Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Rembrandt, Vermeer & The Golden Age" verkündete der Louvre Abu Dhabi den Ankauf einer Studie von Rembrandt: sie war im Dezember für umgerechnet 10,64 Millionen Euro bei Sotheby’s ersteigert worden.

Foto: Louvre Abu Dhabi

Der US-Milliardär Thomas S. Kaplan und seine Frau nennen die an Umfang größte Privatsammlung an Werken von Rembrandt ihr Eigen, unter anderem das Bild "Geruch", ca. 1625.

Foto: Sueraya Shaheen

Geruch ("Der bewusstlose Patient") gehört zu einer um 1625 von Rembrandt geschaffenen Serie ("Die fünf Sinne"). Das Gemälde war 2015 als ein Werk des 19. Jahrhunderts verkannt in den USA versteigert worden. Eine Restaurierung und wenige Monate später erwarb es Kaplan für drei Millionen Dollar.

Foto: The Leiden Collection

Leonardo da Vincis "Salvator Mundi": Seit der Versteigerung für 450,3 Millionen Dollar im November 2017 war das Gemälde nicht mehr öffentlich zu sehen. Der Louvre (Paris) hat es als Leihgabe für die im Oktober anberaumte Retrospektive angefordert.

Foto: Christie's

Am 2. Mai jährt sich Leonardo da Vincis Todestag zum 500. Mal. Gut möglich, dass der Louvre Abu Dhabi an diesem Tag sämtliche Spekulationen rund um seine 450 Millionen Dollar teure Trophäe beendet. Sechs Monate ist es her, seit man via Twitter die für September 2018 vorgesehene öffentliche Präsentation des Gemäldes Salvator mundi ohne Angabe von Gründen auf unbestimmte Zeit verschob.

Seitdem herrscht Rätselraten: über den Beweggrund dieses Aufschubs ebenso wie über den Verbleib des Werkes. Sitzt es aus konservatorischen Gründen noch in einem Zollfreilager auf dem europäischen Kontinent fest? Und vor allem: Schwang nun einst Leonardo oder doch einer seiner Schüler den Pinsel? Gesichert ist, dass sich die Zweifel an der auf Gutachten gestützten Zuschreibung des Auktionshauses Christie's seit der Versteigerung im Dezember 2017 mehrten.

Wie berichtet ("Vom Sensationswert eines Zankapfels"), dürfte sich auch eine der Provenienzangaben, die die Theorie, es handle sich um ein Werk des Universalkünstlers, stützen, als haltlos erwiesen haben: Der von Christie's zitierte Inventareintrag der Sammlung des englischen Königs Karl I. soll sich tatsächlich auf einen seit 1924 im Pushkin-Museum beheimateten anderen Salvator mundi des Künstlers beziehen.

Teure Louvre-Marke

Wie auch immer. Hinter den Kulissen scheiden sich die Geister der Fachwelt. Das vorläufig teuerste Werk in der Geschichte des Kunstmarktes könnte sich gar zu einem Politikum auswachsen. Denn auch in den Reihen des Louvre gibt es Zweifler. Gerüchteweise sollen dieser Fraktion nicht nur Kuratoren in Frankreich, sondern auch Manuel Rabaté, der Direktor des Abu-Dhabi-Ablegers, angehören. Ob und in welcher Form sie ihre fachliche Einschätzung am Altar der Diplomatie opfern müssen, wird sich weisen.

Weniger, weil Christie's zum Firmenimperium des französischen Milliardärs François Pinault gehört und in eine Zwickmühle geraten könnte. Vielmehr gilt es auf kulturpolitischer Ebene eine Brüskierung des Emirats zu vermeiden. Schließlich kooperiert man seit 2007: Eine knappe Milliarde Euro ließ Abu Dhabi springen, um 30 Jahre lang die Marke "Louvre" zu nutzen und Leihgaben nicht nur aus dem Louvre in Paris, sondern aus insgesamt 13 französischen Museen (u. a. Centre Pompidou, Musée d'Orsay) zu beziehen.

Die Frage ist, auf welche Zuordnung sich die Experten bis zu der ab 24. Oktober (bis 24. Februar 2020) in Paris anberaumten Retrospektive zum Werk Leonardo da Vincis einigen werden. Ende vergangener Woche bestätigte eine Sprecherin des Louvre vorerst nur, dass Salvator mundi als Leihgabe angefragt wurde.

Derweilen gab Abu Dhabi vergangene Woche eine weitere Akquisition bekannt. Via Twitter outete sich das Museum als Käufer der im Dezember bei Sotheby's in London versteigerten, 10,64 Millionen Euro teuren Ölstudie Rembrandts. Das Motiv: der ins Gebet versunkene Christus. Anlass für die Verlautbarung war die Eröffnung einer Ausstellung, die die produktivste Epoche der europäischen Kunstgeschichte in den Mittelpunkt stellt: das Goldene Zeitalter und Protagonisten wie Vermeer oder Rembrandt, dessen Todestag sich im Oktober heuer zum 350. Mal jährt.

