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Europaparlament: Gute Stimmung für ÖVP, SPÖ und Neos, aber die FPÖ kann die unzufriedene Minderheit ansprechen

Foto: AP/Francisco Seco

Linz – Fände die Wahl zum EU-Parlament nicht am 26. Mai, sondern schon jetzt statt, wäre die ÖVP klarer Sieger: Mit 30 Prozent der Stimmen läge sie nach Berechnungen des Linzer Market-Instituts um rund drei Prozentpunkte besser als vor fünf Jahren. Dazugewinnen dürften auch die SPÖ und die FPÖ, die mit 25 beziehungsweise 21 Prozent in der EU-Sonntagsfrage jeweils rund einen Prozentpunkt über dem letzten Wahlergebnis liegen.

Die Neos (zuletzt 8,1 Prozent) könnten ebenfalls kräftig auf 11 Prozent zulegen, die Grünen würden mit acht Prozent deutlich schlechter abschneiden als zuletzt (14,5 Prozent). Schließlich die Liste Jetzt, die neu antritt und hinter Johannes Voggenhubers "Initiative 1 Europa" steht: Sie bliebe mit zwei Prozent ohne Mandatschancen.

Gute Werte für Voggenhuber

Voggenhuber, der frühere Grünen-Spitzenpolitiker und langjährige EU-Abgeordnete (in dieser Funktion 1995 bis 2009), wird allerdings von 27 Prozent der heimischen Wahlberechtigten als geeignet gesehen, deren persönliche Interessen in Europa zu vertreten (etwa gleich viele halten ihn für ungeeignet).

Market-Institutsleiter David Pfarrhofer: "Voggenhuber hat gute persönliche Werte, er liegt ähnlich wie der SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder. Daher kann sich im Wahlkampf da noch sehr viel tun."

Außerdem müsse man bedenken, dass die Wahlbeteiligung bei EU-Wahlen stets weit unter jener von Nationalratswahlen liegt: "Wenn nur jeder Zweite wählen geht, haben die Stimmen derjenigen, die tatsächlich wählen, deutlich mehr Gewicht. Es wird also sehr darauf ankommen, welche Gruppe ihre potenziellen Wähler auch tatsächlich zur Urne bringt."

Günstiges Klima vor der Wahl

Was der Meinungsforscher generell spürt, ist ein besonders günstiges Klima, das derzeit für die Europäische Union herrscht.

2004, also zehn Jahre nach der Volksabstimmung über den EU-Beitritt, waren 46 Prozent der von Market befragten Wahlberechtigten der Meinung, dass der EU-Beitritt ihnen persönlich mehr Nachteile gebracht hat.

Vor fünf Jahren, im EU-Wahlkampf 2014, hat Market nochmals gefragt – und da gab es einen Gleichstand: Damals sagten je 40 Prozent, dass ihnen der EU-Beitritt Vorteile beziehungsweise Nachteile gebracht habe.

Stimmung gedreht

Inzwischen aber hat sich die Stimmung völlig gedreht: 48 Prozent sehen mehr Vorteile, 26 Prozent sehen gar keinen Einfluss auf ihre persönlichen Lebensumstände, und 22 Prozent sehen überwiegend persönliche Nachteile durch den EU-Beitritt Österreichs vor einem Vierteljahrhundert. Besonders von den Vorteilen der EU überzeugt sind jüngere Befragte.

Diejenigen, die überwiegend Nachteile sehen, verdienen allerdings eine nähere Betrachtung: Auffällig ist, dass sich tendenziell Frauen, Bewohner ländlicher Regionen und vor allem erklärte Wähler der FPÖ als durch den EU-Beitritt benachteiligt sehen.

Verhalten der FPÖ für Pfarrhofer "logisch"

Pfarrhofer: "So gesehen ist es logisch, dass sich die FPÖ und ihr Spitzenkandidat scharf gegen die EU positionieren. Das funktioniert offenbar auch, denn man kann sehen, dass diejenigen, die sich benachteiligt fühlen, in einem überdurchschnittlichen Maß meinen, dass Harald Vilimsky ein geeigneter Vertreter ihrer Interessen in der EU wäre." Umgekehrt würden die, die in der EU Vorteile erleben, besonders viel Vertrauen in den ÖVP-Mann Othmar Karas setzen.

In derselben Umfrage ließ DER STANDARD auch erheben, wie die österreichischen Wahlberechtigten die EU generell erleben. Dazu wurden den Befragten eine Reihe von Aussagen vorgelegt, denen sie zustimmen oder die sie ablehnen konnten:

  • "Österreichische Politiker reden sich viel zu oft auf die EU aus" bekam die größte Zustimmung. 70 Prozent sehen das so, ältere Befragte mehr als jüngere, Anhänger der Opposition eher als Anhänger der Regierungsparteien.
  • Schon an zweiter Stelle steht die Anerkennung für das, was das Erasmus-Programm bewirkt hat: "Die EU hat vielen Studenten eine bessere internationale Ausbildung ermöglicht", sagen 68 Prozent, 15 Prozentpunkte mehr als noch vor fünf Jahren. Es sind besonders die jungen Befragten, deren Generation von internationaler Ausbildung profitiert, die dem zustimmen.
  • An dritter Stelle kommt ein Bekenntnis zu offenen Grenzen: "Die offenen Grenzen in der EU haben das Wirtschaftswachstum begünstigt", sagten 66 Prozent – jene mit höherer Bildung stimmen in besonders hohem Maße zu, FPÖ-Wähler widersprechen mit einer 53-prozentigen Mehrheit.
  • Ähnlich die Einschätzung, wenn es um den Vergleich der Situation in Europa mit jener bei den Großmächten geht: Der Aussage "Die EU stellt ein Gegengewicht zu Großmächten wie den USA oder Russland dar" stimmen bundesweit 61 Prozent zu, in der FPÖ-Anhängerschaft schrumpft die Zustimmung auf 27 Prozent. 50 Prozent der Befragen meinen auch, "Bürger in der EU haben mehr Rechte als Bürger der USA oder von Russland" – bei den erklärten Freiheitlichen wollen das aber nur 27 Prozent erkennen. Beide Aussagen wurden bereits 2014 abgefragt, damals waren vergleichsweise weniger Österreicher von den Vorzügen der EU gegenüber Russland und den USA eingenommen.

Anhaltende Skepsis der FPÖ

Ob die Skepsis der FPÖ-Wähler in den vergangenen fünf Jahren zurückgegangen ist, ist aufgrund des geringeren Stichprobenumfangs der Vergleichsumfrage nicht statistisch sicher zu sagen. Was aber der Vergleich der beiden Umfragen im Zeitabstand zeigt: Die Österreicher stimmen heute mehr als damals (56 Prozent, plus zehn Punkte gegenüber der Vergleichsumfrage) der Aussage zu, dass die EU "ein erfolgreiches Friedensprojekt ist" – das Fußvolk der Freiheitlichen hat diese Sichtweise damals wie heute mehrheitlich abgelehnt.

"Das alles heißt natürlich nicht, dass in der EU alles in Butter wäre, die Österreicher sind den Institutionen und Tendenzen gegenüber eher kritisch", hält Pfarrhofer fest: "Auf die Frage, ob sich die EU in die richtige Richtung entwickelt, sagen immerhin 54 Prozent, dass das nicht der Fall wäre. Aber auch das ist ein besserer Wert als 2014. Damals haben noch 70 Prozent gemeint, dass sich die Union in die falsche Richtung entwickelt." (Conrad Seidl 25.2.2019)