In Österreich lautet der Spirit: Alles soll so bleiben, wie es immer war, und jeder soll dort bleiben, wo er vermeintlich hingehört.

Foto: standard/ elmar gubisch

Vor wenigen Tagen habe ich eine Diskussion über den Umgang mit mehrsprachigen Kindern in österreichischen Schulen moderiert. In der Debatte fiel wieder einmal die Forderung nach mehr Lehrerinnen und Lehrern mit Migrationshintergrund. Diese seien nicht automatisch die besseren Lehrerinnen, sagte eine Diskussionsteilnehmerin. Sie hat natürlich recht.

Migrationshintergrund ist keine Qualifikation. Die eigene nichtösterreichische Herkunft oder die Herkunft der Eltern macht einen nicht zu einem besseren Polizisten, einer besseren Journalistin oder einem besseren Lehrer. Und trotzdem brauchen die Kinder in Ottakring oder Favoriten dringend Lehrer, die ähnliche Namen wie sie selbst tragen und einen ähnlichen sozialen Hintergrund haben. Diese Kinder brauchen dringend Vorbilder, sie brauchen eine Perspektive und Motivation.

Kein Aufstieg

In Österreich wird Bildung vererbt. Arbeiterkinder werden nur in den seltensten Fällen Akademiker, das belegen Jahr für Jahr die Zahlen der Statistik Austria oder OECD-Studien. Ein OECD-Bericht aus dem Jahr 2018 sagt, dass es in Österreich fünf Generationen lang dauert, bis sozialer Aufstieg gelingt. Wessen Vater zu jenen mit den niedrigsten Einkommen zählt, der braucht in Österreich fünf Generation, um auf das durchschnittliche Einkommensniveau des Landes zu kommen. Zum Vergleich: In Dänemark braucht es zwei Generationen, in Indien neun.

Unser Bildungssystem sortiert die Kinder schon mit zehn Jahren aus. Um die Defizite eines überforderten und veralteten Systems auszugleichen, bekommen in Österreich überproportional viele Schüler Nachhilfe. Ob Kinder im Lauf ihrer schulischen Laufbahn Erfolg haben, hängt bei uns also in hohem Ausmaß von den Finanzen und vom sozialen Kapital ihrer Eltern ab.

Dazu kommt die Aufstiegsfeindlichkeit der österreichischen Gesellschaft. Wir haben nicht einmal diese trügerische Karotte vor der Nase, die nach harter Arbeit und Entbehrung zumindest den Nachkommen Saus und Braus verspricht. In Österreich lautet der Spirit: Alles soll so bleiben, wie es immer war, und jeder soll dort bleiben, wo er vermeintlich hingehört.

Eine Zumutung

Es ist zehn Jahre her, dass ich Zeugin eines denkwürdigen Dialogs wurde. Ein Innenpolitikjournalist der größten österreichischen Zeitung wurde gefragt, wieso es auf den Seiten ebendieser Zeitung keine Kolumnistin mit dunkler Hautfarbe gibt, oder zumindest eine mit einem türkischen oder serbischen Namen. Der gefragte Kollege, nach eigener Angabe der Integration aller Bürger dieses Landes nicht abgeneigt, sagte: Für so einen Schritt seinen die Leser seiner Zeitung noch nicht weit genug, man können ihnen das nicht zumuten.

Wie gesagt, Muhamed ist kein besserer Polizist als Manfred, und eine Frau, deren Eltern Flüchtlinge waren, ist nicht zwangsläufig eine bessere Lehrerin oder Journalistin. Aber wir müssen uns Österreich dringend zumuten. Man hat sich an unsere Väter auf den Baustellen und an unsere Mütter mit Putzfetzen in der Hand gewöhnt. Es wird Zeit, dass sich die breite Masse daran gewöhnt, dass sich die Zeiten geändert haben. Österreich ist seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland, hier wachsen Generationen von Kindern heran, die keine andere Heimat kennen und deren Zukunft unsere ist. Das zu akzeptieren und damit auf konstruktive Weise umzugehen könnte der Austrian Dream werden, der sich für alle lohnt. (Olivera Stajić, 26.2.2019)