Thomas Hampson singt am Sonntag im Musikverein.

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Wien – Was macht der Typ da mit der Kamera!?", flüstert Thomas Hampson inmitten seiner Ausführungen im Café Mozart. Kurz wähnt sich der Bariton fotografiert, was an sich nicht ungewöhnlich wäre. Er ist eine der prominenten Koryphäen seines Faches. Mit Leonard Bernstein hat er u. a. lyrische Liedkompetenz bewiesen – als 31-Jähriger, "in dem Lenny etwas sah, wovon ich keinen Schimmer hatte".

Er war in Salzburg Nikolaus Harnoncourts Don Giovanni und an der Wiener Staatsoper Hauptfigur in Friedrich Cerhas Oper Der Riese vom Steinfeld. Und kürzlich ließ er sich als böser Scarpia in Puccinis Tosca effektvoll erstechen. Man kennt ihn also.

Pulverisierte Klassik

Hampson jedoch stellt schnell fest, dass der "Typ da drüben" nur seine Kamera testet und ihn zufällig im Visier hat. Es hätte allerdings auch sein können, dass der Sänger hinübergeht und sich beim Typen über die Kamera erkundigt. Technologisch ist er interessiert.

Und als jemand, der die Veränderungen der Klassikbranche laufend miterlebt, ist Hampson sensibilisiert für Aspekte wie Disruption und Digitalisierung. Sie transformieren die Musikwelt und pulverisieren gewisse Bereiche. Die guten, opulenten Tonträgerzeiten, als Opern-Gesamtaufnahmen selbstverständlich waren, sind perdu; auch Exklusivverträge besitzen die wenigsten Musiker. Und sehr viele produzieren ihre CDs selbst.

Treffen mit Jobs

Die neue Epoche findet Hampson spannend. "Ob ich glaube, dass sie die Antwort auf alle brennenden Fragen ist? Da bin ich mir nicht so sicher." Was das Künstlerische anbelangt, "glaube ich, dass wir mit dem Fortschritt mitspielen müssen. Bei iTunes war ich von Anfang an quasi mitbeschäftigt. Ich wurde eingeladen, mir den Katalog anzuschauen, bevor er lanciert wurde. Es war natürlich spannend, Apple-Chef Steven Jobs kennenzulernen."

Pädagogisches Internet

Mittlerweile schrumpft aber auch der Downloadmarkt, angesagt ist Streaming. Hampson ist diesbezüglich mit dem Klassikportal Idagio in Verbindung, das ihn als "stets anregenden Sparringspartner" bezeichnet, der das Internet auch pädagogisch für sinnvoll hält. "Es ist endlich technisch möglich, Expertise gut einzubringen.

Geige und Gesang, Instrumente, die klanglich ja sehr heikel sind, können nun über Internet unterrichtet werden. Auch Vorsingen und Vorspielen werden über diesen Kanal laufen."

Immer noch CDs

Dennoch gibt Hampson immer noch CDs heraus: "Ja! Ist doch lustig, nicht wahr? Die großen Monolithe unter den Labels sind fast weg, was ich aber gar nicht so schlecht finde. Als ich mich von der EMI trennte, sagte ich: 'Ich verstehe nicht, warum ich für euch etwas produzieren soll, das eventuell aus dem Katalog fliegt.' Ich hätte keinen Zugang mehr zu meinen Aufnahmen."

Autonomie ist ihm weiterhin gegeben: Die Strauss- und Mahler Aufnahmen Hampsons kamen zwar bei der ehrenwerten Deutschen Grammophon heraus, die im Besitz des Multis Universal ist. Allerdings hat Hampson die Einspielungen selbst produziert "und dann lizenziert". Er schätzt auch die "kleineren Firmen, denen es noch um Inhalte, um bestimmtes Repertoire geht".

Demokratie in Gefahr

Bei Pentaton, wo die "Tonqualität besonders ist", hat er Serenade mit französischen Liedern publiziert. Bei Cedille gibt es Songs from Chicago, erzählt der Sänger, womit er bei seiner Sorge bezüglich Amerika wäre.

Was die demokratische Grundversorgung anbelangt, sieht er Gefahren auch durch den technischen Fortschritt, der die Verbreitung von allerlei Gedankengut ermöglicht. Künstler hätten jedenfalls eine Rolle zu spielen, wenn es um die Besinnung auf grundlegende demokratische Haltungen geht. "In Amerika werden Grundwerte nun mit Religion vertauscht. Ich möchte aber neuen Humanismus, neue Aufklärung! Wie du in den Himmel kommst oder in die Hölle, das ist deine Sache, das geht mich nichts an."

Wobei: Aus diesen Regionen Tweets zu bekommen, fände Hampson womöglich reizvoll. (Ljubisa Tosic, 22.2.2019)