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"Früher, vor Jahren, war ich der Meinung, man muss sich das Frackmascherl selber binden, und das hat auch gedauert."

Foto: Picturedesk.com / Verlagsgruppe News / Deak Marcus E.

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Am Tag des Opernballs ist Lugner um 17 Uhr zu Hause und hat eine halbe Stunde Zeit zum Herrichten.

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STANDARD: Herr Lugner, was sind Ihre ersten Erinnerungen an den weltberühmten Opernball?

Richard Lugner: Die Oper wurde im Oktober 1955 wiedereröffnet, im Fasching 1956 hab ich mir zu Hause am Radio die Übertragung vom Opernball angehorcht, da war ich 23, Fernseher haben wir keinen gehabt, ich habe mit der Mutter und dem Bruder zu Hause gelebt. Da gab es den legendären Heinrich Nordhoff, der Generaldirektor von VW, die haben nur Käfer gebaut damals, jetzt tut ja jede Firma auch große Autos erzeugen, damit der Generaldirektor mit denen fahren kann ... (lacht) Der Nordhoff war mir also ein Begriff, weil der war am nächsten Tag in der Zeitung. Und wie ich zehn Jahre später bei der Mobil beschäftigt war ...

STANDARD: Bei Exxon Mobil?

Lugner: Na, T-Mobil ist was anderes ...

STANDARD: Bei Exxon Mobil??

Lugner: Ah so, ja. Aber damals hat's nur Mobil geheißen. Und da war ich mit fünf, sechs Techniksklaven im Büro am Schwarzenbergplatz, die Türe geht auf, und der Direktor kommt mit dem Nordhoff herein. Ich hab damals einen Fiat Topolino Baujahr 37 gehabt, den hab ich verkauft, weil ich hätte im Mai einen fjordblauen Käfer kriegen sollen, aber: bestellt und nicht geliefert! Wie ich den Nordhoff gesehen habe, hab ich unseren Direktor, mit dem ich recht gut war, angerufen und ihm gesagt: "Sie, ich hätte einen Käfer kriegen sollen!" Das war '58. Oder '68? Da war jedenfalls in Brüssel die Weltausstellung. Na, '58, stimmt schon! Ich wollt also nach Brüssel fahren, und ich hab noch immer nicht das Auto ... Da hat der den Nordhoff angerufen, und der hat gesagt, wenn ich ihn in Rot nehme, dann kann ich ihn morgen haben. So ist das heutige Lugner-Rot entstanden.

STANDARD: Sonst wär's das Lugner-Blau geworden?

Lugner: Mir war's wurscht. Ich war froh, dass ich überhaupt einen gekriegt habe. Das neue Modell mit hinten einer großen Scheibe. Die Weltausstellungen waren damals noch ein bisserl besser als heute, dort haben sie das Atomium gebaut, und dann haben die belgischen Kolonien – der Kongo, glaub ich, war belgisch – auch Pavillons gehabt mit Gärten, das war sehr schön.

STANDARD: Und im Jahr darauf sind Sie das erste Mal zum Opernball gegangen?

Lugner: Na, da hab ich noch nicht so viel Geld gehabt. Irgendwann später dann hab ich mir eine Eintrittskarte gekauft und hab mir die Eröffnung so über die Leut' hinweg ein bisserl angeschaut, mit meiner damaligen Frau. Vielleicht war ich aber auch erst verlobt mit ihr, das kann ich nicht sagen ...

STANDARD: Sie haben damals noch nicht ständig Ausschau gehalten nach anderen Damen?

Lugner: Na, das war meine Jugendliebe damals, und außer der hat mich nichts interessiert. Später ist das dann anders geworden ...

STANDARD: Reden wir vom Tag aller Tage: Wann duschen Sie?

Lugner: Na schauen S', ich erzähle Ihnen mal, wie das grundsätzlich abläuft. Der eine Gast kommt am Montagnachmittag oder -abend an, und mit dem machen wir am Dienstag um eins ... oder um zwölf ... eine Pressekonferenz, und dann kann er machen, was er will.

STANDARD: Wir reden von Frauen?

Lugner: Ja.

STANDARD: Die schicken Sie dann einfach weg?

Lugner: Na ja, ins Hotel bringen wir sie schon. Der andere Gast kommt dann immer am Dienstagnachmittag an aus Amerika, und das ist das riesige Problem mit dem Zeitunterschied. Mit der hab ich dann Mittag- und Abendessen jeden Tag, aber die ist dann meistens sehr gereizt wegen dem Jetlag.

