Das Amazon-Verteilzentrum in Großebersdorf gehört zu den Erfolgen der Betriebsansiedlungsagentur ABA. Der Standort Niederösterreich ist für die Bundeshauptstadt ein Wermutstropfen.

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Noch stehen die Umstände nicht fest, unter denen die Briten die Europäische Union Ende März verlassen. Beim Firmenzuzug in Österreich ist der Brexit aber bereits spürbar. Denn hinter Deutschland mit 39 Betriebsansiedlungen in Wien landete Großbritannien im Vorjahr bereits auf Platz zwei in der Liste der zehn wichtigsten Herkunftsländer für die Bundeshauptstadt.

Insgesamt zog es laut dem Ansiedlungsreport der Austria Business Agency (ABA) 14 Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich nach Wien. Die Zahl der Neugründungen aus Großbritannien war damit doppelt so hoch wie im Jahr davor.

"Entwicklungen wie der Brexit sind immer eine Chance, die wir aktiv nutzen wollen, und daher haben wir uns frühzeitig positioniert", sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Ob Wien von der Abwanderung infolge des bevorstehenden Austritts Großbritanniens aus der EU überdurchschnittlich viele Unternehmen anlocken kann, hier ihre EU-Zelte aufzuschlagen, wollte der Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien, Gerhard Hirczi, nicht einschätzen. "Wir sind sicher nicht die Einzigen. Aber wir dürfen zufrieden sein, weil wir sehen: Es gibt Bewegung." Vergleichszahlen zu anderen Metropolen gebe es nicht.

Deutschland Nummer eins

Dass sich die Onlineversandplattform Amazon im niederösterreichischen Großebersdorf, also im Wiener Umland statt in Wien angesiedelt hat, ist mit Sicherheit ein Wermutstropfen für die Wiener Stadtregierung. Immerhin hat Prontopro, Italiens größter Dienstleistungsvermittler, seinen Sitz in Wien angemeldet. Vermittelt wird so gut wie alles, vom Fotografen über Installateure bis zu Fitnesscoach und Nachhilfelehrer.

Auch gesamtösterreichisch betrachtet war Deutschland mit 108 Unternehmen mit großem Vorsprung die Nummer eins unter den Investorenländern. Der nördliche Nachbar und wichtigste Handelspartner zeichnete damit für 30 Prozent des Firmenzuzugs verantwortlich. Auf Rang zwei folgte die erste Überraschung: Die Schweiz überholte mit 36 Neuansiedlungen den viele Jahre zweitwichtigsten Handelspartner Österreichs, nämlich Italien, von wo im Vorjahr 28 Betriebe zuwanderten.

"Neben attraktiven Rahmenbedingungen am Standort hilft uns unsere Lage im Herzen Europas, und auch die wirtschaftsfreundliche Politik wird im Ausland mit großem Interesse verfolgt", verweist Schramböck etwa auf die Forschungsprämie von 14 Prozent, die in der Form als Alleinstellungsmerkmal bei Standortentscheidungen gilt.

Forschungsprämie zieht an

Die noch einmal von zwölf auf 14 Prozent erhöhte Forschungsprämie schmälert wohl die Einnahmen der Republik aus Steuern und Abgaben pro Jahr um geschätzte 600 bis 800 Millionen Euro. Der sohin geschröpfte Steuerzahler profitiere aber langfristig auch von dieser Förderung. Denn von den insgesamt 355 angesiedelten Unternehmen, davon kamen 182 oder 221 nach Wien, betreiben 32 hierzulande Forschung und Entwicklung (F&E), warb Schramböck.

Durch die Neuansiedlungen wurden rund 3000 Arbeitsplätze geschaffen und knapp 735 Millionen Euro investiert – das ist ein Anstieg um 1,5 Prozent, während der Arbeitsplatzzuwachs acht Prozent ausgemacht habe. Der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) vereinnahmt vom Zuwachs 231,68 Millionen Euro und 1753 neue Arbeitsplätze für die Bundeshauptstadt. Er verstehe gar nicht, wenn die Hauptstadt immer wieder von "unqualifizierter Seite" krankgeredet werde. Dies schade dem Wirtschaftsstandort und damit auch Österreich, sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) wohl in Richtung Bund.

Nach Branchen rangiert der Komplex Informationstechnologie, Telekommunikation und Software (56) vorne, gefolgt von wirtschaftsnahen Dienstleistungen (55). Sogar 22 ausländische Start-ups entschieden sich für Österreich. Eines davon ist Aeolus Robotics, ein Artificial-Intelligence-Scale-up aus Silicon Valley, das zusammen mit der TU Wien Sensorik für Haushaltsroboterassistenten entwickelt. (ung, APA, red, 25.2.2019)