Die Schau tourt seit zwei Jahren durch diverse Museen, war zuerst im Louvre in Paris, später in China und vergangenes Jahr im Pushkin-Museum (Moskau) und bis Mitte Jänner in der Eremitage (St. Petersburg) zu sehen. Dabei handelt es sich um Leihgaben aus der sogenannte Leiden Collection, die dem US-amerikanischen Milliardär und Investor Thomas S. Kaplan und seiner Ehefrau Daphne gehört. Mit 15 Ölgemälden und zwei Zeichnungen besitzen sie die in Umfang größte Privatsammlung an Werken Rembrandts, wenngleich manch einer deren Qualität moniert.

Monogramm "RHF"

Zur Kollektion gehören etwa drei Gemälde aus einer um 1625 entstandenen, Fünf Sinne betitelten Serie. Zwei erwarb Kaplan 2007, die dritte im Frühjahr 2016. Wenige Monate davor war ein als "Continental School, 19. Jhd." verkanntes Kleinformat in einem amerikanischen Auktionshaus in Bloomfield (New Jersey) angeboten worden. Statt der taxierten 500 bis 900 Dollar brachte es eine gute Million Dollar.

Der siegreiche französische Handel hatte ein gutes Auge bewiesen. Talabardon & Gautier (Paris) ließen das Gemälde restaurieren und konnten es schließlich als Geruch (Der bewusstlose Patient) identifizieren. Denn vom vergilbten Firnis befreit, war im Hintergrund der Szene auch eine Zeichnung erkennbar, auf der sich Rembrandt mit seinem Monogramm "RHF" verewigte. Soweit bekannt, handelt es sich um die früheste Signatur des Barockkünstlers.

Talabardon & Gautier gedachten, das Werk ursprünglich als Highlight bei der Tefaf-Kunstmesse in Maastricht zu präsentieren, verkauften es aber noch vor der Vernissage an Thomas S. Kaplan: für drei Millionen Dollar. Für andere Gemälde zahlte der Philanthrop, der sich auch für Kulturgutschutz in Konfliktregionen engagiert, freilich ein Vielfaches. Für Jan Vermeers Junge Frau am Klavier dürfte der Kaufpreis in einer Größenordnung von 35 Millionen Euro gelegen sein.

Dabei wähnen manche in diesem Bild eine Fälschung, andere sind von der Echtheit überzeugt. Zu Letzteren gehörte der mittlerweile verstorbene Kunsthändler Robert Noortmann, der es bei der Sotheby's-Auktion im Frühjahr 2004 einem Konkurrenten überlassen musste: umgerechnet 24,36 Millionen Euro ließ der amerikanische Kasinomagnat Steve Wynn (Las Vegas) damals dafür springen. Über einen New Yorker Kunsthändler gelangte es 2008 in die Leiden Collection und darf nun – bis 18. Mai – im Louvre Abu Dhabi bewundert werden.

Debüt für Gauermann

Präsentationen wie diese bringen dem interessierten Publikum der Region ein Kapitel europäischer Kunstgeschichte näher und werden mittelfristig auch zu einer Nachfrage an Werken dieser Gattung führen. Bisher war die von den internationalen Auktionshäusern über Niederlassungen in Doha (Sotheby's) und Dubai (Christie's, Sotheby's) umsorgte Klientel hauptsächlich für ihr Interesse an ihrer eigenen historischen Kunst, an zeitgenössischer Kunst und besonders an Armbanduhren und hochkarätigen Juwelen interessiert.

Ein Fokus, der sich mit jeder vergleichbaren Ausstellung verändern könnte. Im Mittleren Osten lauert folglich die künftige Konkurrenz europäischer Käufer. Zur Freude des Kunsthandels, der ohnedies fürchtet, dass ihm eine Generation erwiesener Alte-Meister-Sammler in Europa sukzessive wegzusterben droht. Davon würden, gemäß der jüngst von Kunstmarktökonomin Clare McAndrew für dieses Segment publizierten Marktanteile, jedenfalls die top fünf Nationen profitieren: Am Handelsvolumen orientiert, sind das Großbritannien (27 Prozent), Deutschland (18 Prozent), USA (16 Prozent), Frankreich (15 Prozent) und – last, but not least – Österreich (zehn Prozent).

Entsprechende Begehrlichkeiten könnte auch ein von Johann Kräftner kuratiertes Gastspiel im Rahmen des jährlich stattfindenden Abu-Dhabi-Festivals schüren: Unter dem Titel "Distant Prospects" werden ab 26. Februar und bis 25. März Meisterwerke der europäischen Landschaftsmalerei gezeigt, aus dem reichen Fundus der Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein sowie der Hohenbuchau Collection. Dass damit dort auch heimische Größen des 19. Jahrhunderts wie Friedrich Gauermann und Rudolf von Alt ihr Ausstellungsdebüt geben, sei erwähnt. (Olga Kronsteiner, Album, 24.2.2019)