtigt sofort: Im Grunde seien das alles Selbstporträts. Und noch etwas schickt er voraus, über seine Ausstellung im lichten Glaskubus der Kunsthalle weisend: "Das ist nicht mein Werk, das sind meine Sachen!"

Mit dem Begriff des Künstlers hat Heinz Frank so seine Probleme. Jedenfalls für ihn sei der falsch. Er sei ja Elektromechaniker, erklärt das Original, sein Architekturstudium Ende der 1960er an der Akademie der bildenden Künste geflissentlich verschweigend. "Ich bin kein Künstler!", hält er entschieden fest. Eigentlich sagt er: "I bin ka Künstler. Das Einzige, wos i bin, is am Lebn", denn der Nichtkünstler wienert, dass es eine Wonne ist.

Frank nennt es "Tun", nicht "Arbeit". Für viele Künstler sei der Begriff eine Rechtfertigung, um Geld verlangen zu können. "Ich bin 15 Jahre lang jeden Morgen um sieben in die Arbeit gegangen", erzählt er von seiner Zeit als Hackler. "Was mir a bisserl die Luft g'raubt hat: I hab in a Stromkabel einig'schaut und den Strom nicht gesehen ..."

Heinz Frank, 1939 in Wien geboren, ist ein Unikum. Bildhauer. Zeichner. Sprachakrobat. Poesie-Philosoph. Von solchen Etiketten will er jedoch nichts wissen; die Verweigerung ist dabei ein Stück weit Koketterie. Frank ist ein Außenseiter, wenn man so will. Denn wer hätte sich in den 1970ern, als Minimal und Konzept regierten, schon getraut, so surrealistisch und fantastisch zu arbeiten?

Stilikone und poetischer Philosoph der Leere: Heinz Frank posiert mit Skulptur.
Foto: Wolfgang Thaler/tranzit.at

Sein Atelier, eine ehemalige Bäckerei bei der Schmelz, gleicht einem belebten Zoo. Ein Park aus ulkigen Ohrenlurchen, dank Zweitkiefer doppelt bissigen Krokodilmonstern, fliegenden Augenwesen, spazierenden Nasenbolden und allerlei doppelköpfigen und dann meist auch zweigeschlechtlichen Existenzen. Frank platziert seine dem Körperlichen zugetanen Selbstporträts auf Leinwänden, oder er baut sie als Hybride aus Holz, Metall, Ton, Textil und vielerlei Fundstücken.

Skurril ist auch der Silberschädel, der aufgebockt auf einem Stab in der Ausstellung Der Winkel des Endes kommt immer von hinten Platz gefunden hat. Er hat ein Loch im Hirn, so groß, dass eine Schwalbe darin nisten könnte: "Versuche deine Leere im Kopf zu behalten oder die Totenmaske eines zur Zeit Lebenden" steht in Bleistift auf einem kleinen Zettel.

Einblick in die Installation in der Kunsthalle Wien am Karlsplatz mit den "Sachen" von Heinz Frank.
Foto: Jorit Aust

Texte nennt Frank diese kleinen, poetischen Philosophien. Und eigentlich sei das, was er tut, mit dem Zettel erledigt. Aber, gesteht er, er sei eben auch eitel und müsse etwas verkaufen. Beim Spazierengehen in der Natur findet er seine Ideen: "Die Bam redn ned zruck!" Nach zwei Schlaganfällen und einem Herzinfarkt sind die Ziele aber bescheidener: Donaukanal statt Rax und Schneeberg.

Erst in den letzten Jahren hat man Heinz Franks skurriles Schaffen wieder aus der Versenkung geholt. In den 1980ern war der etwa im Café Hawelka "umanandsitzende" Frank aber bekannt wie ein bunter Hund (mit seinen oft schrillen Outfits ist er noch heute eine Stilikone). Der selbsterklärte "Eigen-Epigone" hatte Einzelausstellungen im Architekturzentrum (1993) oder im Museum für angewandte Kunst (1992): Das Gute an Nicht weniger mehr sondern mit allem Nichts tut not sei, so Frank heute, dass sich niemand daran erinnere.

Kunsthalle Wien

Vermutlich – um Franks Philosophie zu folgen – ist sie ins Unsehbare gelangt. Denn das Unsehbare ist so wie die Leere ein magischer Ort für Frank. Und das Loch, das er in seinem Tun beschwört, quasi ein Vehikel, um dorthin zu reisen. "Das Loch", sagt Frank und saugt Luft durch die zur Röhre geballte Hand, "ist Sauerstoff, Endlosigkeit und Unendlichkeit."

Löcher und Schwächeanfälle

Darstellen kann man das Loch nicht. Ein Loch ohne Rand sieht man nicht. So ist er also dazu verdammt, den Rand darzustellen. Sich der Leere zu nähern, hat er auch mittels Skulpturen aus Eis versucht, die beim Schmelzen verschwanden. Die Darstellung der Löcher über ihre Ränder sind also nur Annäherungen: "Alles Schwächeanfälle", sagt Frank im Blick rundum.

Weiterer Ausstellungseinblick
Foto: Jorit Aust

"Poetisch?", fragt er fast ungläubig nach, als man auf seine Texte zu sprechen kommt. "Da schau i aber poetisch aus, dann a!" Ein Clown ist er also auch. Stolz wie Oskar führt er aber vor einen Text des portugiesischen Dichters Fernando Pessoa: "Seine Worte haben meinen Text, mein Fundament, illustriert." Auf dem Blatt steht: "Alles auf alle Weise fühlen. Mit dem Fühlen denken können und mit dem Denken fühlen."

Wenn man gleichzeitig fühle und denke, was leider viele verlernt hätten, erläutert Frank das gemeinsame Credo, dann sei man Mensch. Ein Mensch, der keine Kriege anzettelt. Es gebe Menschen, die haben zu viel Wissen, zu viele Gase im Kopf. "Die liegen eigentlich am Buckel, weil es sie aufhebt und ihnen die Füße wegzieht."

Statt Pessoa liest Heinz Frank heute lieber Haikus. "Die ganze lange Nacht. Das Geräusch des Wassers sagt, was ich denke", rezitiert er Gochiku. "Da fährt die Eisenbahn drüber. Da brauch ich nicht Der Mann ohne Eigenschaften." (Anne Katrin Feßler, 22.2.2019)

Max Hareiter