Kühe (Symbolbild).

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Worauf man bei der Überquerung einer Alm achten sollte.

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Innsbruck – Die einen sehen das Ende der Almwirtschaft gekommen, die anderen loben die "hohe juristische Qualität" des Urteils. Die Rede ist vom erstinstanzlichen Schuldspruch eines Tiroler Landwirtes, dessen Kühe im Sommer 2014 eine Urlauberin auf einer Stubaier Alm zu Tode getrampelt hatten. Der Bauer wurde nun zur Zahlung von 132.832,63 Euro sowie einer monatlichen Rente von 1212,50 Euro an den Ehemann sowie einmalig 47.500 Euro und einer monatlichen Rente von 352,50 Euro an den Sohn der Verstorbenen verurteilt.

Die damals 45-jährige Touristin aus Deutschland war mit ihrem Hund auf einem stark frequentierten öffentlichen Wanderweg unterwegs, als sie beim Passieren einer Mutterkuhherde von den Tieren attackiert wurde. Die Frau hatte ihren Hund angeleint. Die Leine war um ihre Hüfte fixiert, was vom Gericht als "sorglos" beurteilt wurde.

Verschulden des Opfers vernachlässigbar

Obwohl sich der Hund der Urlauberin den Kühen gegenüber nicht aggressiv verhalten habe, sei es dann zu der unvermittelten Attacke gekommen. Die Kuhherde, so stellte man im Prozess fest, war wohl bereits von einer kurz zuvor passierenden Familie, die ebenfalls Hunde mitgeführt hat, in Aufregung versetzt worden. Dies konnte wiederum die Verunglückte nicht wissen, weshalb ihr Verschuldensanteil als vernachlässigbar beurteilt wurde.

Urteil nach Kuhattacke: Gefahr für Almen.
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Der nun verurteilte Landwirt und Besitzer der Kühe hatte zwar am Eingang zur Weide eigens Hinweistafeln angebracht, auf denen vor der Mutterkuhherde gewarnt wurde. Denn in einem solchen Verbund können Kühe durchaus aggressiv auf Eindringlinge, vor allem Hunde, reagieren. Doch im nun erfolgten Zivilprozessurteil stellte das Landesgericht Innsbruck fest, dass ein Hinweis allein an dieser stark frequentierten Stelle des Weges, die nahe einer Hütte liegt, nicht ausreichend sei. Zusätzlich wäre eine Abzäunung notwendig gewesen – und in dem konkreten Fall auch zumutbar. Die Staatsanwaltschaft hatte übrigens noch im Jahr 2014 die Ermittlungen gegen den Landwirt eingestellt.

Diese Urteilsbegründung rief nun die Tiroler Landwirtschaftskammer (LK) auf den Plan. Deren Präsident Josef Hechenberger sieht in dem Schuldspruch eine "massive Gefährdung der Almwirtschaft". Das könne auch Folgen für die Zusammenarbeit mit dem Tourismus haben, warnt er. Die Kammer rate verunsicherten Bauern daher, sehr genau zu prüfen, ob sie das Wandern auf ihren Almwiesen weiter erlauben wollen.

Platter aufseiten der Bauern

Weil Tourismus in Tirol Chefsache ist, äußerte sich auch Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) zur Causa. Das Urteil sei für ihn "nicht nachvollziehbar". Die seit Jahrhunderten praktizierte Form der Almbewirtschaftung stehe auf dem Spiel. Daher stehe Platter "ganz klar und unmissverständlich" aufseiten der Bauern.

Gerichtssprecher Andreas Stutter versuchte zu kalmieren. Das Urteil sei sehr ausführlich begründet und betreffe nur diesen einen Unfall an genau dieser Stelle. Aber er verstehe auch die Verunsicherung. Denn die große Frage sei, ob durch das Urteil generelle Leitlinien festgelegt würden. Die LK will kommende Woche das weitere Vorgehen besprechen. Der Anwalt des beklagten Bauern hat bereits angekündigt, gegen das Urteil berufen zu wollen. (ars, 22.2.2019)