Der E-Sport boomt. Nicht nur in Korea verfolgen Millionen Menschen die Matches ihrer Teams in den Ligen und Turnieren diverser Videogames, auch in den USA und Europa fasst das Phänomen zunehmend Fuß. Dazu erreichen Games an sich immer mehr die Masse, wie nicht zuletzt der beeindruckende Erfolg des Battle-Royale-Games "Fortnite" aufzeigt.

Der Aufschwung bringt auch neue Berufsbilder und Einnahmequellen. Nicht nur als E-Sports-Profi kann man Preisgelder erspielen und Sponsorenverträge abschließen. Games-Coaching ist mittlerweile angekommen. Gegen Stundenlohn zeigen erfahrene Spieler ihren Kunden, wie sie im Game ihrer Wahl besser werden können. Ich habe für den STANDARD den neuen Service ausprobiert.

YunkyyTV

Fündig geworden bin ich beim deutschen Portal Gamerlegion. Dort bieten verschiedene Trainer ihre Dienste in "League of Legends", "CS: GO" oder neuerdings auch "Fortnite" an. Ich ließ mich von Julian "Yunkyy" F. für zwei Stunden unter die Fittiche nehmen, um mein Können im Battle-Royale-Shooter "Playerunknown's Battlegrounds" ("PUBG") zu verbessern.

Von LAN-Parties in den E-Sport

F. (27) hat Mitte der 1990er seine Leidenschaft für Videogames entdeckt, ursprünglich am Gameboy oder auch mit Strategiespielen wie "Die Völker" oder "Age of Empires". Später entdeckte er dann Shooter, insbesondere "Counter-Strike" für sich. Von LAN-Partys unter Freunden ging es dann langsam in den kompetitiven Bereich als Spieler und Team-Manager. In letzterer Rolle erreichte er einst mit seinem Team den vierten Platz im Finale der ESL Pro Series 2014 und nahm auch an den Intel Extreme Masters, einem der wichtigsten Turniere, teil.

Mittlerweile hat er auf "PUBG" umgesattelt. Er spielt für zwei Clans in verschiedenen Bewerben und hat mittlerweile über 2.000 Matches bestritten. Coachings bietet er seit Anfang 2018 an.

Noch kein Brotberuf

Seinen Lebensunterhalt verdient er allerdings nicht mit E-Sports. Sein Engagement in der Szene sei vorwiegend ehrenamtlich gewesen, erklärt er im Interview. Und auch als Coach und Streamer reicht es nur für ein "kleines Taschengeld". Dass sich das auf absehbare Zeit ändert, denkt er nicht, auch weil er "PUBG" am "absteigenden Ast" sieht.

Zur Zeit des großen Anfangshypes hatte das Spiel teilweise drei Millionen gleichzeitige Spieler auf Steam, mittlerweile liegt der Tageshöchstwert bei etwa 900.000. Nach wie vor ist es damit aber das populärste Game auf Valves Plattform. Derzeit betreibt F. ein Wirtschaftsingenieursstudium, zuvor war er als Bürokaufmann tätig und ist über acht Jahre zur See gefahren.

Dass man in Zukunft einmal als Spieletrainer sein Leben finanzieren kann, hält er aber "definitiv" für möglich. Topteams in anderen Games können sich mittlerweile eigene Trainings-Locations und Coaches finanzieren. Generell rechnet er damit, dass sich E-Sports in unseren Breitengraden weiter positiv entwickeln werden.

Von Casuals und Profi-Gamern

Zu ihm kommen Spieler aller Erfahrungslevels – vom "PUBG"-Anfänger bis zum Profi. Die größte Gruppe machen allerdings ambitionierte Spieler aus, die den Schritt vom reinen "Spaßspiel" hin in den kompetitiven Bereich machen wollen. Den größten Unterschied zwischen Gelegenheitsgamern und erfahrenen Kämpfern sieht man seiner Ansicht nach vor allem in der instinktiven Entscheidungsfindung und vor allem im viel besser koordinierten Teamplay.

Spieler, die eine E-Sports-Karriere anstreben, warnt der Pro-Gamer aber auch davor, den Zeitaufwand zu unterschätzen. Um auf hohem Level mitzuhalten, sollte man mit vier Stunden Training täglich rechnen. Hinzu kommen Ligen und Turniere, die oft auch am Wochenende stattfinden. Dementsprechend zwingen Familie und Beruf viele Spieler, die es nicht bis ganz nach oben schaffen, ihren Traum irgendwann zu beerdigen. Dies ist seiner Beobachtung nach auch der wesentliche Grund dafür, warum man selten Profispieler sieht, die älter als 25 Jahre sind.

Duo-Abenteuer und Einzeltraining

Im Vorfeld des Trainings übermittelte "Yunkyy" einige Fragen hinsichtlich meines Erfahrungsgrades in "PUBG" und der Zielsetzungen des Coachings. Die da lauteten: intelligent Wege über die Karte in den Kreis zu finden und zu lernen, in hektischen Situationen die Übersicht zu wahren.

Zwei Stunden lang versuchte "Yunkyy", sein Wissen in der Trainingssitzung zu vermitteln.
Foto: Northcon/Yunkyy

Herausforderungen, die im Training dann auf verschiedene Art und Weise – und manchmal auch mit unterhaltsamem Pech und Pannen – angegangen wurde. Sie reichten von gemeinsamen Kämpfen im Duo, Absprüngen in heiß umkämpfte Spielzonen bis hin zu "Einzelunterricht" mit dem Coach in der reinen Beobachterrolle. Immer wieder konnte "Yunkyy" dabei nützliche Tipps und Tricks vermitteln, auch wenn deren Anwendung nicht unbedingt beim ersten Mal klappte.

Dennoch behielt er dabei stets einen kühlen Kopf und seine ruhige und betont verzweiflungsresistente Art bei. Dass man neu Erlerntes nicht immer gleich wirksam anwenden und auch alte Gewohnheiten nicht sofort ablegen könne, sei schließlich ein normaler Lernprozess. Und der machte sich am Ende des Trainings immerhin mit einem gemeinsamen "Chicken Dinner" (Matchsieg) bezahlt.

Sinnvolle Ergänzung für ambitionierte Gamer

Eine Stunde Coaching wäre etwa so effektiv wie 40 Stunden unbetreute Praxis, rechnete der E-Sportler vor. Diese Quantifizierung ist zwar eher mit Vorsicht zu betrachten, es lässt sich aber festhalten, dass so einige Ratschläge meinen Spielerfolg langfristig wohl deutlich verbessern werden. Von einem Vorstoß in den Pro-Bereich sehe ich aber freilich aufgrund meines notorischen "Potato-Aims" lieber ab.

Für Gamer, die tatsächlich kompetitive Ambitionen haben, präsentiert sich ein Coaching jedenfalls als eine sinnvolle Ergänzung zur täglichen Praxis. Denn manche Fehler bemerkt man schlicht nicht, weil sie sich längst in der eigenen Routine manifestiert haben. Und gerade das instinktive und intuitive Abrufen der richtigen Verhaltensweisen ist es, was in der Hitze eines Gefechts schließlich den Casualspieler vom Pro unterscheidet. (Georg Pichler, 3.3.2019)