Foto: Guido Gluschitsch

Das war das lausigste, räudigste und mieseste Happy End, das die Automobilgeschichte je gesehen hat, und es nahm seinen Anlauf an einem Montag, kurz vor vier Uhr früh. Der Nissan Leaf steckte im Hof an der Steckdose, war innen 25 Grad warm. Draußen war es finster, bitterkalt, und habe ich schon erwähnt, dass es Montag kurz vor vier Uhr früh war? Das ist die Zeit, zu der niemand Autojournalist sein will. Nicht einmal, wenn das Auto dank Standheizung vorgewärmt und vollgeladen auf einen wartet. Die erste Maschine nach Frankfurt macht das nicht. Weder warten noch innen warm sein.

Der Nissan Leaf kämpft als E-Auto gegen kompakte Verbrenner.
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Drei Tage musste der Leaf im eiskalten Schwechat warten, bis er wieder im Hof an die Steckdose durfte. Die einhundert Kilometer dazwischen sollte er mit dem 40-kWh-Akku locker schaffen. Laut WLTP-Messung reicht der für 270 Kilometer im Drittelmix. Diese Messung hat hier aber nur bedingt eine Berechtigung.

Der Akku ist nun so groß, dass die Reichweiten alltagstauglich sind. Auch wenn wenn man das bis zum Schluss manchmal nicht glauben will.
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Der Weg zum Flughafen führt fast ausschließlich über Autobahnen und Bundesstraßen. Zudem liegen die Tageshöchsttemperaturen unter dem Gefrierpunkt. Beides macht E-Autos zu schaffen. Also fahre ich früher los, um nicht so hetzen zu müssen, heize den Leaf vor, am Rückweg bleibt die Winterjacke geschlossen, und trotzdem nimmt das Zittern kein Ende. Es ist kalt, und die Reichweite fällt schneller, als die Anzahl der gefahrenen Kilometer steigt.

Auf den ersten Blick ist der Nissan auch innen nicht von einem konventionellen Auto zu unterscheiden. Bis man den Knopf für das e-Pedal findet.
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Am Ende zeigt der Leaf nach hundert gefahrenen Kilometern – nein, eigentlich habe ich ihn getragen – eine Restreichweite von 30 Kilometern an. Es ist also nicht nur alles gut, sondern sich sogar locker ausgegangen. Auf der anderen Seite sind 130 Kilometer Reichweite, nur weil die Bedingungen für das E-Mobil denkbar schlecht sind, keine Glanzleistung für ein Auto um 42.100 Euro.

Im Kofferraum gesellt sich zu den Kabel noch ein Kasterl, das zum guten Ton gehört.
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Der neue Leaf hat es aber auch besonders schwer, seinen Platz zu finden. Er muss jetzt mit allen konventionellen Kompaktwagen konkurrieren. Er spielt in der gleichen Liga, was Größe, Praktikabilität und Ästhetik angeht. Das war nicht immer so. Als hässliches Entlein, das er als Vorgänger war, setzte er sich kommod in eine Nische und verdrängte die wenigen verbliebenen E-Konkurrenten.

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Der Leaf ist eine einzige E-Auto-Erfolgsgeschichte. Vermutlich, weil er so unkompliziert ist und weil nun, mit dem neuen Akku, einem halbwegs tauglichen Fahrprofil und Frühlingstemperaturen, 300 Kilometer mit einer Ladung kein Kunststück mehr sind.

Der Smart sucht sich am E-Auto-Markt genau so eine Nische, wie er es schon als Verbrenner machte.
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So hoch hinaus will der Smart EQ Fortwo gleich gar nicht. Er ist das ideale Stadt- und Kurzstreckenauto. Da ist es vollkommen wurscht, ob man 50 oder 100 Kilometer mit einer Ladung kommt. Bevor man mit ihm im Winter um vier Uhr früh in Richtung Flughafen aufbricht, täuscht man lieber eine Grippe, Masern und zwei, drei Beinbrüche vor. So faszinierend kann der Termin in Frankfurt gar nicht sein.