STANDARD: Die Gage hat sie da aber schon?

Lugner: Ist eh klar. Sie gibt dann den Pass nur ab, da braucht sie nicht selbst durch den Zoll gehen, und wenn alles da ist, ist die Frage: Fahre ich mit ihr in der Stretch, oder will sie lieber alleine mit einem S-Klasse-Mercedes fahren?

STANDARD: Sie spüren da schon: Das wird schwierig?

Lugner: Das hab ich im Gespür.

STANDARD: Haben Sie sich bei der Begrüßung schon manchmal gedacht: Na servas, die schaut aus.

Lugner: Na, über so was denk ich nicht nach. Ich muss ja dann in Englisch mit ihr das Programm besprechen, und mein Englisch ist leider eine Katastrophe, aber mir bleibt ja nix anderes übrig. Dann fahren wir ins Hotel, dort will sie meistens nix und geht aufs Zimmer. Am nächsten Tag der Friseur. Das macht normalerweise der Weltmeister Hüllebrand. Zur Melanie Griffith ist aber der Winkler gekommen, weil die wollte den Hüllebrand nicht.

STANDARD: Wieso nicht?

Lugner: Wer weiß. Für die McPherson muss ich auch einen aus Köln einfliegen, weil die hat von den Friseuren in Wien noch nie was gehört. Aber in London schaut sie vorher bei einem Designer vorbei, von dem hängt sie mir dann die Rechnung fürs Kleid um. Am Opernball-Tag selbst ist dann nicht weiß Gott viel los. Ich steh um drei viertel acht im 19. Bezirk auf, ich hab dort ja die Villa vor 35 Jahren für den Wlaschek gebaut, und vor 25 Jahren hab ich sie ihm abgekauft. Es ist eine einfache Villa, weil der Wlaschek ein einfacher Mensch war. Wir waren eine Zeitlang sehr gut befreundet, aber dann hat er eine neue Frau geheiratet, und die hat ... na ja.

STANDARD: Also wann duschen Sie?

Lugner: Na passen S' auf. Um 16.30 Uhr fahr ich von der Lugner City nach W22, das ist mein Code. Da bin ich um 17 Uhr zu Hause und hab eine halbe Stunde Zeit zum Herrichten.

STANDARD: Verwenden Sie einen Duft?

Lugner: Na, Duftwasser verwende ich nicht, weil da hab ich eine Allergie gegen so was.

STANDARD: Ziehen Sie ein Unterleiberl an?

Lugner: Na, a Hemd und a Frackweste. Mein Problem ist: Beim Hemd sind diese Knöpfe, da kann man hineinfahren, und ich hab jetzt solche Manschettenknöpfe – also nicht Manschettenknöpfe ... so was (zeichnet sie auf). Da ist der Dings, und der ist so lang, und den Stift zieh'n Sie da rein, damit sie ins Knopfloch kommen, und dann verriegelt sich das ...

STANDARD: Wie viele sind das?

Lugner: Drei. Und das ist eine Spielerei oft, die drei Knöpf' zumachen, das kann dauern. Und früher, vor Jahren, war ich der Meinung, man muss sich das Frackmascherl selber binden, und das hat auch gedauert.

STANDARD: Und jetzt?

Lugner: Hab ich ein fertiges, und aus.

STANDARD: Die Socken kaufen Sie in der Lugner oder online?

Lugner: Socken habe ich genug.

STANDARD: Die Schuhe?

Lugner: Zum Frack gehören Lackschuhe, da hab ich drei Paare. Und das, was ich am liebsten hab, das zieh ich an.

STANDARD: Maßschuhe?

Lugner: Hab ich auch welche, aber aus Haifischleder, die Lackschuhe sind fertige. Dann wird die Uhr abmontiert, weil man zum Frack keine Armbanduhr trägt. Ich habe zwei goldene, die man in die Weste steckt. Eine hab ich mir gekauft, und eine hab ich von der Mausi geschenkt gekriegt. Und dann muss ich alles einstecken, das ist auch ein Problem, weil ich hab ja was weiß ich wie viele Eintrittskarten ...

STANDARD: Die müssen Sie herzeigen?

Lugner: Selten. Aber ich muss sie einstecken! Dann steck ich das Geld lose ein, weil ich ja keinen Platz habe, also ohne Brieftasche, ohne Klammerl.

STANDARD: Wie viel haben Sie immer mit?

