"Wie kann man als Frau nur bei so einem Verein dabei sein?" Das wird Magdalena Bachleitner, Vorsitzende der Katholischen Jugend, öfter gefragt.

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"Die Frauenfeindlichkeit hat in der römisch-katholischen Klerikerkirche seit Jahrhunderten System." Mit diesem Befund kehrten im vergangenen Herbst sechs bekannte Schweizer Feministinnen der katholischen Kirche den Rücken. In einem öffentlichen Brief erklärten die Frauen ihre Entscheidung, mit der sie jahrelang gerungen und die sie sich nicht leicht gemacht hätten. "Wir gehen." Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte, war Papst Franziskus, der Abtreibung wenige Wochen zuvor mit einem Auftragsmord verglichen hatte. Den "römisch-katholischen Machtapparat mit seiner patriarchalen Theologie" wollten die Schweizerinnen – unter ihnen die Theologinnen Doris Strahm und Regula Strobel – nicht länger stützen, Kritik formulierten sie auch an der "rigiden und menschenfeindlichen Sexualmoral" und den zahlreichen sexuellen Übergriffen innerhalb der katholischen Kirche sowie deren "jahrzehntelanger Vertuschung durch die Kirchenoberen".

Das Schweigen beenden

Die Kritik an verkrusteten Strukturen und Machtmissbrauch, am Verschweigen und Vertuschen sexueller Gewalt – für den römisch-katholischen Führungsapparat ist sie nicht neu. Als in Österreich 1995 der Fall Groer die Amtskirche erschütterte, fassten immer mehr Opfer sexueller Übergriffe den Mut, vom Erlebten zu berichten, ein Kirchenvolksbegehren ebenso wie eine Austrittswelle aus der katholischen Kirche waren die Folge. Groer selbst schwieg bis zu seinem Tod 2003 zu den Vorwürfen.

Rund um den Globus zeichnete sich immer deutlicher ein Bild des systematischen Machtmissbrauchs innerhalb der katholischen Kirche – strukturelle Reformen, wie sie nicht nur von Feministinnen gefordert wurden, blieben dennoch aus. Umso gespannter erwarteten KritikerInnen den "Kinderschutzgipfel" am vergangenen Wochenende, den Papst Franziskus einberufen hatte. Eine historische, viertägige Konferenz, an der vor allem Opferverbände massive Kritik übten. Während Franziskus im Vorfeld noch einen 21-Punkte-Plan als Diskussionsgrundlage vorgelegt hatte, blieben in seiner Abschlussrede konkrete Maßnahmen aus. Auch auf die Einsicht, dass Machtmissbrauch und Übergriffe nicht teuflische Sache von Einzeltätern, sondern in das streng hierarchische, patriarchale System Kirche miteingeschrieben sind, warten KritikerInnen bisher vergeblich.

"Ich denke, die Konferenz ist ein erster Schritt, weil das systematische Verschweigen auf weltkirchlicher Ebene aufgebrochen wird. Für eine nachhaltige Veränderung braucht es natürlich noch viel mehr", sagt Monika Prettenthaler. Die Psychotherapeutin und Theologin lehrt am Institut für Katechetik und Religionspädagogik der Universität Graz, privat engagierte sie sich früh in der katholischen Jungschar und als Pfarrgemeinderätin. Dass sie nach wie vor in der Kirche aktiv ist, führt die gläubige Katholikin auf den Umstand zurück, "eine andere Seite" der Kirche kennengelernt zu haben. "Ich habe in meiner Laufbahn viele kritische, widerständige Frauen getroffen, von denen mittlerweile viele gegangen sind", erzählt Prettenthaler im Gespräch mit dem STANDARD. "Wir haben zur Frauenfrage ja immer wieder Denk- und Redeverbote bekommen, aber man sieht, dass die katholische Kirche dieses Thema nicht loswird."

Undenkbare Priesterinnen

Die ehemalige Nonne Doris Wagner zählt aktuell zu jenen Akteurinnen, die den Finger öffentlichkeitswirksam in die Wunde legen. Mit ihrem Bericht über die Vergewaltigung durch einen Priester und den Machtmissbrauch im Orden Das Werk brachte sie ein bisher kaum beachtetes Thema aufs Tapet: sexuelle Übergriffe auf Nonnen, die in der Kirche vielfach in eine aufopfernde, dienende Rolle gedrängt werden – ein katholisches Frauenbild mit langer Tradition. Wagner ist Teil der internationalen Plattform Voices of Faith, die sich innerkirchlich für Frauenrechte einsetzt. Eine konkrete Forderung der gemeinnützigen Stiftung: Bis 2030 sollen 30 Prozent der Führungspositionen auf globaler Ebene von Frauen übernommen werden. Entsprechend werden auch Mentoring-Programme angeboten. Zur Priesterweihe für Frauen vertritt die Plattform hingegen keine offizielle Position.