Frech schaut er aus, und lustig ist er zu fahren. Letzteres vor allem, wenn man die Stadt nicht verlässt.
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In seinem Metier aber, in der Stadt vor allem, da macht er einen Spaß, dass die Hälfte auch reichert. Bis 50 km/h prescht er richtig frech los – und da ist es auch egal, dass es ab dann bis zur 100er-Marke ziemlich lang dauert. Er ist wendig, fesch und spritzig. Autoherz, was brauchst du mehr? Na, eine Steckdose, ein Lebenskonzept für zwei Personen und einen riesigen Hass auf die Öffis. Warum sonst sollte man 26.723 Euro für dieses Auto ausgeben?

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Noch einmal anders schaut die Sache beim E-Valium aus. Ja, dieser Wagen begeistert so, dass er sofort einen Kosenamen bekommen hat. Eigentlich heißt er e-NV200 Evalia und ist wie der Leaf von Nissan. Der E-Valium passte am besten zu den Anforderungen, die ihm im Test gestellt wurden. Holz holen aus dem Baumarkt, die Trial zum Trainingsgelände bringen und die drei Kieberer auflesen, die grad zu Fuß auf Patrouille sind – dann aber nicht mitfahren.

Eroberer des Testerherzens: Der Tausendsassa e-NV200 Evalia, oder E-Valium, wie er während des Testzeitraums hieß.
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Bis zu fünf Personen passen in den Test-Evalia, es gibt ihn aber auch als Siebensitzer. So viel Polizei gibt es bei uns am Land aber ohnedies nicht. Holzlatten mit zwei Metern braucht man am Land aber bald einmal, und die schmeißt man einfach so in den Evalia, ohne dass man die Sitze umlegen muss – was aber mit einem einfachen Handgriff ginge.

Wer so praktisch ist, muss nicht der Schönste und nicht der Schnellste sein. Wer einmal mit einem Porsche ohne Anhängevorrichtung mit seiner Trial zum Training aufbrechen wollte, weiß wovon die Rede ist.
Foto: Guido Gluschitsch

Das Fahrprofil durch drei Ortschaften und retour passt perfekt zur E-Mobilität. Und die paarmal nach Wien und retour gingen sich auch locker aus. Nicht weil es wärmer war. Der arme Evalia hat zudem sehr viel Raum, den er aufheizen muss, was so gesehen ein Nachteil ist. Der Vorteil aber ist, dass es einem in diesem Auto komplett wurscht ist, wenn man einmal 30 Kilometer im Windschatten eines Lkws fährt. Es dauert keine zwei Minuten länger, bis man am Ziel ist, kommt dafür aber bestens gelaunt und entspannt an. Gut, vielleicht schaut das anders aus, wenn auf der Rücksitzbank drei qängelnde Bälger sitzen, aber Fichtenbrettln riechen ja nur gut und stören sonst nicht weiter.

Auch wenn man dem Evaila den hohen Nutzwert schon von der Weiten ansieht, fehlt einem dann aber beim Fahren eigentlich doch nichts.
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Und so kam es, dass der E-Valium nicht einmal jeden Tag in den Hof durfte, um an der Steckdose zu nuckeln. 200 Kilometer gibt der WLTP-Zyklus als Reichweite an. Im Test gingen sich mit einer Ladung fast 300 Kilometer aus. Obwohl es fast genauso kalt war wie beim Test des Leaf und obwohl der Evalia Lasten spazieren führen musste. Den großen Unterschied machen halt das Fahr- und das Streckenprofil. Deren Auswirkungen auf den Verbrauch merkt man beim Verbrenner kaum, lassen einen im E-Auto aber recht zittern. (Guido Gluschitsch, 25.2.2019)

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