Lugner: Nicht viel.

STANDARD: Für die Champagnerrechnung in der Loge reicht's?

Lugner: Die zahlt ein anderer, der bei mir eingeladen ist. Ich zahl faktisch nie was. Die Gefahr ist, dass die Kellner Strawanzer sind, weil: Die tun leere Flaschen untern Tisch hinstellen, und dann sagen sie, die haben wir getrunken.

STANDARD: Dann noch Schal und Zylinder ...

Lugner: ... und weiße Handschuhe, die man aber nicht anzieht, sondern nur mithat. Und dann hab ich natürlich auch einen Frackmantel, der hat so da hinten einen Stoff als Verlängerung vom Kragen. Warum das so ist, weiß ich nicht, aber das ist halt so.

STANDARD: Schon mal was zu Hause vergessen?

Lugner: Na. Ich hab eine Bedienerin, die weiß, was ich alles brauche.

STANDARD: Wird zu Hause vorgeglüht?

Lugner: Na, ich trink daheim nichts.

STANDARD: Gibt's ein Papperl als Unterlage?

Lugner: Na, nix, schauen S', ich bin blaaad. Und dann krieg ich aber ein Riesenmenü vom Mörwald. Wir treffen uns mit dem Gast zum Essen im Grand Hotel, da ist die Galerie im Keller, da gehen wir owe, Schauen S': Weinbegleitung 99 Euro, Menü 295 Euro, macht insgesamt 3.835 Euro.

STANDARD: Na servas.

Lugner: Dann gibt's Fotoshooting im Abendkleid mit der Presse, das wird sehr nachgefragt. Aber da warten wir uns oft die Füße in den Bauch, weil der Star mit Friseur und Kosmetik nicht fertig wird.

STANDARD: Was macht der Friseur so lang?

Lugner: Na, a ordentliche Frisur halt!

STANDARD: Und was tun Sie in der Zeit?

Lugner: Warten. Beziehungsweise fahren wir halt irgendwann mit dem Lift hinauf und fragen, wie lang es noch dauert. Und der Generaldirektor vom Grand Hotel steht auch immer parat, ich hab ja nur eine Handynummer oder irgendwas von der oder gar keine. Und ich kann dann nur draußen klopfen und fragen, wann sie fertig ist.

STANDARD: Haben Sie sich beim Warten schon mal gedacht: "Ich scheiß drauf"?

Lugner: Na ja. Na. Aber es ist manchmal anstrengend.

STANDARD: Der Charles Bronson hat in "Spiel mir das Lied vom Tod" zur Claudia Cardinale gesagt: "Irgendeiner wartet immer." Angeblich hat die Claudia Cardinale auf Sie gewartet ...

Lugner: Die hätte sich ganz gerne mit mir wieder getroffen, sie war halt an mir interessiert. Aber was tu ich mit einer Schauspielerin? Schau, ich bin ein Baumeister. Ich hab mit einer Schauspielerin ein Kind. Die hat in der Josefstadt gespielt am Abend, und tagsüber ist sie daheim gesessen, und ich hab gearbeitet. Und am Samstag, wenn ich mehr Zeit gehabt habe, hat sie zwei Vorstellungen gehabt, und am Sonntag auch.

STANDARD: Die Grace Jones hätte vielleicht auch am Wochenende Zeit gehabt.

Lugner: Die war im Imperial in der Suite, wo der Hitler schon drin war, die Queen und der Schah von Persien. Und ich auch, weil ich sie umgebaut und dort die Hochzeitsnacht verbracht habe ...

STANDARD: Mit welcher?

Lugner: Mit der Ersten nicht, weil da hab ich noch nicht so viel Geld gehabt. Also entweder mit der Mausi oder mit einer vorherigen, ich weiß es nicht mehr. Da ist eine Türe in der Suite, die ins Wohnzimmer führt, und die ist immer versperrt. Und dann gibt es eine riesige Garderobe mit einer Türe, die ist nicht versperrt, weil da holen die Leute vom Imperial das G'wand zum Ausbürsten. Und die Grace Jones ist nicht und nicht dahergekommen. Also sind wir hinauf und da hinein durch die Türe, und dann haben wir sie schon gehört, wie sie gestöhnt hat. Dann sind wir endlich essen gefahren. Sie hat so eine Pappendeckelperücke aufgehabt, und dann hat sie gesagt, sie muss sich frisch machen. Also sind wir wieder ins Hotel, und wieder Sex, um sieben war das. Und dann vor Beginn vom Ball um halb zehn wieder. Und dann hat sie die Loge zugesperrt um halb eins in der Früh oder wos waß i. Und dann hat sie gesagt: Sie will jetzt in eine Underground-Disco, aber vorher mit dem Freund noch einmal aufs Zimmer. Da hab ich gesagt: "Na!"