In Österreich ist es unter anderem die wenig einflussreiche Plattform Wir sind Kirche, die eine vollständige Gleichberechtigung von Frauen in der römisch-katholischen Kirche fordert: die Öffnung des ständigen Diakonates für Frauen ebenso wie den Zugang zum Priesteramt. Papst Franziskus hatte zuletzt eine Kommission eingesetzt, die die Geschichte des Frauendiakonats untersuchte – eine Empfehlung für oder gegen die Öffnung für Frauen sollten die TheologInnen nicht abgeben. "Das Diakonat ist auch eine Vorstufe zur Priesterweihe. Und viele scheinen zu befürchten, dass mit dem Frauendiakonat der erste Schritt zum Priesterinnentum getan wäre", sagt dazu Monika Prettenthaler.

Diplomatische Jugend

"Als Frau in der katholischen Kirche wird man sehr oft gefragt: Wie kann man als Frau nur bei so einem Verein dabei sein?", erzählt indes Magdalena Bachleitner. Seit Mai vergangenen Jahres ist die Wiener Volksschullehrerin gemeinsam mit zwei KollegInnen ehrenamtliche Vorsitzende der Katholischen Jugend, der offiziellen Jugendorganisation der römisch-katholischen Kirche. Ihre Antwort auf die feministische Gretchenfrage: "Ich muss etwas dazu beitragen, dass sich etwas verändern kann." Ein Kirchenaustritt sei daher keine Lösung. Dass die basisdemokratisch organisierte Katholische Jugend auch innerkirchlich Kritik üben könne, sieht Bachleitner als ein Privileg – nicht immer stoße man auf Gegenliebe. Dabei sind die Positionen der Vorsitzenden und ihrer Kollegin Eva Wimmer gar nicht so radikal. "Ich würde mir selbst oft wünschen, dass Dinge schneller gehen, gleichzeitig ist es wichtig, die handelnden Personen nicht zu überfordern", sagt Bachleitner etwa. Die Frage des Frauendiakonats solle weitergedacht werden, sinnvoll seien allerdings kleine Schritte.

Frauen und ihre Rolle innerhalb der Kirche – bei der Vorsynode der Jugend im vergangenen Jahr sei kaum ein Thema so intensiv und hitzig diskutiert worden, erzählt Eva Wimmer. Die Studentin der katholischen Fachtheologie reiste als österreichische Vertreterin zu dem Jugendtreffen im Vorfeld der Bischofssynode nach Rom. Im Vatikan wollte man wissen, wie junge Menschen über Glaube und Kirche denken. "Das Frauendiakonat war ein Thema, aber wenn man über Frauen als Priesterinnen gesprochen hat, hat man sich selbst ins Aus geschossen, dann wurde einem nicht mehr zugehört", sagt Wimmer. Sie selbst wünscht sich Frauen als Diakoninnen, danach könne man in einen "theologischen Diskurs" über das Priesteramt treten.

Die beiden Vorsitzenden, die aus der Jugendarbeit berichten können, dass junge Menschen sich eine "authentische Kirche" und einen offenen Dialog zu Themen wie Sexualität wünschen würden, geben sich in ihrer Funktion betont diplomatisch. Dennoch formuliert Magdalena Bachleiter einen Wunsch für den weiteren Weg der katholischen Kirche. "Ich wünsche mir, dass wir einen offenen, ehrlichen Umgang miteinander haben und besagte Männer, die in der katholischen Kirche das Sagen haben, sich trauen, einen Schritt zurückzumachen, und sich fragen, was es heißt, sich als junge Frau in der katholischen Kirche zu engagieren." Diese Frauenfrage könnte sich für die römisch-katholische Kirche, wo Frauen die Basis der Ehrenamtlichen stellen, schlichtweg zur Überlebensfrage entwickeln. "Ohne ihr ehrenamtliches Engagement könnten wir die Kirchen zusperren" – formulierte es Ingrid Gady, ehemalige Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Steiermark, 2011 in einem Interview. (Brigitte Theißl, 26.2.2019)