STANDARD: Und die Melanie Griffith?

Lugner: Die hat auch einen mitgehabt. Der war ein Franzose, der Vertreter für den Herrn, der das mit dem Blut macht.

STANDARD: Wer? Wie? Was?

Lugner: An und für sich ist der in Leipzig, der das erfunden hat, sein bekanntester Gast ist der gewisse Wladimir Putin. Ich mache das seit eineinhalb Jahren einmal im Monat. Der nimmt Blut heraus, das wird dann mit einer Substanz versetzt, so wie die Plazenta in der Nabelschnur, und das wird einem wieder eineinjiziert (injiziert, Anm.). Schauen Sie, meine Haut ist wesentlich glatter seither, ich hab nicht 100 Falten. Aber ich geh auch zum Worseg, der tut mir da in die Stirn Botox spritzen.

STANDARD: Bevor Sie dann endlich mit Ihrem Gast bei der berühmten Feststiege ankommen.

Lugner: Die Stiege wird ja von viertel zehn bis fünf vor drei viertel gesperrt für die Bundesregierung – und ich finde: Das ist in einer Demokratie nicht richtig. Aber na gut. Sie können jetzt entweder vorher aufegehen, da sitzen Sie dann ewig in der Loge und wissen net, was tun, oder nachher, dann wird's knapp. Oder dazwischen, und Sie gehen nicht über die Feststiege.

STANDARD: Haben Sie im Gedränge oft böse Worte gehört in der Art: Schau, der depperte Lugner?

Lugner: Na, schaun S' ... na gut, kann sein, dass ... einmal bin ich unten beim Eingang gestanden, und da war der (Klaus) Liebscher dort, und der hat geschimpft.

STANDARD: So richtig böse?

Lugner: Na. Ich weiß nicht. Ja. Aber schauen Sie, wenn ich tanzen gehe ... mit jedem zweiten Gast gehe ich tanzen, und da macht mir das Publikum Platz. Da hab ich fünf Meter Durchmesser oder sechs, und dann wollen die Leute Selfies mit mir machen, und alle sind extrem höflich.

STANDARD: Da spüren Sie Respekt und Anerkennung?

Lugner: Ja.

STANDARD: Da können Sie den Ball dann genießen?

Lugner: Genossen hab ich den Ball noch nie, weil es dauernd Probleme gibt!

STANDARD: Der Gast muss vertraglich meistens bis Mitternacht bleiben.

Lugner: Dann geh ich mit denen runter, bestell ihnen die Limo, meistens gibt es dann schon die Tageszeitungen ...

STANDARD: ... in denen schon drinsteht, wie Sie sich wieder aufgeführt haben?

Lugner: Das Problem ist: Wird drei Logen neben mir gerauft, dann steht in der Zeitung: Neben der Loge vom Lugner ist gerauft worden!

STANDARD: Sie bleiben dann noch mit Ihrer privaten Begleitung, bis der Ball am Würstelstand neben der Oper endet?

Lugner: Ja freilich, da muss ich hin, weil der sich freut, wenn ich komme, das ist ja der Innungsmeister. Da ess ich eine Käsekrainer.

STANDARD: Manche Paare kommen am Ende streitend nach Hause.

Lugner: Na ja, ich hab mit meiner letzten Frau auch gestritten, weil die auf einmal zu mir sagt: "Mi gfreit's nimma, i geh mit an aundan in die Eden." Sag ich zu ihr: "Du, bittschön, wir san verheirat', und da gehst du net mit an aundan in die Eden." Sie hat 80 Handynummern von Frauen bei meinem Handy gesperrt und mich abgehört, jedes Gespräch, jede SMS hat sie auf ihren Computer gekriegt und hineingeschaut. Das ist eigentlich verboten. Sie hat gesagt, sie macht's net. Aber sie hat's trotzdem gemacht.

STANDARD: Sind Sie dann am nächsten Tag schon mal direkt wieder ins Büro gekommen?

Lugner: Na. Da komm ich dann um elf. Das ist der einzige Tag im Jahr, wo ich erst um elf komme. (Manfred Rebhandl, Album, 24.2.2019)